Krisenanalyse

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Überblick[Bearbeiten]

Die Krisenanalyse ist in der kommunistischen Bewegung umstritten und darüber hinaus vor allem von sozialdemokratischen und reformistischen Positionen sowie von anderen bürgerlichen Vorstellungen geprägt. Die grundlegenden Fragen bestehen darin, ob Krisen unvermeidbar sind, ob sie gesetzmäßig aus der kapitalistischen Produktionsweise entspringen oder ob sie durch falsche Wirtschaftspolitik und andere Faktoren verursacht werden. Damit verbunden existiert die Vorstellung, dass auch innerhalb des Kapitalismus durch gezielte Wirtschaftspolitik die Krise verhindert oder wenigstens abschwächt werden kann.
Innerhalb der bürgerlichen politischen Ökonomien sind je nach Entwicklungsstand des Kapitalismus verschiedene „Theorien“ entstanden, die zur Rechtfertigung oder „Verbesserung“ des Systems dienten. Es kommt dabei zu Auseinandersetzungen und Kritik zwischen den verschiedenen „Schulen“. Sie zu kennen ist notwendig, um die richtige Kritik daran entwickeln zu können. Die Arbeiterklasse muss diese verschiedenen Ansätze und ihren Hintergrund kennen, um zu verstehen, auf welche Art und Weise das kapitalistische System damit gerechtfertigt und verewigt werden soll. Dies gilt insbesondere für die durch die Sozialdemokratie in die Arbeiterbewegung getragenen Vorstellungen. 

Finanzkrise, Globalisierung[Bearbeiten]

Besonders seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 ist die Annahme weit verbreitet, es handele sich um eine Finanzkrise, die durch Spekulation, unkontrollierte Bankgeschäfte und zu wenig Investitionen in der Industrieproduktion ausgelöst würde. Die Beschneidung des Finanzsektors und der Banken sei notwendig, um die Krise zu verhindern bzw. abzuschwächen. Angenommen wird eine Entkoppelung des Finanzsektors von der „Realökonomie“, der industriellen Produktion. Die Ansprüche der Titeleigentümer könnten in der Krise nicht mehr bedient werden und zögen die Produktion mit hinab. Angenommen wird eine Dominanz des Finanzsektors über die Realökonomie. Es finde eine Überakkumulation von Kapital im Finanzsektor statt, die durch eine neoliberale Wirtschaftspolitik gefördert würde. Notwendig sei eine Beschneidung und Verstaatlichung des Finanzsektors, der den Bedürfnissen der Gesellschaft dienen müsse.

Verbunden ist diese Krisenanalyse mit der Annahme, dass die „Globalisierung“ diese Entwicklung beschleunigt habe, transnationale Unternehmen ihre neoliberale Agenda überall durchsetzen konnten und es so zu Überkapazitäten gekommen sei. Gefordert wird meist eine vernünftige, regulierende Wirtschaftspolitik und alternative Ökonomien, die eine „andere Welt“ ermöglichen sollen. Angestrebt wird die Entwicklung einer alternativen Globalisierung, der Nationalstaat als Regulierungsinstanz wird abgelehnt bzw. in Frage gestellt.

Vertreter dieser Ansichten sind die Zeitung Sozialismus, ISW, Attac, Partei die Linke.

„Regulierter Kapitalismus“[Bearbeiten]

Zahlreiche „Theorien“ und Vorstellungen gehen von einer Möglichkeit der Regulierung des kapitalistischen Systems aus und damit von der Abschwächung oder sogar Vermeidung von Krisen und der Option, Massenarbeitslosigkeit und andere Folgen der krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus zu verhindern. Die Theorien der „Regulierung“ spiegeln selbst die Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus und zur gesteigerten Bedeutung des Staates wider, da sie auf Eingriffe des Staats und auf „planerische Elemente“ des Kapitalismus verweisen. Außerdem sind sie eine Reaktion auf die Existenz des Sozialismus und der dort tatsächlich planmäßigen Produktion.

Keynesianische Unterkonsumtionstheorie[Bearbeiten]

Die wichtigste und entwickeltste Version der Regulierungstheorie ist der Keynesianismus, der in den 30er Jahren entwickelt wurde und seitdem je nach Entwicklung des Kapitalismus verschiedene Formen angenommen hat. Er ist auch eine Reaktion auf die praktische Veränderung der Wirtschaftspolitik, vor allem in den USA mit dem „New Deal“. 
Grundannahme ist, dass durch Geld- und Kreditpolitik des Staates dem Krisenzyklus entgegen gewirkt werden könnte. In der Situation einer Krise sollen durch Schuldenaufnahme Staatsaufträge und Konsumprogramme finanziert werden, um so die Nachfragelücke zu schließen. In der Phase der Hochkonjunktur sollten dann Schulden abgebaut werden. International sollten Ungleichgewichte durch die Reduzierung von Handelsüberschüssen abgebaut werden. Unter dieser Vorstellung wurde eine komplexe Wirtschaftspolitik entwickelt, die das Ziel hatte, ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Faktoren der Volkswirtschaft herzustellen (Inflation, Beschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht).

In der BRD fand diese Wirtschaftspolitik mit der „konzertierten Aktion“ und dem „magischen Dreieck/Viereck“ ihren Ausdruck. Häufig werden die keynesianischen und neoliberalen Ansätze als Gegensatz aufgefasst. Es gibt auch zahlreiche Unterschiede zwischen ihnen, aber sie schließen sich nicht aus. Die Anwendung von Mitteln beider „Regulierungs“-Schulen hat die Steigerung der Profite zum Ziel und richtet sich nur nach dem, was für das Monopolkapital notwendig ist.

Wirtschaftsdemokratie[Bearbeiten]

In eine ähnliche Richtung mit anderer Gewichtung geht die Vorstellung, dass die Entstehung von Monopolen die Planbarkeit des Kapitalismus erhöhe und der Staat dadurch in die Lage versetzt werde, besser planen zu können und Krisen zu vermeiden. Die Vorstellung des „geplanten Kapitalismus“ setzte sich unter anderem in Form der „Wirtschaftsdemokratie“ durch den Reformismus in der Gewerkschaftsbewegung durch. Dort ist bis heute die Vorstellung verbreitet, dass durch Löhne und Ankurbelung der Nachfrage die Konjunktur dauerhaft erhalten bleiben könne.

Neoliberale Wirtschaftspolitik/Monetäre Theorie[Bearbeiten]

Die Vorstellung, dass durch Fehler in der Zirkulation oder der Geldpolitik die Krise verursacht würde, gab es bereits zu Marx’ Zeiten unter dem Stichwort der „monetären Theorie“. Die scheinbar dem Keynesianismus entgegen gesetzte „neoliberale“ Wirtschaftsschule sieht die Ursachen der Wirtschaftskrise ebenfalls in der verfehlten Geld- und Kreditpolitik der Regierung und schlägt verschiedene Modelle der Zuwächse der Geldmenge, der Zinssätze etc. vor. Auch wird eine „Überinvestition“, eine Gleichgewichtsstörung der Produktion“ angenommen. Wenn also auch beide in eine andere Richtung weisen, gehen sie davon aus, durch Wirtschafts- und Geldpolitik die Ökonomie steuern und Krisen vermeiden zu können. Im Gegensatz zur keynesainischen Schule werden hier niedrige Löhne und niedrige Steuern als Lösung propagiert.

Produktivkraftentwicklung[Bearbeiten]

Der marxistischen Ökonomie wurden zahlreiche bürgerliche Erklärungsversuche entgegen gestellt. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte und damit unter anderem neuer Technologien kamen auch Ansichten auf, die die Entwicklung daran festmachten und sie von den Produktionsverhältnissen trennten. Neue Technologien bringen dieser Ansicht nach Schübe der Entwicklung und bestimmen sie grundsätzlich. Diese Vorstellung hat verschiedenste Ausprägungen, die hierbei grob zusammen gefasst werden als Ansätze zur Infragestellung oder Relativierung der von Marx entdeckten Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus - die Notwendigkeit der Krise, der tendentielle Fall der Profitrate und weitere. 

Im weiteren Verlauf der Arbeit der AG sollten diese verschiedenen Ansätze der Theorie der langen Wellen, der „Konjunkturforschung“, etc. herausgestellt werden. Sie sind in Bezug auf manche aktuelle Diskussionen von Relevanz, wie zum Beispiel die Debatte um Industrie 4.0.

Allgemeine Krise[Bearbeiten]

Unter diesem Begriff wurde ab den 20er Jahren definiert, dass der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium in seine allgemeine Krise eingetreten ist, weil der Widerspruch zwischen gesellschaftlichem Charakter der Produktion und dem privaten Eigentum an Produktionsmitteln sich immer weiter zuspitzt. Die allgemeine Krise des Kapitalismus ist eine allseitige Krise des gesamten kapitalistischen Weltsystems, gekennzeichnet durch Kriege und Revolutionen, durch den Kampf zwischen dem sterbenden Kapitalismus und dem aufsteigenden Sozialismus. Die allgemeine Krise des Kapitalismus erfasst alle Seiten des Kapitalismus, sowohl die Wirtschaft als auch die Politik. Ein weiteres Element der allgemeinen Krise des Kapitalismus waren die sozialistischen Revolution in Russland und danach in vielen anderen Ländern, sowie der Wegfall des Kolonialsystems. Die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der kapitalistischen Länder in der Epoche des Imperialismus erzeugt im Laufe der Zeit eine Nichtübereinstimmung der bestehenden Aufteilung der Absatzmärkte, Einflusssphären und Kolonien mit dem veränderten Kräfteverhältnis zwischen den wichtigsten kapitalistischen Staaten. Auf Grund dessen kommt es zu heftigen Störungen des Gleichgewichts innerhalb des kapitalistischen Weltsystems, die zur Spaltung der kapitalistischen Welt in feindliche Gruppierungen und zum Krieg zwischen ihnen führt. 

Seit der Niederlage von 1989 wird in Frage gestellt, ob man noch von der allgemeinen Krise des Kapitalismus sprechen kann. Im Laufe der weiteren Arbeit sollen hier die verschiedenen Positionen und ihre Argumente dargestellt werden.

Bezug zu unseren Grundannahmen[Bearbeiten]

Die Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus haben kein zusammenhängendes Werk zur Krise verfasst. Aber in Das Kapital von Marx sind viele direkte Aussagen dazu zu finden. Außerdem sind weitere Bestandteile des Kapitals wichtig, darunter die Akkumulation des Kapitals, die organische Zusammensetzung des Kapitals, der tendentielle Fall der Profitrate. Vor allem im dritten Band, in dem der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion analysiert wird, wird aus der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise die Notwendigkeit der Krisen erklärt. Desweiteren gibt es zahlreiche Aussagen von Engels zur Krise. 

Lenin führt in seiner Imperialismusanalyse aus, dass durch die Monopole zwar teilweise ganze Produktionsketten geplant werden, der anarchische Charakter der Produktion aber keineswegs verschwindet, sondern im Gegenteil sogar verschärft in der Konkurrenz zwischen den Monopolen auftritt und damit auch die Krisen. Zugleich verstärken die Krisen die Tendenz zum Monopol. In seiner Auseinandersetzung mit Kautsky und anderen Opportunisten zeigt Lenin auf, warum alle Vorstellungen eines reformierbaren Imperialismus Illusionen sind.

Wie wollen wir den Dissens klären?[Bearbeiten]

Aus den Grundannahmen von Marx, Engels und Lenin müssen wir erarbeiten, warum die Möglichkeit und Notwendigkeit der Krise in der Produktionsweise und ihren Widersprüchen selbst angelegt sind.
Wir müssen erarbeiten, vor welchem ökonomischen und gesellschaftlichen Hintergrund die Theorien des „Regulierten Kapitalismus“ entstanden sind und welchen Interessen sie dienen.
Dann ist zu beantworten, an welcher Stelle genau diese Ansichten den Analysen des wissenschaftlichen Sozialismus widersprechen. 

Empirisch müssen wir erarbeiten, wie der Staat tatsächlich regulierend im Interesse des Kapitals eingreift und inwiefern diese „Regulierung“ gegen die Interessen der Arbeiterklasse gerichtet sind. Als Beispiel sei hier nur die „konzertierte Aktion“ erwähnt, die zwar kein frontaler Angriff auf die Rechte der Arbeiter war (wie die „formierte Gesellschaft“) aber nicht weniger stark den Kampf der Arbeiterklasse einengte. 

Hierbei ist auch die Erarbeitung der Verschmelzung von Staat und Monopolen wichtig, der Nachweis, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln die Monopole im und durch den Staat ihre Interessen durchsetzen. 

Eine laufende Aufgabe ist die Beobachtung und Analyse der Wirtschaftspolitik, der Maßnahmen der Regierung und anderer Teile des Staates. 

Diese und zukünftige Aufgaben und offene Fragen werden wir hier sammeln.

Was steht zu diesem Dissens in den Programmatischen Thesen?[Bearbeiten]

„Die Widersprüche, die der kapitalistischen Produktionsweise innewohnen, führen periodisch zur Krise. Die kapitalistische Krise ist im Unterschied zu Krisenphasen in früheren Produktionsweisen nicht Ausdruck von Knappheit, sondern kommt im Gegenteil dadurch zustande, dass gemessen an der zahlungsfähigen Nachfrage zu viele Waren produziert wurden und dadurch die Profitabilität der Unternehmen sinkt. Das Nebeneinander von Überfluss und Elend ist gleichzeitig Ursache und Folge der kapitalistischen Krise und bringt die Irrationalität und den historisch überholten Charakter der bürgerlichen Produktionsweise zum Ausdruck. Die Produktionsverhältnisse – das Privateigentum an den Produktionsmitteln – sind längst zur Fessel der Produktivkräfte geworden.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 6)


„Der Kapitalismus ist ein parasitäres Gesellschaftssystem, in dem Reichtum nur durch Ausbeutung existieren kann, in dem Kriege und sich wiederholende Krisen zwingende Bestandteile sind.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 3)


„Die Steigerung der Produktivität führt dazu, dass immer weniger Menschen arbeiten müssen, um die Produktion sicherzustellen. Das ist ein gesellschaftlicher Fortschritt. In der kapitalistischen Gesellschaft wird aber nicht für die Bedürfnisse der Gesellschaft produziert, sondern für die Profite Weniger. Deshalb gibt es Millionen Erwerbslose, die Lage der Arbeiter verschlechtert sich. Verelendung in vielen Lebensbereichen, materiell, kulturell, individuell, wird zum bestimmenden Faktor der Lebensverhältnisse der Menschen.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 6)


„[...] Der Imperialismus als höchste und letzte Stufe des Kapitalismus bringt regelmäßig Krisen und dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit hervor. Er erweist sich als unfähig, die Potentiale der Produktivkräfte im vollen Umfang auszunutzen. Im Gegenteil sind zyklische Vernichtung von Produktivkräften und weitere Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse nötig für die Bourgeoisie, um aus der Krise zu kommen.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 8-9)


Literatur zum Thema[Bearbeiten]

Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie: Lehrbuch Politische Ökonomie, Dietz-Verlag, Berlin 1954.

Autorenkollektiv: Bürgerliche Ökonomie im modernen Kapitalismus, Dietz-Verlag, Berlin 1967.

ISW: Kapitalismus am Ende? Zwischen Dauerkrise, Widerstand, Transformation, Report Nr. 94, September 2013.

ISW: Dringend gesucht: Alternative zum Kapitalismus, Report Nr. 89, Juni 2012.

Klein, Dieter: Allgemeine Krise und staatsmonopolistischer Kapitalismus, Dietz-Verlag, 1974.

Mendelson, L.A.: Wirtschaftskrisen und Wirtschaftszyklen nach dem zweiten Weltkrieg, Dietz-Verlag, Berlin 1959.

Oelßner, Fred: Probleme der Krisenforschung, Akademie-Verlag, Berlin 1960.

Oelßner, Fred: Die Wirtschaftskrisen, Dietz-Verlag, Berlin 1949.

Reinhold, Otto: Die Wirtschaftskrisen, Dietz-Verlag, Berlin 1974.

Roth, Rainer: Die Gier, die Krise und wir, Klartext-Verlag, Frankfurt 2011.

Roth, Rainer: Die Verhinderung des Weltuntergangs, Klartext-Verlag, Frankfurt 2009.

Roth, Rainer: Finanz- und Wirtschaftskrise: Sie kriegen den Karren nicht flott... - Anmerkungen zu Ursachen und „Lösungen“, Klartext-Verlag, Frankfurt 2009.

Zeitschrift Sozialismus, diverse Supplements, darunter: Euro Memo 2016, Wege zur Bewältigung der Krisen in Europa, 3/2016.

Zeitschrift Sozialismus, Kapitalismuskritik auf der Höhe der Zeit, 10/2016.

Einzelnachweise[Bearbeiten]