Rolle des dt. Imperialismus bei der Aufteilung der Welt unter den Großmächten

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Annahmen[Bearbeiten]

Schlagworte

deutscher historischer Imperialismus, 19. Jhd., zwischenimperialistische Konkurenz, imperialistische Bündnisse, verschärfte Aufteilung

Deutschlands Rolle während der Auteilung der Welt unter den Großmächten[Bearbeiten]

Annahme 1

Zum Anfang des 1. Weltkriegs verfügte das Deutsche Reich zwar über große Kolonien, lag allerdings als beim Kolonialbesitz hinter England, Russland, Frankreich und den USA. Deutschland ist somit ‘Nachzügler’, jedoch trotzdem maßgeblich beim Prozess der Aufteilung der Welt unter den Großmächten beteiligt.

Kolonialbesitz der Großmächte (Mill. Quadratkilometer und Mill. Einwohner)[1]

Kolonien Metropolen Isgesamt
1876 1914 1914 1914
qkm Einw. qkm Einw. qkm Einw. qkm Einw.
England 22,5 251,9 33,5 395,5 0,3 46,5 33,8 440,0
Rußland 17,0 15,9 17,4 33,2 5,4 136,2 22,8 169,4
Frankreich 0,9 6,0 10,6 55,5 0,5 39,6 11,1 95,1
Deutschland - - 2,9 12,3 0,5 64,9 3,4 77,2
Vereinigte Staaten - - 0,3 9,7 9,4 97,0 9,7 106,7
Japan - - 0,3 19,2 0,4 53,0 0,7 72,2

(Tabelle entnommen aus: Lenin, Wladimir: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Berlin/DDR; Auflage 1.1960, S. 262)

[…] Wir sehen hier anschaulich, in welchem Maße die Teilung der Welt um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts ‘beendet’ war. Die Erweiterung des Kolonialbesitzes geht höchst ungleichmäßig vor sich. […]Vergleicht man z.B. Frankreich, Deutschland und Japan, die sich ihrer Bodenfläche und Einwohnerzahl nach nicht allzusehr voneinander unterscheiden, so stellt sich heraus, daß Frankreich (der Fläche nach) beinahe dreimal soviel Kolonien erworben hat wie Deutschland und Japan zusammengenommen. Das französische Finanzkapital war aber zu Beginn dieser Periode vielleicht ebenfalls um ein mehrfaches größer als das Deutschlands und Japans zusammengenommen. Auf die Größe des Kolonialbesitzes haben außer den rein ökonomischen Bedingungen und auf ihrer Basis auch die geographischen und sonstigen Verhältnisse Einfluß. Welch starke Nivellierung der Welt, welch großer Ausgleich der Wirtschafts- und Lebensbedingungen in den verschiedenen Ländern unter dem Druck der Großindustrie, des Austausches und des Finanzkapitals in den letzten Jahrzehnten auch vor sich gegangen sein mag, ein beträchtlicher Unterschied bleibt dennoch bestehen, und unter den genannten sechs Ländern finden wir einerseits junge kapitalistische Länder, die ungewöhnlich rasch vorangeschritten sind (Amerika, Deutschland, Japan)
Lenin, W.I.: Die Aufteilung der Welt unter die Großmächte; in: Lenin Werke Band 22, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Auflage 1., Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Berlin/DDR, S. 263


Annahme 2

Es herrschte eine Verschärfte Aufteilung seit ca 1860-70, da der Kapitalismus der freien Konkurrenz langsam in den Imperialismus überging. Deutschland versuchte ebenfalls in diesem Zeitraum zu kolonisieren.

„ Die kolonialen Eroberungen Frankreichs und Deutschlands fallen hauptsächlich gerade in diese zwei Jahrzehnte [gemeint ist 1860-1880]. Wir haben bereits gesehen, daß die Periode der höchsten Entwicklung des vormonopolistischen Kapitalismus, des Kapitalismus mit vorwiegend freier Konkurrenz, in die sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fällt. Jetzt sehen wir, daß gerade nach dieser Periode ein ungeheurer ‘Aufschwung’ der kolonialen Eroberungen beginnt und der Kampf um die territoriale Aufteilung der Welt sich im höchsten Grade verschärft. Unzweifelhaft ist daher die Tatsache, daß der Übergang des Kapitalismus zum Stadium des Monopolkapitalismus, zum Finanzkapital, mit einer Verschärfung des Kampfes um die Aufteilung der Welt verknüpft ist.“
ebd. S. 259


Annahme 3

Der deutsche Imperialismus versucht mit anderen Großmächten mitzuhalten und steht in scharfer Konkurrenz zu anderen Staaten.

„ In seinem Werk über den Imperialismus hebt Hobson die Periode von 1884-1900 als Periode verstärkter ‘Expansion’ (Erweiterung des Territorialbesitzes) der wichtigsten europäischen Staaten hervor. Seiner Berechnung nach erwarb England während dieser Zeit 3,7 Millionen Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 57 Mill.; Frankreich 3,6 Mill. Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 361/2 Mill.; Deutschland 1 Mill. Quadratmeilen mit 44,7 Mill.; Belgien 900.000 Quadratmeilen mit 30 Mill. und Portugal 800.000 Quadratmeilen mit 9 Mill. Einwohnern. […] Chamberlain predigte den Imperialismus als die ‘wahre, weise und sparsame Politik’ und verwies besonders auf die Konkurrenz Deutschlands, Amerikas und Belgiens, der England jetzt auf dem Weltmarkt begegnet.“
ebd. S. 260


Annahme 4

Der deutscher Imperialismus steht im scharfen Konkurrenzkampf zu anderen imperialistischen Ländern. Diese Auseinandersetzung führen unumgänglich zu Krieg und zum Buhlen um Einflusszonen

„ Wir sehen hier drei Gebiete mit hochentwickeltem Kapitalismus (starke Entwicklung sowohl des Verkehrswesens wie des Handels und der Industrie): das mitteleuropäische, britische und amerikanische: darunter drei weltbeherrschende Staaten: Deutschland, England und die Vereinigten Staaten. Die imperialistische Konkurrenz und der Kampf unter ihnen werden dadurch außerordentlich Krieg, daß Deutschland nur über ein ganz kleines Gebiet und wenig Kolonien verfügt; die Bildung ‘Mitteleuropas’ liegt noch in der Zukunft, und seine Geburt geht in einem erbitterten Kampf vor sich.“
ebd. S. 277



„ England hat dank seinen Kolonien ‘sein’ Eisenbahnnetz um hunderttausend Kilometer, also viermal mehr als Deutschland, vergrößert. Indessen ging bekanntlich während dieser Zeit die Entwicklung der Produktivkräfte, insbesondere die Entwicklung der Kohlen- und Eisenindustrie, in Deutschland unvergleichlich schneller vor sich als in England, geschweige denn in Frankreich oder Rußland. 1892 produzierte Deutschland 4,9 Millionen Tonnen Roheisen, England dagegen 6,8; aber 1912 waren es schon 17,6 gegen 9,0, d.h. ein gewaltiger Vorsprung gegenüber England!(95) Es fragt sich, welches andere Mittel konnte es auf dem Boden des Kapitalismus geben außer dem Krieg, um das Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Akkumulation des Kapitals einerseits und der Verteilung der Kolonien und der ‘Einflußsphären’ des Finanzkapitals anderseits zu beseitigen?“
ebd. S. 280



„ Ein anderer Autor teilt die Geschichte der ‘Weltpolitik’ Großbritanniens seit 1870 in 4 Perioden ein, und zwar: 1. die erste asiatische (Kampf gegen Rußlands Vordringen in Zentralasien in Richtung nach Indien); 2. die afrikanische (etwa 1885-1902) - Kampf gegen Frankreich wegen der Aufteilung Afrikas (‘Faschoda’ 1898 - um Haaresbreite Krieg mit Frankreich); 3. die zweite asiatische (Vertrag mit Japan gegen Rußland) und 4. die ‘europäische’ hauptsächlich gegen Deutschland gerichtet. ‘Die politischen Vorpostengefechte werden auf finanziellem Boden geschlagen’, schrieb schon 1905 der ‘Bankmann’ Riesser und wies darauf hin, wie das französische Finanzkapital durch seine Transaktionen in Italien das politische Bündnis dieser beiden Länder vorbereitete und wie sich der Kampf zwischen England und Deutschland um Persien sowie der Kampf aller europäischen Kapitale um die chinesischen Anleihen usw. entfaltete. Das ist die lebendige Wirklichkeit der ‘ultraimperialistischen’ friedlichen Bündnisse in ihrem untrennbaren Zusammenhang mit den gewöhnlichen imperialistischen Konflikten.“
ebd. S. 301-302


Annahme 5

Aufteilung der Welt beschränkt sich nicht nur auf ‘agrarische’ Gebiete, sondern auch unmittelbar in industriell hoch entwickelte Gebiete. Deutschland bestrebt daher auch in jenen Gebieten seinen Einfluss zu vergrößern

„ Für den Imperialismus ist gerade das Bestreben charakteristisch, nicht nur agrarische Gebiete, sondern sogar höchst entwickelte Industriegebiete zu annektieren (Deutschlands Gelüste auf Belgien, Frankreichs auf Lothringen), denn erstens zwingt die abgeschlossene Aufteilung der Erde, bei einer Neuaufteilung die Hand nach jedem beliebigen Land auszustrecken, und zweitens ist für den Imperialismus wesentlich der Wettkampf einiger Großmächte in ihrem Streben nach Hegemonie, d.h. nach der Eroberung von Ländern, nicht so sehr direkt für sich als vielmehr zur Schwächung des Gegners und Untergrabung seiner Hegemonie. (für Deutschland ist Belgien von besonderer Wichtigkeit als Stützpunkt gegen England; für England Bagdad als Stützpunkt gegen Deutschland usw.).“
ebd. S. 273


Annahme 6

Deutschland unterstützt auch ‘politische Gegner’, um einen Größeren Machteinfluss zu erwerben

„ Im ‘Weltwirtschaftlichen Archiv’ befleißigen sich die deutschen Imperialisten die nationalen Befreiungsbewegungen in den Kolonien, besonders natürlich in den nichtdeutschen, zu verfolgen. Sie registrieren eine Gärung und Proteste in Indien, eine Bewegung in Natal (Südafrika), in Niederländisch Indien usw.“
ebd. S. 291-292


Annahme 7

Deutschland kann seine imperialistische Stellung gegenüber anderen Großmächten über starken Export realisieren, auch wenn Deutschland nicht unmittelbare Kontrolle über das Land verfügt und es z.B. militärisch unter Kontrolle einer anderen imperialistischen Großmacht steht

„ Wenn Deutschlands Handel mit den englischen Kolonien sich schneller entwickelt als der Englands, so beweist das lediglich, daß der deutsche Imperialismus frischer, kräftiger, organisierter ist und höher steht als der englische, es beweist aber keineswegs die ‘Überlegenheit’ des freien Handels, denn hier “
296


Die (unterschiedlichen) Interessen des deutsches Kapitals werden auch in zwischenstaatlichen Bündnissen durchgesetzt[Bearbeiten]

Annahme 8

Ein Bündnis der europäischen Staaten muss aufgrund ihrer imperialistischen Stellung heraus ein reaktionäres Bündnis unter den europäischen Monopolkapitalisten sein, die je nach Anteil an Kapital auslohten, wie viel er von der Welt bekommt. Die Funktion ist also höchstens ein imperialistisches Bündnis gegen andere imperialistische Blöcke (damals USA und Japan), um einen Vorteilhaftere Stellung einnehmen zu können. Dies beendet den Konkurrenzkampf aber selbst nicht innerhalb dieses Bündnisses - Was ist Charakter der EU und welche Rolle nimmt Deutschland darin ein?

„ Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d.h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die ‘fortgeschrittenen’ und ‘zivilisierten’ Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär. Das Kapital ist international und monopolistisch geworden. Die Welt ist aufgeteilt unter ein Häuflein von großmächten, d.h. von Staaten, die in der großangelegten Ausplünderung und Unterdrückung der Nationen die grössten Erfolge zu verzeichnen haben. Die vier großmächte Europas: England, Frankreich, Rußland und Deutschland, mit einer Bevölkerung von 250-300 Millionen und einem Territorium von etwa 7 Millionen Quadratkilometern, verfügen über Kolonien mit einer Bevölkerung von fast einer halben Milliarde (494,5 Millionen) und einem Territorium von 64,6 Millionen Quadratkilometern, d.h. fast über den halben Erdball (133 Millionen Quadratkilometer ohne Polargebiet).

[…] Ferner haben England, Frankreich und Deutschland im Ausland mindestens 70 Milliarden Rubel Kapital untergebracht. Um die ‘legitimen’ Einkünfte aus dieser hübschen runden Summe - Einkünfte von über drei Milliarden Rubel jährlich - einzutreiben, sind die nationalen Millionärsausschüsse da, Regierungen genannt, die über Heere und Kriegsflotten verfügen und in den Kolonien und Halbkolonien die ganze Sippschaft des ‘Herrschers Kapital’ in der Eigenschaft von Vizekönigen, Konsuln, Botschaftern, Beamten aller Art, Pfaffen und sonstigen Blutegeln ‘unterbringen’. [… S. 344:] Vereinigte Staaten von Europa sind unter kapitalistischen Verhältnissen gleichbedeutend mit Übereinkommen üb er die Teilung der Kolonien. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist jedoch jede andere Basis, jedes andere Prinzip der Teilung als das der Macht unmöglich. Der Milliardär kann das ‘Nationaleinkommen’ eines kapitalistischen Landes mit jemand anderem nur in einer bestimmten Proportion teilen: ‘entsprechend dem Kapital’ (überdies noch mit einem Zuschlag, damit das grösste Kapital mehr bekommt als ihm zusteht). […] Es kann nicht anders geteilt werden als ‘entsprechend der Macht’. Die Machtverhältnisse ändern sich aber mit dem Gang der ökonomischen Entwicklung. Nach 1871 erstarkte Deutschland etwa drei- bis viermal so rasch wie England […]. Um die tatsächliche Macht eines kapitalistischen Staates zu prüfen, gibt es kein anderes Mittel und kann es kein anderes Mittel geben als den Krieg. Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar. [… S. 345:] Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäischen Kapitalisten … worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam den Sozialismus in Europa unterdrücken, gemeinsam die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte, die durch die jetzige Aufteilung der Kolonien im höchsten Grade benachteiligt und die im letzten halben Jahrhundert unvergleichlich rascher erstarkt sind als das rückständige, monarchistische, von Altersfäule befallene Europa. […] Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet Europa im ganzen genommen ökonomischen Stillstand. Auf der heutigen ökonomischen Basis, d.h. unter kapitalistischen Verhältnissen, würden die Vereinigten Staaten von Europa die Organisation der Reaktion zur Hemmung der rascheren Entwicklung Amerikas bedeuten.“
Lenin, W.I.: über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, in: Lenin Werke Band 21, Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin, 1961-64, Seite 343-45


Mitmachen[Bearbeiten]

In den nächsten Monaten wollen wir uns an die systematische Beantwortung der Fragen machen - dabei kannst du mitmachen:

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    • Du hast andere Erkenntnisse, Positionen zu bestimmten Fragen?
    • Du hast selbst offene Fragen zum Thema?
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  • Dauerhaft mitarbeiten in der AG

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Literatur zum Thema[Bearbeiten]

Lenin, W.I.: Die Aufteilung der Welt unter die Großmächte; in: Lenin Werke Band 22, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Auflage 1., Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Berlin/DDR

Lenin, W.I.: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, in: Lenin Werke Band 21, Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin, 1961-64

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Lenin; 1960; Band 22, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus; Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Berlin/DDR; S. 262