Offene Fragen der Niederlagenanalyse
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Inhaltsverzeichnis
- 1 Welche Rolle hat der Revisionismus bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?
- 2 Welche Rolle hat die Nutzung von Marktmechanismen bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?
- 3 Welche Rolle haben imperialistische Aggressionen bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?
- 4 Welche Rolle haben Bürokratie und Demokratiedefizit bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?
Welche Rolle hat der Revisionismus bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?[Bearbeiten]
Hierbei geht es um die Frage, wie groß die Rolle ideeller Faktoren bei den Ursachen der Konterrevolution war. Aus historisch-materialistischer Sicht stellt sich die Frage, wie groß die Bedeutung einer korrekten marxistisch-leninistischen Auffassung in der KP für den sozialistischen Aufbau ist und was die Folge davon ist, wenn revisionistische Einflüsse in der KP vorherrschen. Historisch gesehen geht es um die Frage, inwiefern der Revisionismus die „Abwehrkräfte“ der sozialistischen Gesellschaft gegen die Kräfte der Konterrevolution so weit geschwächt hat, dass diese siegen konnte.
Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]
In den Programmatischen Thesen werden bereits Aussagen zur Entwicklung des Revisionismus in der KPdSU und der deutschen kommunistischen Bewegung, sowie zu den Folgen dieser Entwicklung getroffen:
„Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 konnten die Vertreter dieser Strömung unter der Führung von Nikita Chruschtschow einen politischen Sieg erringen. In der bedeutendsten Partei der kommunistischen Weltbewegung setzten sich damit revisionistische Einschätzungen zu verschiedenen Grundsatzfragen durch, die von den meisten anderen kommunistischen Parteien übernommen wurden und in der Sowjetunion in der Folgezeit auch zu ökonomischen Veränderungen führten, die auf lange Sicht den Sozialismus aushöhlten. Die sozialistische Gesellschaftsordnung blieb zwar weiter erhalten, jedoch wurde der sozialistische Aufbau durch falsche wirtschaftspolitische Konzepte und eine Aufweichung der Planwirtschaft gehemmt und einer langsamen Stärkung der revisionistischen Strömung der Boden bereitet. In der zweiten Hälfte der 1980er nahm diese Strömung dann um den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow offen konterrevolutionären Charakter an und konnte den Sozialismus in der Sowjetunion schließlich zerschlagen.
In der kommunistischen Bewegung in der BRD, namentlich in der KPD und später der DKP, bildete sich in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit unter dem revisionistischen Einfluss eine strategische Orientierung heraus, die auf den fried¬lichen Übergang zum Sozialismus auf dem Boden der bestehenden staatlichen Institutionen und auf politische Bündnisse mit bürgerlichen Kräften und Teilen der Bourgeoisie setzte. Diese Vorstellungen lehnen wir ab.“
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Die Beantwortung dieser Frage kann nur das Ergebnis einer umfassenden Analyse der Ursachen der Konterrevolution in ihrem Zusammenwirken sein.
Welche Rolle hat die Nutzung von Marktmechanismen bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?[Bearbeiten]
In fast allen sozialistischen Ländern wurden zu einem bestimmten Zeitpunkt Schritte in Richtung der Nutzung von Marktmechanismen unternommen, die als Maßnahmen für größere ökonomische Effizienz gerechtfertigt wurden. Es stellt sich die Frage, wie stark diese Maßnahmen den Sozialismus geschwächt haben, einerseits durch die Unterminierung des Plans und somit als Quelle neuer ökonomischer Probleme und Fehlplanungen, andrerseits aber auch als Faktor, der das Entstehen bürgerlicher Ideologie und damit den Revisionismus begünstigt hat.
Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]
In den Programmatischen Thesen werden bereits Aussagen zur Entwicklung des Revisionismus in der KPdSU und der deutschen kommunistischen Bewegung, sowie zu den Folgen dieser Entwicklung getroffen:
„Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 konnten die Vertreter dieser Strömung unter der Führung von Nikita Chruschtschow einen politischen Sieg erringen. In der bedeutendsten Partei der kommunistischen Weltbewegung setzten sich damit revisionistische Einschätzungen zu verschiedenen Grundsatzfragen durch, die von den meisten anderen kommunistischen Parteien übernommen wurden und in der Sowjetunion in der Folgezeit auch zu ökonomischen Veränderungen führten, die auf lange Sicht den Sozialismus aushöhlten. Die sozialistische Gesellschaftsordnung blieb zwar weiter erhalten, jedoch wurde der sozialistische Aufbau durch falsche wirtschaftspolitische Konzepte und eine Aufweichung der Planwirtschaft gehemmt und einer langsamen Stärkung der revisionistischen Strömung der Boden bereitet. In der zweiten Hälfte der 1980er nahm diese Strömung dann um den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow offen konterrevolutionären Charakter an und konnte den Sozialismus in der Sowjetunion schließlich zerschlagen.
In der kommunistischen Bewegung in der BRD, namentlich in der KPD und später der DKP, bildete sich in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit unter dem revisionistischen Einfluss eine strategische Orientierung heraus, die auf den fried¬lichen Übergang zum Sozialismus auf dem Boden der bestehenden staatlichen Institutionen und auf politische Bündnisse mit bürgerlichen Kräften und Teilen der Bourgeoisie setzte. Diese Vorstellungen lehnen wir ab.“
Programmatische Thesen
Bezug zu den Grundannahmen[Bearbeiten]
Die Klassiker haben in Bezug auf den Charakter der sozialistischen und kommunistischen Produktionsverhältnisse und die Frage nach der Möglichkeit einer sozialistischen Warenproduktion immer wieder deutliche Aussagen gemacht:
„Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die Produzenten. Die Anarchie innerhalb der gesellschaftlichen Produktion wird ersetzt durch planmäßige bewußte Organisation.“
Anti-Dühring, MEW, Band 20, S. 264
„14. Frage: Welcher Art wird diese neue Gesellschaftsordnung sein müssen? Antwort: Sie wird vor allen Dingen den Betrieb der Industrie und aller Produktionszweige überhaupt aus den Händen der einzelnen, einander Konkurrenz machenden Individuen nehmen und dafür alle diese Produktionszweige durch die ganze Gesellschaft, d.h. für gemeinschaftliche Rechnung, nach gemeinschaftlichem Plan und unter Beteiligung aller Mitglieder der Gesellschaft, betreiben lassen müssen. Sie wird also die Konkurrenz aufheben und die Assoziation an ihre Stelle setzen. Da nun der Betrieb der Industrie durch einzelne das Privateigentum zur notwendigen Folge hatte und die Konkurrenz weiter nichts ist als die Art und Weise des Betriebs der Industrie durch einzelne Privateigentümer, so ist das Privateigentum vom einzelnen Betrieb der Industrie und der Konkurrenz nicht zu trennen. Das Privateigentum wird also ebenfalls abgeschafft werden müssen, und an seine Stelle wird die gemeinsame Benutzung aller Produktionsinstrumente und die Verteilung aller Produkte nach gemeinsamer Übereinkunft oder die sogenannte Gütergemeinschaft treten. Die Abschaffung des Privateigentums ist sogar die kürzeste und bezeichnendste Zusammenfassung der aus der Entwicklung der Industrie notwendig hervorgehenden Umgestaltung der gesamten Gesellschaftsordnung und wird daher mit Recht von den Kommunisten als Hauptforderung hervorgehoben.“
Grundsätze des Kommunismus, MEW Band 4
„Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus; ebensowenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteile der Gesamtarbeit existieren. Das Wort ‚Arbeitsertrag‘, auch heutzutage wegen seiner Zweideutigkeit verwerflich, verliert so allen Sinn.“
Kritik des Gothaer Programms, MEW Band 19, S. 19 f.
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Um diese Frage zu beantworten, muss die Analyse über das einfache Feststellen von zeitlicher Koinzidenz (im Stil von: im Jahr X wurde eine Reform zur Stärkung von Marktmechanismen beschlossen, in den Jahren danach fiel das Wachstum) hinausgehen. Es muss genauer untersucht werden, wie bestimmte Veränderungen sich auf die Funktionsweise des ökonomischen Systems des Sozialismus ausgewirkt haben. Das verlangt ein intensives Studium der politischen Ökonomie der sozialistischen Länder.
Die Frage, wie dadurch die Verbreitung bürgerlicher Auffassungen begünstigt wurde, ist empirisch noch schwieriger zu beantworten. Dafür könnte z. B. untersucht werden, welche politische Rolle die Direktoren der Betriebe nach den Marktreformen spielten.
Welche Rolle haben imperialistische Aggressionen bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?[Bearbeiten]
Sowjetrussland bzw. die Sowjetunion war zwei gewaltigen imperialistischen Invasionen ausgesetzt, einmal in den Jahren nach der Revolution und dann nach der deutschen faschistischen Invasion 1941. Die Staaten des Warschauer Vertrags waren der ständigen Drohung eines militärischen Angriffs des US-Imperialismus und seiner Verbündeten ausgesetzt. Auch die anderen sozialistischen Länder waren entweder Ziel unmittelbarer imperialistischer Aggressionen (Korea, Vietnam, Laos usw.) oder ständiger Subversion und Bekämpfung mit anderen Mitteln. Dieser äußere Druck hat die sozialistischen Länder unzweifelhaft in ihrer Entwicklung beeinflusst. Wie groß seine Bedeutung als Faktor für den Sieg der Konterrevolution war, ist noch zu ermitteln.
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Hier muss untersucht werden, welche der Entwicklungen, die wir für die Konterrevolution als relevant einstufen, Reaktionen auf den äußeren Druck des Imperialismus waren.
Welche Rolle haben Bürokratie und Demokratiedefizit bei der Niederlage des Realsozialismus gespielt?[Bearbeiten]
Von trotzkistischer Seite wird behauptet, in den sozialistischen Ländern hätte sich die Bürokratie als neue herrschende Schicht durchgesetzt und die proletarische Demokratie (weitgehend oder ganz) abgetötet. Eine ähnliche Variante dieser These findet sich aber auch bei vielen Maoisten (bzw. Anhängern der „Mao Tse-tung-Gedanken“) und Hoxhaisten, die davon ausgehen, dass 1956 eine bürokratische Schicht die Macht übernommen und die Diktatur des Proletariats beseitigt hat. Unabhängig davon, wie falsch wir diese Analysen finden, müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, ob es eine solche „Bürokratisierung“ und Aushöhlung der Demokratie gegeben hat, was darunter zu verstehen ist und wie sie zur Niederlage des Sozialismus beigetragen haben. Auch Lenin und Stalin hatten bereits vor der Tendenz gewarnt, dass bürokratische Methoden die lebendige proletarische Demokratie unterminieren könnten.
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Es muss zunächst untersucht werden, wie die sozialistische Demokratie in der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern funktionierte, ob sie einem Wandel unterlag (z. B. nach der Wahl Stalins zum Generalsekretär, nach dem XX. Parteitag 1956 usw.) und wenn ja, welchem. Aus einer Untersuchung des Massenbewusstseins in den sozialistischen Ländern (für uns v. a. in der DDR) können dann evtl. Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob Mängel der proletarischen Demokratie zu einer Entfremdung der Massen vom Sozialismus geführt haben.