Offene Fragen der Einschätzung der anderen sich (ehemals) sozialistisch nennenden Staaten
Zurück zu AG Sozialismus
Inhaltsverzeichnis
- 1 Wie ist der Sozialismus auf Kuba heute und in seiner historischen Entwicklung charakteristisch einzuschätzen?
- 2 Wie ist Nordkorea heute und in seiner historischen Entwicklung charakteristisch einzuschätzen?
- 3 Wie ist China heute und in seiner historischen Entwicklung seit der Revolution charakteristisch einzuschätzen?
- 4 Wie ist Vietnam heute und in seiner historischen Entwicklung seit der Revolution charakteristisch einzuschätzen?
- 5 Wie ist Jugoslawien in seiner historischen Entwicklung von 1945 bis 1992 charakteristisch einzuschätzen?
- 6 Wie ist Albanien in seiner historischen Entwicklung von 1944 bis 1990 charakteristisch einzuschätzen?
Wie ist der Sozialismus auf Kuba heute und in seiner historischen Entwicklung charakteristisch einzuschätzen?[Bearbeiten]
Kuba hat es nach der Konterrevolution in der Sowjetunion über einige Zeit geschafft, an den Grundsäulen seines sozialistischen Modells festzuhalten. In den letzten Jahren wurden jedoch umfangreiche „Aktualisierungen“ (so der offizielle Sprachgebrauch für die Veränderungen im Wirtschaftssystem) unternommen, durch die die Rolle des Privateigentums in der kubanischen Ökonomie gestärkt und der zentrale Plan zurückgedrängt wurde. Im ersten Entwurf der neuen Verfassung von 2018 war zudem das Ziel des Kommunismus nicht mehr enthalten, nur noch der Sozialismus wurde erwähnt. Dies wurde nach breiten Diskussionen unter den Massen wieder geändert, jedoch könnte das Fehlen des kommunistischen Ziels im ursprünglichen Text auch schon als Zeichen einer Aufweichung der ideologischen Festigkeit der Partei interpretiert werden. Auf Grundlage dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, in welche Richtung sich der Sozialismus auf Kuba entwickelt und wie diese Schritte politisch zu bewerten sind.
Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]
Wir haben ein solidarisches Verhältnis zu Kuba in unseren Programmatischen Thesen festgehalten:
„Insbesondere schließt der proletarische Internationalismus grundsätzlich die Entschlossenheit der revolutionären Arbeiterbewegung ein, existierende sozialistische Staaten gegen alle Angriffe des Imperialismus zu schützen, wie es beispielsweise die Haltung der Kommunisten zur UdSSR war und heute zu Kuba sein muss.“
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Hierfür muss die Entwicklung des kubanischen Sozialismus seit der Revolution untersucht werden, mit besonderem Fokus auf die Entwicklung seit 1990 und in den letzten Jahren. Die ökonomischen und politischen Veränderungen der letzten Jahre verdienen besondere Aufmerksamkeit. Dafür wird es nötig sein, eine Vielzahl von Daten und Literatur auszuwerten. Die Erfahrungen und Erlebnisse unserer Genossen, die in den letzten Jahren Kuba besucht haben, sollten ebenfalls in der Analyse miteinbezogen werden. Auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus anderen Ländern (Jugoslawien, China, Vietnam usw.) sollte untersucht werden, ob eine Schwächung des Sozialismus und Rückkehr kapitalistischer Verhältnisse in Kuba zu erwarten ist.
Wie ist Nordkorea heute und in seiner historischen Entwicklung charakteristisch einzuschätzen?[Bearbeiten]
Die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) war 1950-1953 einer extrem grausamen und mörderischen imperialistischen Aggression ausgesetzt und steht bis heute immer wieder im Fokus der Aggressionen und Kriegspläne der USA und ihrer lokalen Verbündeten. Trotz dieser Bedrohung wurden die grundlegenden Mechanismen der Planwirtschaft beibehalten. Allerdings lässt sich die Partei der Arbeit Koreas schon seit 1977 offiziell nicht mehr vom Marxismus-Leninismus, sondern von der „Juche-Ideologie“ leiten. Inwiefern diese Ausrichtung zu einer für die Arbeiterklasse negativen Entwicklung des nordkoreanischen Gesellschaftsmodells beigetragen hat, muss untersucht werden. Hierbei stellt sich für uns die Schwierigkeit, dass zuverlässige Informationen aus dem Land schwer zu beschaffen sind.
Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]
In den Programmatischen Thesen finden sich viele Aussagen zum Revisionismus und zur Rolle des Marxismus-Leninismus für die revolutionäre Praxis und den sozialistischen Aufbau, die für die Untersuchung der Entwicklung der DVRK relevant sind.
„Unsere weltanschauliche Grundlage ist der wissenschaftliche Sozialismus, der Marxismus-Leninismus. Ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Praxis geben.“
„Revisionismus ist die Abweichung von grundlegenden Erkenntnissen und Standpunkten des Marxismus-Leninismus infolge eines Eindringens von Elementen der bürgerlichen Weltanschauung in die Weltanschauung des Proletariats. In der Praxis führt er zum Opportunismus, dessen typische soziale Basis das Kleinbürgertum und die Arbeiteraristokratie sind.“
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Eine umfassendere Untersuchung der gesellschaftlichen Realität in der DVRK, die ihre ökonomische, politische und ideologische Entwicklung und die Rolle der imperialistischen Aggressionen dabei einschließt, ist dafür notwendig. Als Besonderheiten dieses Falls ist der Charakter und die Rolle der „Juche-Ideologie“ und des Verhältnisses von „Führer“ und Massen in der nordkoreanischen Gesellschaft zu beachten. Letztlich geht es hier auch um die Frage, ob eine andere weltanschauliche Grundlage als der Marxismus-Leninismus geeignet sein kann, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen (was im Widerspruch zu unseren Annahmen stünde).
Wie ist China heute und in seiner historischen Entwicklung seit der Revolution charakteristisch einzuschätzen?[Bearbeiten]
Die chinesische Revolution von 1949 war ein gewaltiger Akt der Befreiung. In den darauf folgenden Jahrzehnten des sozialistischen Aufbaus kam es jedoch auch zu problematischen Entwicklungen wie beispielsweise der Zuspitzung des außenpolitischen Gegensatzes zur Sowjetunion und Annäherung an die USA. Seit 1978 wurden tiefgreifende Reformen unternommen, die mit der Auflösung der Volkskommunen in der Landwirtschaft ihren Anfang nahmen, dann aber schnell zur Legalisierung privater kapitalistischer Akkumulation im kleineren Maßstab und schließlich großen Privatisierungen und der Entstehung großer kapitalistischer Monopolkonzerne führten. Bei alldem wird die führende Rolle der Partei, die sich nach wie vor „kommunistisch“ nennt und den Sozialismus und Kommunismus als Ziel formuliert, nicht infrage gestellt und der Staat behält eine wichtige Rolle in der Wirtschaft. Die chinesischen Monopole betreiben Kapitalexport und sind weltweit auf Expansionskurs. Wie der Charakter dieser Gesellschaft einzuschätzen ist, ist angesichts der wachsenden Bedeutung Chinas im imperialistischen Weltsystem eine Frage von großer Bedeutung.
Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]
Wir haben bereits in den Programmatischen Thesen festgehalten, dass in der heutigen VR China aus unserer Sicht kapitalistische Verhältnisse herrschen:
„Auch andere Staaten, in denen (monopol-)kapitalistische Verhältnisse bestehen, wie etwa China, können keinen antiimperialistischen Charakter annehmen.“
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Es handelt sich um eine sehr umfassende Frage, weil sie sowohl die Entwicklung der VR China in den Jahrzehnten nach der Revolution betrifft als auch die Entwicklung seit den „Marktreformen“ ab 1978. Für den ersten Abschnitt ist ein genaues Studium der ökonomischen Entwicklung sowie der Entwicklung des politischen Überbaus in China wichtig, wobei auch der Frage nachgegangen werden muss, welchen Einfluss eventuelle ideologische Abweichungen der KP Chinas und Mao Tse-tungs dabei ausgeübt haben. Besondere Aufmerksamkeit sollten in diesem Kontext umstrittene historische Ereignisse wie der „Große Sprung nach Vorn“ und die „Große Proletarische Kulturrevolution“ erhalten.
Für den Zeitabschnitt seit 1978 sind weitere Fragen relevant, denen wir nachgehen sollten: Haben eventuelle Fehlorientierungen der KP Chinas in den Jahren vor 1978 begünstigt, dass sich danach eine Politik durchsetzte, die dem Kapitalismus zum Durchbruch verhalf? War die Abschaffung des Sozialismus von vornherein das Ziel der neuen Parteiführung? Wie ist die nationale Besonderheit des chinesischen Kapitalismus einzuschätzen, dass weiterhin eine „kommunistische“ Partei das Land regiert, die das Ziel des Kommunismus auch formell beibehält und dass der Staat weiterhin eine besondere, lenkende Rolle spielt? Hierfür sollten die ökonomischen und politischen Reformen der letzten Jahrzehnte genauer untersucht werden. Der Charakter der Bourgeoisie in China muss ebenfalls genauer analysiert werden. Auch die Einschätzungen der Genossen, die in den letzten Jahren das Land besucht haben, sollten berücksichtigt werden.
Wie ist Vietnam heute und in seiner historischen Entwicklung seit der Revolution charakteristisch einzuschätzen?[Bearbeiten]
Vietnam war seit der Revolution von 1945 das Ziel verschiedener imperialistischer Mächte, besonders Frankreichs und der USA. Erst 1975 konnte das Land nach dem Sieg im Befreiungskrieg vereint werden und den sozialistischen Aufbau im ganzen Land beginnen. 1986 beschloss die KP Vietnams, einen Kurs der „Öffnung“ für das ausländische Kapital und der Legalisierung von privater Kapitalakkumulation („Doi Moi“) einzuschlagen. Auch in Vietnam haben sich seitdem große private Monopolkonzerne gebildet, obwohl der Staat weiterhin eine wichtige Rolle spielt und dem Namen nach immer noch eine KP regiert. Auch hier sollten wir eine Einschätzung der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung treffen.
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Hierfür muss sich zuerst ein Überblick über die Geschichte Vietnams seit der Revolution und besonders seit Beginn des „Doi Moi“-Kurses verschafft werden. Für die Einschätzung des heutigen Vietnam ist eine Analyse seiner ökonomischen Struktur, der Rolle des Staates, der Rolle des ausländischen Kapitals und der vietnamesischen Kapitalistenklasse, aber auch der politisch-ideologischen Ausrichtung der führenden KP und eventueller interner Auseinandersetzungen notwendig. Die Einschätzungen der Genossen, die in den letzten Jahren das Land besucht haben, sollten ebenfalls berücksichtigt werden.
Wie ist Jugoslawien in seiner historischen Entwicklung von 1945 bis 1992 charakteristisch einzuschätzen?[Bearbeiten]
In Jugoslawien kam es Ende des Zweiten Weltkriegs dank der führenden Rolle der kommunistischen Partei im antifaschistischen Befreiungskrieg zu einer Revolution. Jugoslawien wurde zu einem sozialistischen Land und engen Verbündeten der Sowjetunion. Das änderte sich allerdings schon 1947 mit dem außenpolitischen Bruch mit der UdSSR und dem Kominform. In der Folge wurde auch das Wirtschaftsmodell Jugoslawiens stark verändert: Von der zentralen Planwirtschaft hin zum Modell einer sogenannten „Arbeiterselbstverwaltung“. Dabei bekamen Räte der Belegschaften die Kontrolle über die Produktion in ihrem Betrieb und mussten sich nur noch an relativ lockere Planvorgaben halten. 1963 wurde Jugoslawien mit der Umbenennung in „Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien“ in politischer Hinsicht ebenfalls dezentralisiert, wobei die Teilrepubliken auch ökonomisch ein hohes Maß an Autonomie erhielten. In Bezug auf Jugoslawien ist zu untersuchen, welche Auswirkungen das System der „Arbeiterselbstverwaltung“ auf die ökonomische Entwicklung, aber auch die politische und ideologische Entwicklung Jugoslawiens hatte. Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, ob es sich dabei um eine Form des Sozialismus handelte oder nicht.
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Für die Bestimmung des Klassencharakters des ehemaligen Jugoslawien ist vor allem die Analyse des Modells der „Arbeiterselbstverwaltung“ wichtig. Allerdings sollte auch analysiert werden, wie dieses Wirtschaftsmodell mit der allgemeinen politisch-ideologischen Ausrichtung des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens und seiner negativen Haltung zum sozialistischen Lager zusammenhing. Es muss untersucht werden, ob in Jugoslawien von einer zentralen Planwirtschaft noch die Rede sein konnte oder ob die Autonomie der Betriebe einen zentralen Plan verunmöglichte. Falls diese Frage zu verneinen ist, muss untersucht werden, wie Jugoslawien im Rahmen der marxistischen Theorie der Gesellschaftsformationen zu charakterisieren ist. Zudem sollten die Ursachen der Zerschlagung Jugoslawiens und die Folgen, die das für die Völker Jugoslawiens hatte, analysiert werden, auch im Hinblick darauf, inwiefern das Modell der politischen und ökonomischen „Dezentralisierung“ zu diesem negativen Ergebnis beigetragen hat.
Wie ist Albanien in seiner historischen Entwicklung von 1944 bis 1990 charakteristisch einzuschätzen?[Bearbeiten]
In Albanien kam es nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Vorkämpferrolle der Kommunisten zu einer sozialistischen Revolution. Nach dem Bruch zwischen China und der UdSSR stellte sich die Führung der Partei der Arbeit Albaniens auf die Seite Chinas und nahm ein feindliches Verhältnis zur Sowjetunion ein. Die PdA Albaniens hatte den Anspruch, im Gegensatz zur Sowjetunion (und später auch China) für einen wirklichen Sozialismus zu stehen. Ungeachtet der schädlichen Rolle der albanischen Parteiführung in der internationalen kommunistischen Bewegung (z. B. Verurteilung der Niederschlagung der Konterrevolution in der Tschechoslowakei 1968) sollte die Praxis beim sozialistischen Aufbau in Albanien daher wissenschaftlich analysiert werden, auch im Hinblick auf mögliche verallgemeinerbare Schlussfolgerungen.
Arbeitsschritte[Bearbeiten]
Hier stellen sich verschiedene Fragen als Unterpunkte, wie nach der wirtschaftlichen Entwicklung und den Industrialisierungsbemühungen der PdA Albaniens, der Rolle der Partei und ihrer ideologischen Führerschaft in der albanischen Gesellschaft (angesichts der von uns festgestellten opportunistischen Abweichungen), der Formen der proletarischen Demokratie und der Auswirkungen der internationalen Isolation des Landes.