Monopole und Staat
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Inhaltsverzeichnis
Worin besteht der Dissens?[Bearbeiten]
Die theoretische und konkrete Bestimmung des Verhältnisses von Monopolen und Staat ist ein wesentlicher Punkt zum Verständnis der Widersprüche des heutigen Monopolkapitalismus und seiner Entwicklung. Die Frage nach dem Verhältnis der Veränderungen an der ökonomischen Basis zum Überbau und insbesondere des Staates waren und sind Gegenstand zahlreicher Debatten. Bereits zu Lenins Zeiten gab es hierzu verschiedene Positionen, wie die von Hilferding, der in der Verschmelzung der Monopole mit dem Staat die Entstehung eines „organisierten Kapitalismus“ sah. Später entstand die Strömung der „Staatsableitung“, die eine besondere Stellung der Monopole zum Staat verneinte oder sogar die Existenz von Monopolen als dauerhaften Kern des Kapitalismus bestritt. Im Kontext der Studentenbewegung von 1968 und den folgenden Jahren waren auch sozialdemokratische Kreise in die Diskussion des staatsmonopolistischen Kapitalismus involviert, was sich unter anderem in den „Herforder Thesen“ zeigte, die von einem Teil der Jusos vertreten wurden. Sie verbanden damit sowohl Vorstellungen der Reformierbarkeit des Kapitalismus als auch eines Zwischenschritts zum Sozialismus.
Innerhalb der Forschung und Diskussion zum Staat und den Monopolen wurden zahlreiche Entwicklungen des Monopolkapitalismus analysiert. In den Instituten in der Sowjetunion und der DDR, in der BRD am Institut für Marxistische Studien und Forschung (IMSF), sowie kommunistischen Parteien anderer Länder, wurde dazu viel Arbeit geleistet. Im Rahmen des Klärungsprozesses sollten mittelfristig diese Arbeiten ausgewertet werden.
Besonders in den 70er Jahren wurde eine intensive Debatte über den staatsmonopolistischen Kapitalismus geführt, die zwar teilweise akademischen Charakter annahm, aber wichtige Fragen aufgeworfen hatte, die bis heute in der Diskussion sind. Die wesentlichen Positionen dieser Auseinandersetzung fanden sich bereits vorher und finden sich bis heute. Gegenstand sind und waren nicht nur die marxistische Staatstheorie, sondern die gesamte politische Ökonomie und die Grundlagen der Weltanschauung. Zum Beispiel die Bedeutung der historischen, konkreten, empirischen Analyse bei Marx und Engels, der Zusammenhang von logischer Erklärung der entwickelten Begriffe und die Untersuchung der historischen Entwicklung. Deshalb werden manche Aspekte der Diskussion an anderer Stelle (beispielsweise zur Entwicklung des Monopols) aufgeführt. Hier sollen vorerst die Fragen zum Verhältnis Staat und Monopole benannt werden. Das Verständnis um die konkreten Interessen der Monopole und ihre Durchsetzung sind entscheidend für eine Strategiebildung der kommunistischen Bewegung.
Die Frage des Charakters des Staates steht im Mittelpunkt: Ist er Staat der Monopole? Ist er Staat des gesamten Kapitals oder nur Garant der Eigentumsverhältnisse? Vorausgesetzt, die Existenz von Monopolen im Sinne von Marx und Lenin wird anerkannt. Haben sich Charakter und Eigenschaften des Staates geändert? Darauf werden unterschiedliche Antworten gegeben.
Staatsmonopolistischer Kapitalismus[Bearbeiten]
Die Beziehung zwischen Staat und Monopolen wird bereits bei Marx und Engels angedeutet und benannt. Bei Lenin wird auch der Begriff des staatsmonopolistischen Kapitalismus verwendet, um die Verschmelzung des Finanzkapitals mit dem Staat zu beschreiben. Nach dem zweiten Weltkrieg kam es zu einer Ausweitung der Diskussion, auch weil sich bestimmte Phänomene der Staatseinwirkung und des Staatsapparates vertieft hatten. Eine besondere Rolle spielt der Begriff des Staatskapitalismus, wenn der Staat als Kapitalist und Unternehmer Produktionsmittel und Arbeitskräfte mobilisiert und in der kapitalistischen Warenproduktion und der Wirtschaft im Allgemeinen tätig wird. Nicht zu verwechseln mit der Anwendung des Begriffs auf beispielsweise die Periode der „Neuen ökonomischen Politik“.
Die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus geht davon aus, dass der erste Weltkrieg entfaltete Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus durch die Militarisierung der Wirtschaft, die staatlich dirigierte Zwangsarbeit und einen staatlichen Kriegskapitalismus hervorbrachte. Die Wirtschaft wird staatlich zentralisiert reguliert (Rohstoffkontingentierung, Arbeitskräftezuweisung, Lebensmittelrationierung,…). Kriegsaufträge werden zu einer entscheidenden Quelle der Kapitalreproduktion. Dabei bildet sich eine strukturelle und institutionalisierte Beziehung zwischen den Monopolen und dem Staat heraus, nicht nur eine bestimmte Wirtschaftspolitik. Dadurch werde der Staat vom ideellen Gesamtkapitalisten zum Staat der Monopole und des Finanzkapitals. Damit würde die Veränderung an der Basis im Überbau nachvollzogen. Dabei sei das ganze Gefüge des Überbaus (Parteien, Klassenbeziehungen als Ganzes) und nicht nur der Staat einbezogen. Diese Entwicklung gewinnt nach dem zweiten Weltkrieg weiter an Dynamik, die Staatsapparate wachsen, ihr ökonomisches Gewicht und ihre regulierende Funktion, ebenso wie die Institutionalisierung der Monopolmacht im Staatsapparat. Die Analyse des staatsmonopolistischen Kapitalismus in der BRD wurde in den Studien der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED und beim Institut für internationale Politik und Wirtschaft, sowie denen des IMSF vorgenommen.
Zusammenfassend besagt die Analyse: Die Macht der Monopole verschmilzt mit der Macht des Staates. Die entstandene Finanzoligarchie ist über viele Fäden mit dem Staatsapparat verbunden. Die Weiterentwicklung der Produktivkräfte und die imperialistische Konkurrenz erzwingen einen noch höheren gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses. Riesige Investitionen in Bildung, Forschung, Militär und Infrastruktur zur Aufrechterhaltung und Ausbau der Monopolprofite sind erforderlich. Dies geschieht mit Hilfe des Staates zugunsten des Monopolkapitals, also der Monopolbourgeoisie. Durch die Verschmelzung von Monopolmacht und Staatsmacht nimmt die Aggressivität der Staatspolitik zu. Gleichzeitig bedeutet diese Verschmelzung von Staat und Monopol die vollständige materielle Voraussetzung für den Übergang zum Sozialismus.
Die Rolle des Staates in der Revolution[Bearbeiten]
Innerhalb der Diskussion um den staatsmonopolistischen Kapitalismus gibt es eine gesonderte Frage zur Strategie der Arbeiterklasse und der Möglichkeit der Übernahme des Staats durch eine „fortgeschrittene Demokratie“. Auf der einen Seite steht die Ansicht, der Staat muss zerschlagen werden. Die Macht der Monopole kann nur überwunden werden, in dem der Staat durch einen sozialistischen ersetzt wird. Die komplette Durchdringung des Staatsapparates durch die Monopole macht eine Zerschlagung des Apparates notwendig (was auch bereits im Kapitalismus der freien Konkurrenz der Fall ist). Staatliches Handeln und auch Verstaatlichungen während des Monopolkapitalismus geschehen im Interesse der Monopole und sind kein Schritt zur Demokratisierung.
Auf der anderen Seite steht die Ansicht, der Staat könne übernommen werden. Es gibt eine Möglichkeit, durch Aktionen der Arbeiterklasse und im Bündnis mit der nicht-monopolistischen Kapitalisten zunächst die Monopole (wieder) aus dem Staat zu verdrängen. Erst danach kann der Sozialismus errungen werden. Dieser Zwischenschritt wird auch Antimonopolistische Demokratie genannt. Verstaatlichungen könnten bereits heute Schritte hin zu einer demokratischen Kontrolle der Wirtschaft sein.
In dieser Argumentation spielt die Frage nach der Planbarkeit der Wirtschaft durch den Staat eine Rolle. Das biete die Möglichkeit für die Arbeiterklasse, den Staat zum Teil zu übernehmen und durch eine Phase der „fortgeschrittenen“ Demokratie zum Sozialismus zu kommen. Insbesondere die Arbeiten der Kommunistischen Partei Frankreichs argumentierten, dass durch Nationalisierungen und Arbeiterkontrolle das kapitalistische System zwar nicht abgeschafft, aber geschwächt werde. Durch eine demokratische Regierung könnte dieser Prozess bis zum Übergang zum Sozialismus vorangetrieben werden.
Vertreter: IMSF, Teile der DKP, weitere
Staatsableitung und Eigenständigkeit des Staates[Bearbeiten]
Hier gibt es zahlreiche verschiedene Ausprägungen. Stichworte sind: Es gibt keine neue Qualität im Vergleich zum Kapitalismus der freien Konkurrenz. Der Staat hat weiterhin als ideeller Gesamtkapitalist die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu verbessern und die Widersprüche zwischen allen Klassen zu vermitteln. Der Staat hat eine relative Unabhängigkeit und setzt mit Gesetzen und Verordnungen lediglich allgemeine Rahmenbedingungen. Er ist zwar nicht klassenneutral, aber auch nicht Instrument einer Klasse. Varianten dieser Strömung sehen im Staat auch einen eigenständigen ökonomischen Akteur. Dieser ist bemüht, seine finanzielle Ausstattung zu optimieren, indem Steuererträge und Gewinne der Notenbanken optimiert werden. (Spektrum rund um links-net, Gegenstandpunkt, Teile der Linkspartei)
Antimonopolistische Demokratie[Bearbeiten]
Hier muss ausgearbeitet werden, wie die AMD auf die Frage der Monopole eingeht - also die ökonomischeren Aspekte der Strategie.
Bezug zu unseren Grundannahmen[Bearbeiten]
Für diesen Dissens sind zahlreiche Grundannahmen wichtig. Im Bezug auf die Grundlagen der Wissenschaft ist der Zusammenhang von Logik und historischer Untersuchung wichtig. Dazu sind unter anderem die Annahmen aus Engels’ Anti-Dühring relevant. Für die Frage der Monopole und ihres Verhältnisses zum Staat aus Lenins Imperialismusschrift besonders die Kapitel II und III und zur Staatsfrage, die Annahmen in der AG Staat, Faschismus und Sozialdemokratie und hier besonders Lenin Staat und Revolution und Über den Staat, Engels’ Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates.
Wie wollen wir den Dissens klären?[Bearbeiten]
Kern der wissenschaftlichen Überwindung der beschriebenen Differenzen ist zunächst die Bestimmung der Monopole heute, ihrer ökonomischen und politischen Rolle. Der Staatsapparat und staatsnahe Institutionen sind konkret auf ihre Verbindung mit den Monopolen zu untersuchen. Ebenso, wie die Untersuchung der Gesetzgebung, der staatlichen ökonomischen Aktivitäten und Umverteilung des Nationaleinkommens zu Gunsten der Monopole. Dies beinhaltet konkrete Forschungs- und Rechercheaufträge zur Entwicklung des Verhältnisses Staat/Monopole, wobei auf frühere Untersuchungen, wie die des IMSF und der anderen Institute zur Anregung und kritischen Lektüre zurückgegriffen werden kann.
Theoretisch ist zu klären, in welchen Widersprüchen die Entwicklung des Monopolkapitalismus verläuft, und wie eine Zuspitzung der Widersprüche von der Arbeiterklasse genutzt werden kann.
Diese und zukünftige Aufgaben und offene Fragen werden wir hier sammeln.
Was steht zu diesem Dissens in den Programmatischen Thesen?[Bearbeiten]
„Die bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft ist von tiefen und unversöhnlichen Widersprüchen durchzogen. Der grundlegendste dieser Widersprüche ist der zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie. Aber auch intern ist die Kapitalistenklasse von Rivalitäten und teils gegensätzlichen Interessen geprägt.
Weil die bürgerliche Gesellschaft auf Klassengegensätzen beruht, bedarf sie notwendigerweise des Staates, der diese Gegensätze unter Kontrolle hält und ihre Austragung in geregelte Bahnen lenkt. Der bürgerliche Staat ist Ausdruck der Unversöhnlichkeit der Klasseninteressen miteinander. Innerhalb dieses unversöhnlichen Gegensatzes setzt er die Interessen der Kapitalistenklasse als Ganzer durch, indem er ihr möglichst gute Bedingungen für die Anhäufung ihres Kapitals bietet. Deshalb ist der bürgerliche Staat nichts anderes als die politische Herrschaft der Bourgeoisie, ideeller Gesamtkapitalist. Er vertritt grundsätzlich die Interessen der ganzen Bourgeoisie, insbesondere aber die Interessen der mächtigsten Teile darin. Er ist eine „Maschine zur Niederhaltung der unterdrückten, ausgebeuteten Klasse“ (Engels, MEW 21, S. 170f.). Er wendet letztlich alle Formen von Gewalt an, verbreitet aber auch die bürgerliche Ideologie und betreibt die Einbindung von Teilen der Arbeiterklasse durch Zugeständnisse, um die ausgebeutete Klasse niederzuhalten. Dieser Klassencharakter des Staates macht es für die Arbeiterklasse (oder auch jede andere Klasse) unmöglich, ihn zu übernehmen und in ihrem Interesse zu verwenden. Die proletarische Revolution bedeutet aber auch nicht die sofortige Abschaffung des Staates. Sie ist die Zerschlagung des bürgerlichen Staates und die Errichtung eines neuen Staates der Arbeiterklasse, der Diktatur des Proletariats.
Diese grundlegenden Erkenntnisse der marxistisch-leninistischen Staatstheorie sind für uns vorausgesetzt, sie lassen aber viele weiterführende Fragen offen, auf die wir Antworten finden wollen. Wir wollen uns mit der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus auseinandersetzen und kritisch herausarbeiten, welche Inhalte und welche Interpretationen dieser Theorie der Realität entsprechen. Dabei werden u.a. folgende Fragen eine Rolle spielen: Auf welche Weise zeigt sich konkret die besondere Rolle des Monopolkapitals im Verhältnis zum Staat? Welche Interpretationen der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus haben die Entstehung der falschen Strategie der „antimonopolistischen Übergänge“ in der kommunistischen Bewegung begünstigt?“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 7-8)
„Der antiimperialistische Kampf muss sich deshalb gegen das Kapital und das kapitalistische System als Grundlage des Imperialismus richten. Als Kommunisten in Deutschland sehen wir den deutschen Imperialismus, d.h. die deutsche Monopolbourgeoisie und ihren Staat als unseren Hauptgegner an.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 10)
„Der Kapitalismus entwickelte sich in engem Zusammenhang mit den entstehenden Nationalstaaten. Die Entstehung zusammenhängender nationaler Binnenmärkte, vereinheitlichter Währungen und anderer notwendiger Voraussetzungen ermöglichten erst die Kapitalakkumulation in erweitertem Maßstab. Im Imperialismus ist die Aufteilung der Welt unter die imperialistischen Zentren abgeschlossen, aber die kapitalistische Entwicklung bringt ständige Kämpfe der Kapitale und ihrer Nationalstaaten um die Neuaufteilung hervor.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 9)
„Im weiteren Klärungsprozess wollen wir zahlreiche Fragen zur politischen Ökonomie des Imperialismus vertiefen. Darunter die Zusammensetzung und Interessen des deutschen Kapitals; die Entwicklung des Kapitalismus in verschiedenen Ländern wie z.B. Russland und China sowie die Formen ihrer Einbindung in das imperialistische Weltsystem; die Eigentümerstrukturen der bestimmenden Monopole und ihr Verhältnis zum Nationalstaat; die Lage und Strategien des deutschen Imperialismus; die empirische Überprüfung der These des sogenannten „transnationalen Kapitals“ und ihre Bedeutung für die Strategie der „antimonopolistischen Übergänge“; die Frage der gegenseitigen Abhängigkeiten innerhalb der imperialistischen Kette; die Rolle und Bedeutung der nicht-monopolistischen Bourgeoisie; die Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital; die verschiedenen imperialistischen Pole, ihre Entwicklung und Verhältnisse zueinander.““
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 10)
Literatur zum Thema[Bearbeiten]
Autorenkollektiv: Imperialismus heute, Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, Dietz, 1966.
Autorenkollektiv: Monopole, Profite, Aggression, Notstand, Dietz, 1965. Autorenkollektiv: Der staatsmonopolistische Kapitalismus (aus dem französischen übersetzt), Dietz, 1972.
Autorenkollektiv: Der Imperialismus der BRD, Dietz, 1971.
Binus/Landefeld/Wehr: Staatsmonopolistischer Kapitaliusmus, Papyrossa, 2014.
Jung H, Schleifstein J (1979): Die Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus und ihre Kritiker in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a.M.: Verlag Marxistische Blätter.
Lemmnitz, Alfred: Staatsmonopolistische Regulierung und Klassenkampf in Westdeutschland, Dietz, 1965.