Monopolisierung und Finanzkapital

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Überblick[Bearbeiten]

Anmerkung: Dieser Dissens ersetzt den vorherigen Dissens: "Monopole und ihre Entwicklung". Der Dissens ist noch nicht fertig ausgearbeitet.

Hier geht es um den ökonomischen Kern des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium: das Monopol bzw. die Monopolisierung als Folge der notwendigen Zentralisierung des Kapitals und die Herausbildung des Finanzkapitals als die wirkmächtige Verbindung des Industrie- und Bankkapitals bzw. produktives und Geldkapital. Kurz: Konzentration des Kapitals - Monopolisierung - Finanzkapital, ein stetig stattfindender Prozess im Laufe der kapitalistischen Geschichte. Einige begriffliche Voraussetzungen zuerst: Als erstes unterscheidet Marx die Formen des Kapitals, die sich aus dem Kapitalkreislauf (Warenproduktion und Warenzirklulation) ergeben: Geldkapital, produktives Kapital und Warenkapital. Diese Ebene der Betrachtung sagt noch nichts aus über das Eigentum an Kapital. War es historisch so, dass jeder einzelne industrielle Kapitalist alle Formwandlungen des Kapitals in seiner Kontrolle durchlaufen konnte? Entwickelten sich Handelskapitalisten durch Besitz von Waren (Warenkapital) und / oder Geld zu Bank- und Handelskapitalisten, industrielle Kapitalisten aber auch ebenso durch Akkumulation wiederum zu Bank- und Handelskapitalisten? Im Kapitalkreislauf (Einsatz von Geldkapital in Produktionsmittel und Arbeitskraft, Produktion von Waren, Umsatz von Warenkapital in Geldkapital) also macht das Kapital Formwandlungen durch. Ob und in welchem Maße nun diese verschiedenen Kapitalformen historisch durch industrielle Kapitalisten, Bankkapitalisten, Handelskapitalisten oder den kapitalistischen Staat vertreten werden, ist Sache der konkreten historischen Untersuchung und keine theoretische Frage. Wenn wir uns nun hier mit der Frage der notwendigen Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital als Folge der Monopolisierung (und diese wiederum als notwendige Folge der Konzentration und Zentralisation des Kapitals) beschäftigen, geht es um eine historische Betrachtung. Diese historische Entwicklung tendiert zunehmend zur Vergesellschaftung, das heisst: immer größere Monopole verwalten den gesellschaftlich produzierten Mehrwert, das gesamtgesellschaftliche Kapital in fortschreitend zentralisierterer Form. Die unterschiedlichen Kapitalisten, Bank-, Industrie, Handelskapitalisten (letztere historisch betrachtet zunehmend bedeutungsloser), binden durch gegenseitige Beteiligungen (mittels ihres in Form von Geldkapital angehäuftem gesellschaftlichen Mehrwert) ihre Kapitale zusammen, um die notwendigen Investitionen in den unterschiedlichen Bereichen der gesellschaftlichen Mehrwertproduktion, zu gewährleisten.

Beide Kategorien, Monopolisierung und Finanzkapital, sind jedoch umstritten. Die unterschiedlichen Positionen sollen in einem ersten Aufschlag hier vorgestellt werden und die Grundlage für weitere Vertiefungen und Untersuchungen bieten. Im Mittelpunkt der Debatte geht es um die Fragen: Ist die stattfindende Monopolisierung von Kapitalen eine zwangsläufige und gesetzmäßige Entwicklung des Kapitalismus der freien Konkurrenz? Und daraus folgend: befinden wir uns daher heute noch in einem Kapitalismus der freien Konkurrenz, in der sich einige Konzerne zwar durchgesetzt haben, denen aber keine dauerhafte Charakterisierung als Monopol zugeschrieben werden kann? Des Weiteren ist so ähnlich wie „Imperialismus“ der Begriff des Finanzkapitals, sowohl in der kommunistischen Bewegung, als auch in der marxistisch orientierten Akademie ungeklärt. Ungeklärt in dem Sinne, dass er erstens sehr unterschiedlich verwendet wird, zweitens auch im empirischen Sinne. Ob die verschiedenen Auffassungen der Wirklichkeit standhalten, wird zu überprüfen sein. Ohne eine empirische Auseinandersetzung werden wir den Dissens nicht lösen können. In dem hier gesetzten Rahmen wird es zunächst einmal darum gehen, den Dissens überhaupt zu begreifen, also die verschiedenen Ansätze und Positionen darzulegen. Der hier gemachte Aufschlag kann nur ein erster Schritt sein, um sich einen Überblick, wenn auch keinen allumfassenden, zu verschaffen. In einem zweiten Schritt wird in der Arbeitsgruppe die ausführlichere Darlegung der Positionen stattfinden.

Monopolisierung als gesetzmäßige Tendenz im Kapitalismus[Bearbeiten]

Die Grundlagen der ökonomischen Analyse des Kapitalismus als monopolistischer Kapitalismus ist die Erkenntnis der grundlegenden Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, der Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Außerdem die daraus folgende Akkumulation und die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals, darauf aufbauend der zunehmende gesellschaftliche Charakter der Produktivkräfte, der im Widerspruch zur privaten Aneignung, dem Wert- und dem Mehrwertgesetz, der Fall der Profitrate usw. steht. Die Momente des Übergangs zum imperialistischen Stadium sind schon bei Marx und Engels herausgearbeitet worden. Diese Momente des Übergangs sind u. a. die zunehmende Rolle des Gesellschaftskapitals (in Form der Aktiengesellschaften, Trennung Kapitalfunktion und Kapitaleigentum), die zunehmende Bedeutung des Kredits, die Entstehung von Monopolen und einer Finanzoligarchie, die strukturelle Überakkumulation und die Zunahme des Kapitalexports. Der Umschlag von der freien Konkurrenz ins Monopol ist das Merkmal des neuen Stadiums des Kapitalismus und seine unterschiedlichen Erscheinungen und Phänomene sind darauf zurückzuführen. Die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise werden dadurch nicht aufgehoben, aber das Gesetz der Durchschnittsprofitrate als Regulator der Produktion und Profitverteilung durchbrochen. Das moderne Monopol verfügt, aufgrund seiner Beherrschung von Reproduktionszusammenhängen, über ökonomische, soziale und politische Macht und Gewalt.

Es gibt eine Reihe von Positionen, die eine Trennung des Stadiums des Imperialismus von dem der freien Konkurrenz vornehmen und verneinen, dass es sich um monopolistischen Kapitalismus handelt. Dabei werden Lenins Ansichten und Analysen als Widerspruch zu den theoretischen Auffassungen im Kapital von Karl Marx betrachtet. Zu dieser Strömung gehören zum Beispiel die „Neue Marx-Lektüre“, die Werttheoretiker, der Gegenstandpunkt und andere weitestgehend akademische Debatten. Diese Strömungen unterscheiden sich zwar in Eckpunkten, sind sich aber in der Trennung von Marx und Lenin einig. Die Analyse, dass aus der Konzentration und Zentralisation die Monopolbildung folgt und demnach die Entwicklung des Kapitalismus aus dem Stadium der freien Konkurrenz in das des Monopols, wird abgelehnt. Eine historische Tendenz zur Zunahme dieser Phänomene wird verneint. Die Bildung von Monopolen wird teilweise als Mittel der Kapitale gesehen, sich in der immer noch bestehenden freien Konkurrenz gegenüber anderen Kapitalen zu bewähren. Die Neue Marx-Lektüre und der Gegenstandpunkt (GSP) unterscheiden sich in einigen Punkten, lehnen beide aber die Entwicklung des Kapitalismus zum Monopolkapitalismus ab. Die Rolle des Staates ist aus Sicht des Gegenstandpunkts dabei eine, die über der Ökonomie steht: Er treibt, um selbst in der internationalen Konkurrenz zu bestehen, die Monopolisierung voran. Der Staat instrumentalisiere damit die Ökonomie für „seine Zwecke" (Marxistische Gruppe, 1981). Die Bankenmacht sei eine Illusion, so argumentiert auch Guenther Sandleben. Die von Hilferding und auch von Lenin behauptete besondere Stellung der Banken stellt er in Frage und relativiert die Rolle der Banken als Vermittler des Geldkapitals. Ob er und vielleicht auch andere die Zentralisierungsbewegung im Bankensektor und damit deren Monopolisierung in Frage stellen, soll im Rahmen der weiteren Bearbeitung Gegenstand der Untersuchung sein.

Zur Geschichte des Begriffes Finanzkapital[Bearbeiten]

Der Begriff des Finanzkapitals wurde von Rudolf Hilferding in den Marxismus eingeführt. Gleich bei der Veröffentlichung hat Kautsky einiges an Kritik angemeldet. Umstritten war er also von Anbeginn. Lenin übernimmt den Begriff, auch wenn er dann auf seine Unzulänglichkeiten hinweist und ihn um den Aspekt der dem Finanzkapital zugrundeliegenden notwendigen Monopolisierung erweitert. Nach Lenins Schrift scheinen sich vor allem zwei Richtungen der Interpretation zu entwickeln, die bis heute in unterschiedlichster Weise noch existent sind. Jedoch muss die Arbeit im Klärungsprozess auch darin bestehen herauszuarbeiten, ob diese grobe Unterteilung zutrifft oder nicht oder ob sich weitere Ansätze entwickelt haben, die hier nicht richtig oder gar nicht eingeordnet sind bzw. eingeordnet werden können. Die zwei Ansätze die hier zur groben Einteilung der verschiedenen Positionen eine Orientierung geben sollen, sind folgende: Der erste Ansatz geht davon aus, dass das Finanzkapital das monopolisierte Kapital, das in der Produktion angelegt ist, also das „Kapital in der Verfügung der Banken und in der Verwendung der Industriellen“ (Hilferding1973, S.?). Diese Position ist aus den Referaten und Positionen innerhalb der KI (Kommunistische Internationale), in der SU (Sowjetunion) und auch in der DDR zu finden und baut grundsätzlich auf die Thesen Hilferdings und Lenins auf. Aufbauend darauf entsteht die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus.

Der zweite Ansatz geht davon aus, dass das Finanzkapital das Kapital ist, das lediglich in den Finanzmärkten kursiert und nimmt entweder explizit oder implizit eine Position gegen die Verschmelzungsthese ein.

Heute finden wir Versatzstücke beider Ansätze in einzelnen Positionen und unzählige Ausdifferenzierungen in Detailfragen. Wir müssen davon ausgehen, dass dieser Zustand auf die Krise des Kommunismus, vor allem auf den Revisionismus, zurückzuführen ist. Gleichzeitig ist das Eindringen der bürgerlichen Ideologie und die Befassung mit dieser Frage in der bürgerlichen Akademie durch zahlreiche marxistisch gesinnte Akademiker ein weiterer Grund für den bunten Strauß an Erklärungsansätzen, der uns heute präsentiert wird. Die so genannten Globalisierungstheoretiker sind hier als Beispiel zu nennen. Die hier vorgeschlagene Systematisierung ist wie folgt: Lenins Begriff des Finanzkapitals wird als Ausgangspunkt genommen. Alle anderen Positionen werden dann dazu ins Verhältnis gesetzt.

Lenins Begriff des Finanzkapitals[Bearbeiten]

Die in der kapitalistischen Entwicklung gesetzmäßigen Konzentrationsprozesse in der Produktion und dann auch des Bankkapitals führen zur Monopolisierung in der Industrie und im Bankensektor. Die Monopolisierung führt zur Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital. Lenin schreibt: „Konzentration der Produktion, daraus erwachsende Monopole, Verschmelzen oder Verwachsen der Banken mit der Industrie - das ist die Entstehungsgeschichte des Finanzkapitals und der Inhalt dieses Begriffs.“ (LW Bd.22, S.230) Aufbauend auf folgende Aussage Hilferdings wendet Lenin seine Hauptaufmerksamkeit dem so genannten »Beteiligungssystem« bzw. »Beteiligungsgesellschaft«: „Ein immer wachsender Teil des Kapitals der Industrie gehört nicht den Industriellen, die es anwenden. Sie erhalten die Verfügung über das Kapital nur durch die Bank, die ihnen gegenüber den Eigentümer vertritt. Andererseits muß die Bank einen immer wachsenden Teil ihrer Kapitalien in der Industrie fixieren. Sie wird damit in immer größerem Umfang industrieller Kapitalist. Ich nenne das Bankkapital, also Kapital in Geldform, das auf diese Weise in Wirklichkeit in industrielles Kapital verwandelt ist, das Finanzkapital.“ (Hilferding 1973, S.) Lenin legt die tatsächlich vor sich gehende Verschmelzung durch ein weit verzweigtes Netz von Beteiligungen dar, die dem Monopolkapital die Kommandohoheit über immer größere Teile der Nationalökonomie sichert. Die am häufigsten anzutreffende, juristische Form einer Beteiligungsgesellschaft ist die Aktiengesellschaft. Aus den Ausführungen Lenins ist ersichtich, dass er das Finanzkapital am Aufkommen von Wertpapieren in den jeweiligen Nationalstaaten misst: „Diese vier Länder (damit sind England, Frankreich, Vereinigte Staaten und Deutschland gemeint, Anm. d. Redaktion) zusammen besitzen 479 Millarden Francs (das ist die Summe der Wertpapiere in diesen Ländern im Jahre 1910, Anm.d.Redaktion), d.h. nahezu 80 % des Weltfinanzkapitals. Fast die ganze übrige Welt spielt so oder anders die Rolle des Schuldners und Tributpflichtigen dieser Länder - der internationalen Bankiers, dieser vier »Säulen« des Weltfinanzkapitals.“ (LW, Bd 22, S.243/244). Das Kapital wiederum, das in Form von Wertpapieren existiert, ist fiktives Kapital. Dazu Karl Marx: „Die Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schiffahrts- etc. Gesellschaften stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unternehmungen angelegte oder fungierende Kapital oder die Geldsumme, welche von den Teilhabern vorgeschossen ist, um als Kapital in solches Unternehmungen verausgabt zu werden. Wobei keineswegs ausgeschlossen ist, dass sie auch bloßen Schwindel vorstellen. Aber dies Kapital existiert nicht doppelt, einmal als Kapitalwert der Eigentumstitel, der Aktien, und das andre Mal als das in jenen Unternehmungen wirklich angelegte oder anzulegende Kapital. Es existiert nur in jener letztern Form, und die Aktie ist nichts als ein Eigentumstitel, pro rata, auf den durch jenes zu realisierenden Mehrwert. A mag diesen Titel an B, und B ihn an C verkaufen. Diese Transaktionen ändern nichts an der Natur der Sache. A oder B hat dann seinen Titel in Kapital aber C sein Kapital in einen bloßen Eigentumstitel auf den von dem Aktienkapital zu erwartenden Mehrwert verwandelt.“ (Karl Marx, Das Kapital Band III, S. 484/485)

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Begriffes Finanzkapital ist der Zusammenhang mit der politischen Organisation der Kapitalistenklasse, des Staates. Dazu schreibt Lenin: „Die Epoche des jüngsten Kapitalismus zeigt uns, daß sich unter den Kapitalistenverbänden bestimmte Beziehungen herausbilden auf dem Boden der ökonomischen Aufteilung der Welt, daß sich aber daneben und im Zusammenhang damit zwischen den politischen Verbänden, den Staaten, bestimmte Beziehungen herausbilden auf dem Boden der territorialen Aufteilung der Welt, des Kampfes um Kolonien, »des Kampfes um das Wirtschaftsgebiet«.“ (LW, Bd 22, S.258) Alle weiteren, historisch-konkreten Ausführungen Lenins und seine Kritik an Kautsky zeigen deutlich, dass das so genannte Weltfinanzkapital sich in nationale Kapitalistenverbände aufteilt, die wiederum durch ihre politische Organisation in Form von Nationalstaaten, ihre Rivalitäten bezüglich der Neuaufteilung der Welt ausfechten. Zwei Entwicklungstendenzen werden ausgemacht: eine ausgeweitete Internationalisierung des Finanzkapitals, im Sinne der erhöhten Aktivität und Konzentration auf internationaler Ebene, - eine Tendenz, die zu vermehrter internationaler Organisation des Kapitals führen muss. Und auf der anderen Seite verschärfte Konkurrenz zwischen den nationalstaatlich organisierten Kapitalistenverbände um Rohstoff- und Wirtschaftsgebiete. Letztlich wird aber trotz der notwendigen Internationalisierung, im Sinne von Zusammenarbeit verschiedener Kapitalistenverbände in internationalen und regionalen Zusammenschlüssen wie Trusts, Kartelle etc., die sich zuspitzende Konkurrenz, wenn nicht durch Kauf, dann nur durch Gewaltmaßnahmen, also durch das Militär, gelöst werden können.

Der Begriff des Finanzkapitals in der Kommunistischen Internationale, in der Sowjetunion und den sozialistischen Ländern knüpft weitestgehend an Lenins Auffassungen an. Ab wann und in welcher Weise Differenzen und / oder Revisionen des Leninschen Begriffs von Finanzkapital auftauchen, wird eine Aufgabe der Untersuchungen im Rahmen des Klärungsprozesses sein. In der DDR haben sich einige Ökonomen der historisch-konkreten Analyse des Kapitalismus gewidmet. Ihre Arbeiten müssen wir heranziehen, um ein tieferes Verständnis für den Begriff des Finanzkapitals zu entwi-ckeln und nachzuprüfen, ob er den Realitäten standhält.

Finanzkapital gleich fiktives Kapital[Bearbeiten]

Es gibt zahlreiche Autoren, die den Begriff Finanzkapital in Anlehnung an Hilferding und Lenin benutzen. Bei der näheren Betrachtung stellt sich jedoch die Frage, inwiefern das Finanzkapital trotz des positiven Bezugs auf den Leninschen Begriff alternativ als Geldkapital oder Bankkapital verwendet wird. Eine solche Anwendung des Begriffes kann dann unterstellt werden, wenn in den Ausführungen z.B. eine Trennung zwischen Industriekapital und dem Finanzkapital bzw. Bankkapital vorgenommen wird.

Andreas Wehr stellt hierzu fest, dass durch die hervorstechende Rolle der Finanzmärkte der falsche Schein einer Verselbständigung entstehen kann, die der Verschmelzungsthese zu widersprechen scheint (Wehr 2010, S.28), weist aber mit Bezugnahme auf die Arbeiten von Hess darauf hin, dass Finanzmarkttransaktionen letztlich auch „in einem erheblichen Maße der Ermöglichung bzw. der Fortsetzung der Produktion auf monopolkapitalistischer Stufe“ dienen. (Wehr 2010, S.29) Das zur Finanzierung der Produktion im Allgemeinen gesammelte, verwaltete, verliehene Geld also, erscheine auf den Finanzmärkten (dort, wo es gehandelt wird) als von der Industrie losgelöst (verselbständigt), dies aber sei nur ein Scheinwiderspruch zur Verschmelzungsthese, da diese Finanzmittel direkte (z.B. als Aktien/Wertpapiere) oder indirekt (als Kredit) in der Produktion eingesetzt werden und Ansprüche durch entweder Dividende oder Zins auf den dort produzierten Mehrwert erheben. So verstanden, wäre Finanzkapital das miteinander zusammenfließende, von den Banken (auch Investmentbanken) vermittelte monopolisierte Kapital. Wehr weist jedoch auch darauf hin, dass große Banken (wie die Deutsche Bank) zunehmend ihre Beteiligungen an Industrieunternehmen aufgeben. Er stellt die These auf, dass trotz dieser Entwicklung die Macht der Banken nicht abgenommen hätte. Hier ist die Frage, ob die Verschmelzungsthese lediglich durch die Beteiligung der Banken an den Industrieunternehmen selbst abzulesen ist oder ob die durch Banken vermittelte Kapitalbeschaffung für Beteiligungs-, bzw. Aktiengesellschaften. Zu beobachten sei eine weitere personelle Verflechtung mit der Industrie, so Wehr, was zeige, dass die Verschmelzung trotz der geringeren Beteiligung der Banken an Industrieunternehmen noch weiter existiere. Diese Beobachtungen und Schlussfolgerungen werfen Fragen auf: Ist das Finanzkapital als verwachsenes Bank- und Industriekapital vor allem in der Form des fiktiven Kapitals, also im weitesten Sinne in Form von Wertpapieren (siehe oben Lenin zu Beteili-gungsgesellschaften) real anzutreffen? Ist demzufolge das den Aktiengesellschaften zur Verfügung stehende Kapital das Finanzkapital? Oder kann die personelle Verflechtung von Banken und Industrie als Indiz für die Verschmelzungsthese dienen oder ist die personelle Verflechung ‚nur’ eine Konsequenz aus der gegenseitigen Verwicklung der Kapitale? Ist desweiteren eine Entflechtung bzw. Trennung von Industrie- und Bankkapital möglich und wäre dann die These nach einer notwendigen Entwicklungstendenz zum Finanzkapital nicht haltbar?

Lucas Zeise umschreibt in seinem 2019 erschienen Buch mit dem Titel Finanzkapital: „Es (das Finanzkapital, Anm. BolscheWiki) wird dabei als die Verbindung des oben definierten Geldkapitals mit dem (Industrie)-Kapital bezeichnet, das durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte Waren produziert, die Wert und Mehrwert repräsentieren. (…) Die Verbindung des alten Geldkapitals, kurz der Banken, mit dem erst im Kapitalismus massenhaft auftretenden Industriekapital übernimmt als monopolistisches Kapitals die Macht in Gesellschaft und Staat. Das ist die hier vertretene Grundthese wie auch bei Rudolf Hilferding und Wladimir I. Lenin.“ (Lucas Zeise 2019, S.57/58) Er empfiehlt dabei als Kennzeichnung der Epoche des Imperialismus den Begriff Finanzkapitalismus. Nach Zeise ist das Finanzkapital im Laufe der letzten Jahrzehnte finanzieller geworden und meint damit, dass es vermehrt in Form des Geldkapitals in Erscheinung tritt. Hier muss die Frage aufgeworfen werden, ob diese Vorstellung beinhaltet, dass mit Finanzkapital das Geldkapital an sich gemeint ist, oder das fiktive Kapital, also Eigentumstitel auf bzw. eine Beteiligung an das sich im Kapitalkreislauf befindliche industrielle Kapital, das – wie gehabt – seine Formwandlungen durchmacht. Damit einhergeht die Frage, ob hier der Handel mit Wertpapieren bzw. anderen Finanzprodukten gemeint ist und nicht das (Finanz-) Kapital selbst.

Demirovic/Sablowski bezeichnen den aktuellen Kapitalismus angelehnt an den Thesen Jörg Huffschmidts, als »finanzdominiertes Akkumulationsregime«. Ihre Beobachtungen fokussieren sie auf die Reproduktionszyklen des Kapitals, wobei hier der von Karl Marx eröffnete Blickwinkel auf die Funktionen bzw. Formen des Kapitals dazu verwendet wird, die wirklichen Existenzformen des Kapitals zu beschreiben: „Der Zusammenhang der verschiedenen Kreisläufe gleicht einer auf dem Kopf stehenden Pyramide, bei der sich die Basis, der Kreislauf des industriellen Kapitals, relativ klein ausnimmt im Vergleich zu den darauf aufbauenden Kreisläufen des Finanzkapitals, das heißt des zinstragenden Kapitals, des fiktiven Kapitals und der Derivate.“ (Demirovic/Sablowski 2012, S.11)

Keine Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital[Bearbeiten]

Positionen, die entweder unterstellen, dass das Industriekapital von den Finanzmärkten (häufig wird der Begriff des Finanzkapitals alternativ zu Finanzmarkt benutzt) beherrscht wird oder genau andersherum eine solche Beherrschung in Frage stellen, argumentieren – explizit oder implizit – gegen die Verschmelzungsthese, da sie eben eine Trennung der beiden Kapitalformen unterstellen.

Bei Guenther Sandleben können wir eine explizite Ablehnung der Verschmelzungsthese nachlesen: „Würde das Finanzkapital tatsächlich alle Kapitalformen einschließen, müssten natürlich auch die Kategorien entfallen, die auf der Eigenständigkeit jener Kapitalformen beruhen. So ist etwa Voraussetzung der Zinsbildung, dass sich Verleiher und fungierende Kapitalisten als Personifikation besonderer Kapitalsorten wirklich auf dem Kapitalmarkt gegenüberstehen, als Personen also, die unterschiedliche Rollen im Reproduktionsprozess spielen, oder in deren Hand dasselbe Kapital wirklich eine doppelte und gänzlich verschiedene Bewegung durchmacht: Der eine, der das Geld nur verleiht, der andere, der es im Reproduktionsprozess anwendet. Die mit dem Finanzkapital gesetzte Verschmelzung von Bank- und Industriekapital ist unvereinbar mit jeglicher Zinsbildung.“ (Sandleben 2003, S.54)

Transnationales Kapital[Bearbeiten]

Ausgehend von der Zunahme des Handels, des Kapitalexports und damit verbunden, der Verlagerung von Produktion in andere Länder, gehen einige Autoren von einer Verflechtung des Kapitals aus, die sich auch in veränderten Eigentumsstrukturen niederschlage. So wird in Bezug auf Deutschland beispielsweise angenommen, dass ein Großteil der DAX-Konzerne mehrheitlich in ausländischer Hand sei. Auch auf den von der UNCTAD eingeführten und in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen „Transnationalisierungsindex“ wird hingewiesen. Durch die Entstehung eines solchen „transnationalen Kapitals“ seien zwar die Nationalstaaten nicht weniger wichtig geworden, hätten aber laut Listl ihre Rolle grundlegend geändert: „Nationale Konkurrenzen wie in früheren Kapitalismusformationen, etwa im Ersten oder Zweiten Weltkrieg, werden deshalb nicht wiederkehren“, sondern: „Für die neue Phase der neoliberalen Globalisierung ist kennzeichnend, daß die Nationalstaaten vor allem die Funktion haben, optimale Verwertungsbedingungen für das global operierende Kapital zu schaffen“. Die Nationalstaaten würden nun nicht mehr primär die Interessen nationaler Kapitalgruppen vertreten, sondern nur noch gegeneinander darum konkurrieren, den transnationalen Konzernen möglichst gute Verwertungsbedingungen zu bieten. Die Konzerne hätten keine Länder mehr als Heimatbasis, sondern richteten sich nach den jeweils besten Bedingungen für die Kapitalakkumulation. Konflikte gebe es in diesem System weiterhin, aber nicht mehr zwischen den imperialistischen Nationalstaaten, sondern im Sinne einer kollektiven Weltordnungsmacht, zu der sich alle entwickelten Länder gegen die Länder des „globalen Südens“ zusammengeschlossen hätten (vgl. Listl, Walter: Globalisierung des Kapitals, in: Junge Welt vom 22.7.2010). Eine Variante dieser Position vertritt auch die MLPD. Nach ihrer Analyse habe sich ein „allein herrschendes internationales Finanzkapital“ bzw. „internationale Übermonopole“ herausgebildet, die vom nationalen Monopolkapital zu unterscheiden seien. Ebenfalls seien die „internationalen Übermonopole“ dem nationalen Monopolkapital übergeordnet und würden „zunehmenden Krisenlasten“ auf dieses abwälzen. Daraus ergebe sich auch ein „Widerspruch zwischen den imperialistischen Nationalstaaten und zwischen den internationalen Übermonopolen“, der einer der fünf hauptsächlichen Widersprüche des heutigen Kapitalismus sei. Die staatstheoretische Implikation all dieser Auffassungen ist, dass der bürgerliche Staat nicht (mehr) fest mit einer bestimmten Bourgeoisie verbunden ist, sondern eine vom Kapital losgelöste Instanz, die nur noch im Interesse eines globalen Kapitals die Verwertungsbedingungen verwaltet. Im Falle der MLPD vertritt der bürgerliche Staat nur noch einen Teil des Kapitals, während der vom Nationalstaat losgelöste Teil des Kapitals versuche, sich den Staat zu unterwerfen. (Quelle?)

Auch aus den Reihen der Gruppe GegenStandpunkt wird die These vertreten, dass der bürgerliche Staat einerseits ganz eindeutig die Kapitalisten der eigenen Nation stützt und schützt, andererseits aber auch ein Interesse daran hat das Kapital international agieren zu lassen (quasi aus einem eigene bürgerlich nationalstaatlichen Interesse heraus). Der bürgerliche Staat herrscht sozusagen über das Kapital und diktiert dessen „ökonomische Existenzbedingung“. (Decker/Hecker/Patrick 2016, S.116). Im Rahmen des Klärungsprozesses muss besser herausgearbeitet werden, ob diese These besagt, dass der nationale Charakter des Kapitals durch die Nationalstaaten, die ein eigenes ökonomisches Interesse haben, aber auch ökonomische Macht (Geldhoheit und Gewaltmonopol), sozusagen dem Kapital diktiert wird.

Eine extreme Variante der Transnationalisierungsthese vertreten Autoren wie Michael Hardt, Antonio Negri oder William I. Robinson, die von einer völligen Ablösung des Kapitals von den Nationalstaaten und von der Auflösung der Nationalstaaten zugunsten einer deterritorialisierten Ökonomie mit globalisierter Produktion ausgehen. Hardt und Negri zufolge seien nicht mehr die Staaten souverän, sondern das globale Kapital selbst. Es gebe auch kein eindeutiges Machtzentrum mehr, sondern die Macht durchziehe alle gesellschaftlichen Bereiche (Hardt/Negri, 2002).

Nationales Kapital[Bearbeiten]

Eine Gegenposition zur These des transnationalen Kapitals vertritt z.B. Beate Landefeld. Sie verweist darauf, dass ein mehrheitlich ausländischer Aktienbesitz eines Unternehmens aus verschiedenen Gründen noch nicht bedeuten muss, dass das Unternehmen durch das ausländische Kapital auch wirklich kontrolliert ist. Im Wesentlichen bleibe das deutsche Kapital weiterhin unter Kontrolle deutscher Kapitaleigner (Landefeld, Beate: Europäisiert sich die Bourgeoisie?, in: Marxistische Blätter 1/10). Jörg Goldberg und André Leisewitz argumentieren ähnlich, dass ausländische Aktionäre in vielen Fällen nicht nach Kontrolle über das Unternehmen streben würden, sondern sich lediglich für das Abschöpfen der Rendite interessieren würden. Dagegen blieben die Verbindungen der Unternehmen zur nationalstaatlich verfassten Politik weiterhin entscheidend (Goldberg/Leisewitz, 2013). Hier noch A.Wehr einfügen Günther Sandleben argumentiert, dass aus der Reproduktionsbewegung des Kapitals notwendig (historisch) ein Gesamtkapital herausbildet, das wiederum nur nationalen Charakter annehmen kann: „Das Kapital besitzt also neben seiner Gestalt als Einzelkapital eine eigenständige, makro-ökonomische Existenzweise. Es bildet zugleich das Gesamtkapital, wodurch die Bewegung der Einzelkapitale gesteuert wird. Allerdings taucht in unseren Alltagsvorstellungen der Begriff Gesamtkapital kaum auf. Man spricht stattdessen von der Volkswirtschaft eines Landes oder von einer Nationalökonomie.“ (Sandleben 2003, S.73)

Eine Zwischenposition vertreten z.B. einige niederländische Autoren (Kees van der Pijl, Eelke Heemskerk, Meindert Fennema, Bastiaan van Apeldoorn usw.). Sie gehen davon aus, dass die Kapitalistenklasse weiterhin vor allem national ist, dass es aber vor allem in Westeuropa eine deutliche Tendenz hin zur Herausbildung einer transnationalen Kapitalistenklasse gebe. Diese machen sie an zunehmenden Verflechtungen der Aufsichtsratsmandate über nationale Grenzen hinweg fest, wodurch ein transnationales Netzwerk entstehe, das zur Entstehung gemeinsamer Sichtweisen in der Kapitalistenklasse beitrage. Jedoch widersprechen sie klar der Behauptung z.B. von Hardt/Negri, wonach Kapital und Herrschaftsverhältnisse nicht mehr an ein bestimmtes geografisches Territorium gebunden seien (vgl. z.B. Heemskerk, 2013).

Literatur zum Thema[Bearbeiten]

Decker, Peter/ Hecker, Konrad/ Patrick, Joseph: Das Finanzkapital, GegenStandpunkt Verlag München 2016

Demirovic, Alex/ Sablowski, Thomas: Finanzdominierte Akkumulation und die Krise in Europa, In: Reihe ANALYSEN von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin 2012

Hess, Peter: Das Finanzkapital – Eigentumsform der Produktivkraftentwicklung im gegenwärtigen Kapitalismus, in: IPW-Berichte 9/1989

Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) (Hrsg.): Das Monopol – ökonmischer Kern des heutigen Kapitalismus, Theoretische und aktuelle Gesichtspunkte der marxistisch-leninistischen Monopoltheorie, Frankfurt am Main 1976

Klein, Dieter: Ökonomische Widersprüche im Kapitalismus, Berlin 1976

Marxistische Gruppe (Vorläuferorganisation des Gegenstandpunkt): Ein aktueller, aber falscher Klassiker: Lenin, der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus., in: Marxistische Stu-dentenzeitung 3-1981. https://msz.gegenstandpunkt.com/artikel/lenin-der-imperialismus-als-h%C3%B6chstes-stadium-des-kapitalismus

Kowalski, Reinhold: Die Kapitalismusforschung in der DDR, Ent- und Abwicklung, In: Krause, Günther / Luft, Christa / Steinitz, Klaus (Hrsg.): Wirtschaftstheorie in zwei Gesellschaftssystemen Deutschlands, Erfahrungen - Defizite - Herausforderungen, Karl Dietz Verlag Berlin 2011

Sandleben, Guenther: Nationalökonomie und Staat, Zur Kritik der Theorie des Finanzkapitals, VSA-Verlag, Hamburg 2003

Sandleben, Guenther: Mythos Bankenmacht, In: Junge Welt, 29.05.2012, S.10

Wehr, Andreas: Griechenland, die Krise und der Euro, Köln 2010

Paul Windolf: Was ist Finanzmarkt-Kapitalismus? In: Ders. (Hrsg.): Finanzmarkt-Kapitalismus. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft 45/2005, S. 20–57.

Zeise, Lucas: Geld - der vertrackte Kern des Kapitalismus, Versuch über die politische Ökonomie des Finanzsektors, Köln 2010

Zeise, Lucas: Finanzkapital, Köln 2019