Notwendigkeit und Zufall

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Schlagworte[Bearbeiten]

Notwendigkeit, Zufall, Gesetzmäßigkeit, Entwicklung, Geschichte, Bewusstsein

Annahmen[Bearbeiten]

Besonderes und Allgemeines[Bearbeiten]

Einzelnes ist Allgemeines. Dies gilt für beliebige Sätze. Schon hierin ist Dialektik.


„Beginnen mit dem Einfachsten, Gewöhnlichsten, Massenhaftesten etc., mit einem beliebigen Satz: die Blätter des Baumes sind grün; Iwan ist ein Mensch; Shutschka ist ein Hund u. dgl. Schon hierin ist (wie Hegel genial bemerkt hat) Dialektik: Einzelnes ist Allgemeines.“
(Lenin, Wladimir Iljitsch: Zur Frage der Dialektik; LW Bd. 38, S.340)


Das Einzelne und das Allgemeine sind Gegensätze. Sie sind identisch. Das Allgemeine existiert nur im und durch das Einzelne. Jedes Einzelne ist auf eine andere Art Allgemeines. Alles Allgemeine ist eine Seite oder das Wesen des Einzelnen. Jedes Einzelne geht unvollständig in das Allgemeine ein.

„Somit sind die Gegensätze (das Einzelne ist dem Allgemeinen entgegengesetzt) identisch: das Einzelne existiert nicht anders als in dem Zusammenhang, der zum Allgemeinen führt. Das Allgemeine existiert nur im Einzelnen, durch das Einzelne. Jedes Einzelne ist (auf die eine oder andere Art) Allgemeines. Jedes Allgemeine ist (ein Teilchen oder eine Seite oder das Wesen) des Einzelnen. Jedes Allgemeine umfaßt nur annähernd alle einzelnen Gegenstände. Jedes Einzelne geht unvollständig in das Allgemeine ein usw. usw. Jedes Einzelne hängt durch Tausende von Übergängen mit einer anderen Art Einzelner (Dinge, Erscheinungen, Prozesse) zusammen usw.“
(Lenin, Wladimir Iljitsch: Zur Frage der Dialektik; LW Bd. 38, S.340)


Ursache und Wirkung[Bearbeiten]

Die Begriffe von Ursachen und Wirkung vereinfachen immer den objektiven Zusammenhang der Naturerscheinung. Sie spiegeln dir Naturerscheinungen immer nur annähernd wieder, durch eine künstliche Isolierung einer Seite im einheitlichen Weltprozess.

„Also, der menschliche Begriff von Ursache und Wirkung vereinfacht immer etwas den objektiven Zusammenhäng der Naturerscheinungen, er spiegelt ihn nur annähernd wider, indem er diese oder jene Seiten des einen einheitlichen Weltprozesses künstlich isoliert.“
(Lenin, Wladimir Iljitsch: Materialismus und Empiriokritizismus, LW Bd. 14, S.151)


Wechselwirkung[Bearbeiten]

In der Natur (den Mensch und sein Rückwirken auf die Natur ausgelassen) wirken lauter bewusstlose blinde Ursachen wechselseitig aufeinander ein. Durch dieses Einwirken kommt das allgemeine Gesetz zur Geltung. Nichts geschieht in der Natur als gewollter und bewusster Zweck. Weder auf den scheinbaren Zufälligkeiten welche auf der Oberfläche sichtbar werden, noch in den Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Zufälligkeiten. In der Geschichte der Gesellschaft hingegen sind die Handelnden mit Bewusstsein, Überlegungen oder Leidenschaften Handelnde, die auf bestimmte Zwecke hinarbeiten. Hier geschieht nichts ohne bewusste Absicht und ohne gewollte Ziele.

„In der Natur sind es - soweit wir die Rückwirkung der Menschen auf die Natur außer acht lassen – lauter bewußtlose blinde Agenzien, die aufeinander einwirken und in deren Wechselspiel das allgemeine Gesetz zur Geltung kommt. Von allem, was geschieht - weder von den zahllosen scheinbaren Zufälligkeiten, die auf der Oberfläche sichtbar werden, noch von den schließlichen, die Gesetzmäßigkeit innerhalb dieser Zufälligkeiten bewährenden Resultaten -, geschieht nichts als gewollter bewußter Zweck. Dagegen in der Geschichte der Gesellschaft sind die Handelnden lauter mit Bewußtsein begabte, mit Überlegung oder Leidenschaft handelnde, auf bestimmte Zwecke hinarbeitende Menschen; nichts geschieht ohne bewußte Absicht, ohne gewolltes Ziel.“
(Engels, Friedrich: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW Bd. 21, S.296)


Die Naturwissenschaft bestätigt, dass die Wechselwirkung die letzte Ursache der Bewegung der Dinge ist. Erkenntnistheoretisch weiter vorzudringen als über die Erkenntnis der Wechselwirkung ist nicht möglich, weil dahinter nichts zu Erkennendes liegt. Um die Materie selbst zu (er)kennen, müssen wir ihre Bewegungsformen erkennen. Erst von dieser universellen Wechselwirkung kommen wir zum wirklichen Kausalitätsverhältnis.

„Wir sehn eine Reihe von Bewegungsformen, mechanische Bewegung, Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus, chemische Zusammensetzung und Zersetzung, Übergänge der Aggregatzustände, organisches Leben, die alle, wenn wir jetzt noch das organische Leben ausnehmen, ineinander übergehn, einander gegenseitig bedingen, hier Ursache, dort Wirkung sind, und wobei die Gesamtsumme der Bewegung in allen wechselnden Formen dieselbe bleibt (Spinoza: Die Substanz ist causa sui Ursache ihrer selbst -drückt die Wechselwirkung schlagend aus. Mechanische Bewegung schlägt um in Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Licht etc. etc., und vice versa. So wird von der Naturwissenschaft bestätigt, was Hegel sagt, daß die Wechselwirkung die wahre causa finalis letzte Ursache der Dinge ist. Weiter zurück als zur Erkenntnis dieser Wechselwirkung können wir nicht, weil eben dahinter nichts zu Erkennendes liegt. Haben wir die Bewegungsformen der Materie erkannt [...], so haben wir die Materie selbst erkannt, und damit ist die Erkenntnis fertig [...]Erst von dieser universellen Wechselwirkung kommen wir zum wirklichen Kausalitätsverhältnis. Um die einzelnen Erscheinungen zu verstehn, müssen wir sie aus dem allgemeinen Zusammenhang reißen, sie isoliert betrachten, und da erscheinen die wechselnden Bewegungen, die eine als Ursache, die andre als Wirkung.

Wer Kausalität leugnet, dem ist jedes Naturgesetz eine Hypothese [...]“
(Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S.499)


Kausalität[Bearbeiten]

Die Bewegung der Einzelkörper der Materie bedingt sich gegenseitig. Der Mensch kann Bedingungen für diese Bewegung schaffen. Die Vorstellung, dass eine Bewegung die Ursache einer anderen ist, begründet sich durch die Tätigkeit des Menschen. Die Aufeinanderfolge von Naturphänomenen erzeugt die Vorstellung von Kausalität. Diese kann aber nur durch menschliche Tätigkeit "erprobt" werden. Abweichungen von Regeln sind keine Widerlegung dieser, sondern verlangen nach einer Untersuchung für diese Abweichung.

„Das erste, was uns bei der Betrachtung der sich bewegenden Materie auffällt, ist der Zusammenhang der Einzelbewegungen einzelner Körper unter sich, ihr Bedingtsein durch einander. Wir finden aber nicht nur, daß auf eine gewisse Bewegung eine andre folgt, sondern wir finden auch, daß wir eine bestimmte Bewegung hervorbringen können, indem wir die Bedingungen herstellen, unter denen sie in der Natur vorgeht, ja daß wir Bewegungen hervorbringen können, die in der Natur gar nicht vorkommen (Industrie), wenigstens nicht in dieser Weise, und daß wir diesen Bewegungen eine vorher bestimmte Richtung und Ausdehnung geben können. Hierdurch, durch die Tätigkeit des Menschen, begründet sich die Vorstellung von Kausalität, die Vorstellung, daß eine Bewegung die Ursache einer andern ist. Die regelmäßige Aufeinanderfolge gewisser Naturphänomene allein kann zwar die Vorstellung der Kausalität erzeugen: die Wärme und das Licht, die mit der Sonne kommen; aber hierin liegt kein Beweis, und sofern hätte der Humesche Skeptizismus recht, zu sagen, daß das regelmäßige post hoc nie ein propter hoc begründen könne. Aber die Tätigkeit des Menschen macht die Probe auf die Kausalität. Wenn wir mit [einem] Brennspiegel die Sonnenstrahlen ebenso in einen Fokus konzentrieren und wirksam machen wie die des gewöhnlichen Feuers, so beweisen wir dadurch, daß die Wärme von der Sonne kommt. [...]Und hier kann der Skeptiker nicht einmal sagen, daß aus der bisherigen Erfahrung nicht folge, es werde das nächste Mal ebenso sein. Denn es kommt in der Tat vor, daß es zuweilen nicht ebenso ist, daß die Zündung oder das Pulver versagt, daß der Flintenlauf springt etc. Aber grade dies beweist die Kausalität, statt sie umzustoßen, weil wir für jede solche Abweichung von der Regel bei gehörigem Nachforschen die Ursache auffinden können: chemische Zersetzung der Zündung, Nässe etc. des Pulvers, Schadhaftigkeit des Laufs etc., so daß hier die Probe auf die Kausalität sozusagen doppelt gemacht ist.“
(Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, MEW Bd.20, S. 497f.)


Bedingung[Bearbeiten]

Eine Grundbedingung aller Geschichte und die erste geschichtliche Tat ist die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse, die Produktion des materillen Lebens selbst. Diese musst noch heute, wie vor Jahrtausenden, täglich und stündlich erfüllt werden, um die Menschen nur am Leben zu erhalten. Die Befriedigung des ersten Bedürfnis,, die Aktion der Befriedigung und das schon erworbene Instrument der Befriedung führt zu neuen Bedürfnissen. Das dritte Verhältnis ist die Fortpflanzung, das Verhältnis zwischen Mann und Frau. All diese drei Seiten der sozialen Tätigkeit sind nicht als verschiedene Stufen zu fassen, sondern als Seiten.

„Die erste geschichtliche Tat ist also die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, die Produktion des materiellen Lebens selbst, und zwar ist dies eine geschichtliche Tat, eine Grundbedingung aller Geschichte, die noch heute, wie vor Jahrtausenden, täglich und stündlich erfüllt werden muß, um die Menschen nur am Leben zu erhalten.[...]

Das Zweite ist, daß das befriedigte erste Bedürfnis selbst, die Aktion der Befriedigung und das schon erworbene Instrument der Befriedigung zu neuen Bedürfnissen führt — und diese Erzeugung neuer Bedürfnisse ist die erste geschichtliche Tat.[...]

Das dritte Verhältnis, was hier gleich von vornherein in die geschichtliche Entwicklung eintritt, ist das, daß die Menschen, die ihr eignes Leben täglich neu machen, anfangen, andre Menschen zu machen, sich fortzupflanzen - das Verhältnis zwischen Mann und Weib, Eltern und Kindern, die Familie. [...] Übrigens sind diese drei Seiten der sozialen Tätigkeit nicht als drei verschiedene Stufen zu fassen, sondern eben nur als drei Seiten [...].“
(Marx, Karl; Engels, Friedrich: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S.28 f.)


Bedingung für den Untergang einer Gesellschaftsformation ist das sie alle Produktivkräfte entwickelt hat für die sie weit genug ist. Genau diese entwickelt bereits die Bedingungen für höhere Produktionsverhältnisse - (Negation der Negation). Aufgaben welche sich die Menschheit setzt entspringen materiellen Bedingungen der Lösung bereits vorhanden ist oder im Prozess entstehen werden.

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.“
(Marx, Karl: Zur Kritik der Politischen Ökonomie; MEW Bd. 13; S. 9)


Notwendigkeit[Bearbeiten]

Materialismus bedeutet die Notwendigkeit der Natur anzuerkennen und die Notwendigkeit des Denkens aus dieser abzuleiten.

„Die Notwendigkeit der Natur anerkennen und aus ihr die Notwendigkeit des Denkens ableiten ist Materialismus. Die Ableitung der Notwendigkeit, Kausalität, Gesetzmäßigkeit usw. aus dem Denken ist Idealismus.“
(Lenin, Wladimir Iljitsch, Materialismus und Empiriokritizismus, Lenin-Werke, Band 14, S.162)


Die Welt ist als ein Komplex von Prozessen zu fassen, in welcher die Dinge eine ununterbrochene Veränderung des Werdens und Vergehens durchmachen. In der Welt setzt sich bei aller scheinbaren Zufälligkeit und trotz momentanen Rückläufigkeit fortschreitende Entwicklung durch.

„Der große Grundgedanke, daß die Welt nicht als ein Komplex von fertigen Dingen zu fassen ist, sondern als ein Komplex von Prozessen, worin die scheinbar stabilen Dinge nicht minder wie ihre Gedankenabbilder in unserm Kopf, die Begriffe, eine ununterbrochene Veränderung des Werdens und Vergehens durchmachen, in der bei aller scheinbaren Zufälligkeit und trotz aller momentanen Rückläufigkeit schließlich eine fortschreitende Entwicklung sich durchsetzt - dieser große Grundgedanke ist, namentlich seit Hegel, so sehr in das gewöhnliche Bewußtsein übergegangen, daß er in die-ser Allgemeinheit wohl kaum noch Widerspruch findet.“
(Engels, Friedrich, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW Band 21, S.293)


Alle gewonnen Erkenntnis ist notwendig beschränkt. Sie ist durch die Umstände unter denen sie gewonnen wurde bedingt. Auffassung der unüberwindlichen Gegensätzlichkeit von Wahr und Falsch, Gut und Schlecht, Identisch und Verschieden, Notwendig und Zufällig ist metaphysisch. Diese Gegensätze haben nur eine relative Gültigkeit. So ist setzt sich das behauptete Notwendige durch lauter Zufälligkeiten zusammen und das angeblich Zufällige ist die Form, hinter der sich die Notwendigkeit verbirgt.

„Geht man aber bei der Untersuchung stets von diesem Gesichtspunkt aus, so hört die Forderung endgültiger Lösungen und ewiger Wahrheiten ein für allemal auf; man ist sich der notwendigen Beschränktheit aller gewonnenen Erkenntnis stets bewußt, ihrer Bedingtheit durch die Umstände, unter denen sie gewonnen wurde; aber man läßt sich auch nicht mehr imponieren durch die der noch stets landläufigen alten Metaphysik unüberwindlichen Gegensätze von Wahr und Falsch, Gut und Schlecht, Identisch und Verschieden, Notwendig und Zufällig; man weiß, daß diese Gegensätze nur relative Gültigkeit haben, daß das jetzt für wahr Erkannte seine verborgene, später hervortretende falsche Seite ebensogut hat wie das jetzt als falsch Erkannte seine wahre Seite, kraft deren es früher für wahr gelten konnte; daß das behauptete Notwendige sich aus lauter Zufälligkeiten zusammensetzt und das angeblich Zufällige die Form ist, hinter der die Notwendigkeit sich birgt -und so weiter.“
(Engels, Friedrich, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, Band MEW 21, S.293f.)


Die Menschen machen ihre Geschichte selbst. Allerdings nicht mit einem Gesamtwillen und nach einem Gesamtplan. Die Bestrebungen der Menschen durchkreuzen sich und in allen solchen Gesellschaften herrscht ebendeswegen die Notwendigkeit. Ihre Ergänzung und Erscheinungsform ist die Zufälligkeit. Die Notwendigkeit welche sich durch alle Zufälligkeiten in der Geschichte durchsetzt, ist die ökonomische. Hier zeigt sich die Bedeutung der sogenannten großen Männer. Das ein solcher und gerade dieser in einer bestimmten Zeit in einem gegebenen Land aufsteht, ist reiner Zufall. Wird dieser allerdings weggelassen, so gibt es die Nachfrage nach Ersatz. Dieser Ersatz findet sich auf die Dauer.

„Die Menschen machen ihre Geschichte selbst, aber bis jetzt nicht mit Gesamtwillen nach einem Gesamtplan, selbst nicht in einer bestimmt abgegrenzten gegebenen Gesellschaft. Ihre Bestrebungen durchkreuzen sich, und in allen solchen Gesellschaften herrscht ebendeswegen die Notwendigkeit, deren Ergänzung und Erscheinungsform die Zufälligkeit ist. Die Notwendigkeit, die hier durch alle Zufälligkeit sich durchsetzt, ist wieder schließlich die ökonomische. Hier kommen dann die sogenannten großen Männer zur Behandlung. Daß ein solcher und grade dieser zu dieser bestimmten Zeit in diesem gegebenen Lande aufsteht, ist natürlich reiner Zufall. Aber streichen wir ihn weg, so ist Nachfrage da für Ersatz und dieser Ersatz findet sich, tant bien que mal, aber er findet sich auf die Dauer.“
(Engels, Friedrich, Brief an W. Borgius in Breslau,. MEW Band 39, S.206)


Notwendigkeit heißt hier, dass eine Entwicklung nur so und nicht anders verlaufen kann. Notwendige Entwicklung findet statt unabhängig vom Bewusstsein der Individuen. Weil in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft gesetzmäßige Entwicklung sich unabhängig von Bewusstsein durchsetzt, erscheint sie als Zufälligkeit. Die Gesetze der Entwicklung können erkannt / entdeckt werden.

„Nun aber erweist sich die Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft in einem Punkt als wesentlich verschiedenartig von der der Natur. In der Natur sind es - soweit wir die Rückwirkung der Menschen auf die Natur außer acht lassen-lauter bewußtlose blinde Agenzien, die aufeinander einwirken und in deren Wechselspiel das allgemeine Gesetz zur Geltung kommt. Von allem, was geschieht - weder von den zahllosen scheinbaren Zufälligkeiten, die auf der Oberfläche sichtbar werden, noch von den schließlichen, die Gesetzmäßigkeit innerhalb dieser Zufälligkeiten bewährenden Resultaten -, geschieht nichts als gewollter bewußter Zweck. Dagegen in der Geschichte der Gesellschaft sind die Handelnden lauter mit Bewußtsein begabte, mit Überlegung oder Leidenschaft handelnde, auf bestimmte Zwecke hinarbeitende Menschen; nichts geschieht ohne bewußte Absicht, ohne gewolltes Ziel. Aber dieser Unterschied, so wichtig er für die geschichtliche Untersuchung namentlich einzelner Epochen und Begebenheiten ist, kann nichts ändern an der Tatsache, daß der Lauf der Geschichte durch innere allgemeine Gesetze beherrscht wird. Denn auch hier herrscht auf der Oberfläche, trotz der bewußt gewollten Ziele aller einzelnen, im ganzen und großen scheinbar der Zufall. Nur selten geschieht das Gewollte, in den meisten Fällen durchkreuzen und widerstreiten sich die vielen gewollten Zwecke oder sind diese Zwecke selbst von vornherein undurchführbar oder die Mittel unzureichend. So führen die Zusammenstöße der zahllosen Einzelwillen und Einzelhandlungen auf geschichtlichem Gebiet einen Zustand herbei, der ganz dem in der bewußtlosen Natur herrschenden analog ist. Die Zwecke der Handlungen sind gewollt, aber die Resultate, die wirklich aus den Handlungen folgen, sind nicht gewollt, oder soweit sie dem gewollten Zweck zunächst doch zu entsprechen scheinen, haben sie schließlich ganz andre als die gewollten Folgen. Die geschichtlichen Ereignisse erscheinen so im ganzen und großen ebenfalls als von der Zufälligkeit beherrscht. Wo aber auf der Oberfläche der Zufall sein Spiel treibt, da wird er stets durch innre verborgne Gesetze beherrscht, und es kommt nur darauf an, diese Gesetze zu entdecken.“
(Engels, Friedrich, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW Band 21, S.296f)


Die Naturnotwendigkeit ist das Primäre und der Wille und das Bewusstsein des Menschen das Sekundäre.

„Engels nimmt die Einsicht und den Willen des Menschen einerseits, die Naturnotwendigkeit anderseits und sagt einfach statt jeder Bestimmung, statt jeder Definition, daß die Naturnotwendigkeit das Primäre, der Wille und das Bewußtsein des Menschen das Sekundäre sind. Die letzteren müssen sich unvermeidlich und notwendig der ersteren anpassen;“
(Lenin, Wladimir Iljitsch, Materialismus und Empiriokritizismus, Lenin-Werke Band 14, S.185)


Es gibt keinen Zweifel an der "blinden Notwendigkeit", also einer vom Menschen nicht erkannten.

„Drittens gibt es für Engels keinen Zweifel an der Existenz der „blinden Notwendigkeit". Er erkennt die Existenz einer von dem Menschen nicht erkannten Notwendigkeit an.“
(Lenin, Wladimir Iljitsch, Materialismus und Empiriokritizismus, Lenin-Werke Band 14, S.186)


Produktionsverhältnisse sind bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse und bilden damit die ökonomische Basis.

„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer be-stimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struk-tur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen,politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Be-wußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwick-lung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche so-zialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“
(Marx, Karl, Zur Kritik der Politischen Ökonomie; MEW Band 13, Seite 8f)


Verschiedene Bedürfnismassen brauchen quantitative und qualitative Masse der gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Daraus folgt die Notwendigkeit der Verteilung der Gesamtarbeit. Historisch kann nur die gesellschaftliche Form geändert werden, worin sich die Gesetzte durchsetzen.

„Ebenso weiß es, daß die den verschiednen Bedürfnismassen entsprechenden Massen von Produkten verschiedne und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischen. Daß diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen durchaus nicht durch die bestimmte Form der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist seif-evident. Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiednen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin jene Gesetze sich durchsetzen. Und die Form, worin sich diese proportioneile Verteilung der Arbeit durchsetzt in einem Gesellschaftszustand, worin der Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit sich als Privataustausch der individuellen Arbeits-produkte geltend macht, ist eben der Tauschwert dieser Produkte.“
(Marx, Karl, Brief an Ludwig Kugelmann in Hannover, MEW Band 32, Seite 552f)