Klassenkampf

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Aus dem antagonistischen Verhältnis der Klassen resultiert der Klassenkampf. Er ist die Triebfeder der politischen Entwicklung der Gesellschaft. Im Klassenkampf kommen die Interessen der Klassen zum Ausdruck und suchen sich politisch zu manifestieren. Aber nicht jede Auseinandersetzung, auch wenn sie ihren Ursprung im Klassengegensatz hat, ist automatisch ein voll entfalteter Klassenkampf. Er ist es insoweit die organisierte Klasse über die ökonomische Ebene hinaus auf die politische Ebene zugreift und auf die Ergreifung der Staatsmacht orientiert.


Schlagworte

Klassenbildung Klasse an sich – Klasse für sich, Klassenkampf, Klasseninteressen, Klassengesellschaften, Isolation Ausgebeutete, Zusammenschluss Arbeiter, Entwicklung Produktivkräfte, Destruktionskräfte, kommunistisches Bewusstsein, Beseitigung Ausbeutung und Herrschaft, Auflösung aller Klassen, Zerschlagung Staat, Revolution, Spontane Kämpfe, Klassenbewusstsein, Erziehung der Massen, Politischer Kampf, Staatsmacht, Liberalismus, Ökonomismus, Zusammenführung Kämpfe, politische Bewegung, ökonomische Bewegung, Reformkampf, Ursachenbekämpfung, Lohnsystem, Ware Arbeitskraft, unterschiedlicher Wert und Preis Arbeitskraft, Kampfformen, politischer Streik, Führung durch Arbeiterklasse, Verbesserung der Lebenslage, Organisierung der Arbeiter, Agitation und Propaganda, Kommunistische Partei

Annahme 1

  • Durch die Herrschaft des Kapitals wurde für die Masse eine gemeinsame Situation und gemeinsame Interessen geschaffen.
  • Im und durch den Klassenkampf konstituiert sich die Klasse an sich zur Klasse für sich.
  • Klassenkampf ist immer ein politischer Kampf.


„Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf […] findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf.“
Marx, Karl: Das Elend der Philosophie, in: MEW, Band 4, Berlin 1977, S. 180f.


Annahme 2

  • In vorherigen Klassengesellschaften waren die Ausgebeuteten voneinander isoliert.
  • Im Kapitalismus sind die Arbeiter zusammengeschlossen durch die Fabrik, die Stadt und gemeinsame Kämpfe.


„Viele Jahrhunderte lang hat die Menschheit unter dem Joch eines verschwindend kleinen Häufleins von Ausbeutern geschmachtet und gelitten, die mit den Millionen Werktätigen Schindluder trieben. Während aber die Ausbeuter der früheren Epoche – die Gutsbesitzer – die zerstreut und isoliert voneinander in Unwissenheit lebenden leibeigenen Bauern ausgeplündert und bedrückt haben, sind die Ausbeuter der Neuzeit – die Kapitalisten – bei den unterdrückten Massen auf deren Vortrupp gestoßen, auf die Industriearbeiter in den Städten. Die Fabrik hat sie zusammengeschlossen, das Leben in der Stadt hat sie aufgeklärt, die gemeinsamen Streikkämpfe und die revolutionären Aktionen haben sie gestählt.“
Lenin, Wladimir Iljitsch: Rede bei der Enthüllung eines Denkmals für Marx und Engels. 7. November 1918, in: LW, Band 28, Berlin 1977, S. 160.


Annahme 3

  • In der Entwicklung der Produktivkräfte ist irgendwann ein Punkt erreicht, an dem diese so immens geworden sind, dass die Art und Weise der Produktion destruktiv ist und Krisen hervorruft.
  • Das Proletariat ist im Unterschied zu allen anderen Klassen an einem revolutionären Umsturz dieser Produktionsweise vollständig interessiert.
  • Das Interesse an einem revolutionären Umsturz kann bei zugespitzten Klassenkämpfen auch auf andere Klassen übergreifen.
  • Mit der kommunistischen Revolution werden die kapitalistische Produktionsweise und der auf ihr thronende Staat in Gänze zerschlagen. Somit werden die verschiedenen Klassen vernichtet und Ausbeutung beendet.
  • Die Revolution ist notwendig, da nur durch sie die herrschende Klasse gestürzt werden kann.


„Schließlich erhalten wir noch folgende Resultate aus der entwickelten Geschichtsauffassung: 1. In der Entwicklung der Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktionskräfte (Maschinerie und Geld) – und was damit zusammenhängt, daß eine Klasse hervorgerufen wird, welche alle Lasten der Gesellschaft zu tragen hat, ohne ihre Vorteile zu genießen, welche aus der Gesellschaft herausgedrängt, in den entschiedensten Gegensatz zu allen andern Klassen forciert wird; eine Klasse, die die Majorität aller Gesellschaftsmitglieder bildet und von der das Bewußtsein über die Notwendigkeit einer gründlichen Revolution, das kommunistische Bewußtsein, ausgeht, das sich natürlich auch unter den andern Klassen vermöge der Anschauung der Stellung dieser Klasse bilden kann; 2. daß die Bedingungen, innerhalb deren bestimmte Produktionskräfte angewandt werden können, die Bedingungen der Herrschaft einer bestimmten Klasse der Gesellschaft sind, deren soziale, aus ihrem Besitz hervorgehende Macht in der jedesmaligen Staatsform ihren praktisch-idealistischen Ausdruck hat, und deshalb jeder revolutionäre Kampf gegen eine Klasse, die bisher geherrscht hat, sich richtet; 3. daß in allen bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets unangetastet blieb und es sich nur um eine andre Distribution dieser Tätigkeit, um eine neue Verteilung der Arbeit an andre Personen handelte, während die kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt, weil sie durch die Klasse bewirkt wird, die in der Gesellschaft für keine Klasse mehr gilt, nicht als Klasse anerkannt wird, schon der Ausdruck der Auflösung aller Klassen, Nationalitäten etc. innerhalb der jetzigen Gesellschaft ist; und 4. daß sowohl zur massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewußtseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich gehen kann; daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden. (Hervorhebungen im Original) “
Marx, Karl / Engels, Friedrich: Die deutsche Ideologie, in: MEW, Band 3, Berlin 1978, S. 69f.


Annahme 4

  • Anfängliche, spontane Formen des Klassenkampfes richteten sich gegen die Produktionsinstrumente.
  • Die Arbeiter sind zunächst isoliert und Kämpfe finden isoliert statt, sie schließen sich nach und nach zusammen.


„Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Arbeiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der sie direkt ausbeutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, sie richten sie gegen die Produktionsinstrumente selbst; sie vernichten die fremden konkurrierenden Waren, sie zerschlagen die Maschinen, sie stecken die Fabriken in Brand, sie suchen [1848: sich] die untergegangene Stellung des mittelalterlichen Arbeiters wiederzuerringen.“
Marx, Karl / Engels, Friedrich: Manifest der kommunistische Partei, in: MEW, Band 4, Berlin 1977, S. 470.


Annahme 5

  • Zur Umgestaltung der Gesellschaft braucht es die Aktivität der Massen.
  • Die Massen müssen in andauernder und langer Arbeit erzogen werden.


„Haben sich die Bedingungen geändert für den Völkerkrieg, so nicht minder für den Klassenkampf. Die Zeit der Überrumpelungen, der von kleinen bewußten Minoritäten an der Spitze bewußtloser Massen durchgeführten Revolutionen ist vorbei. Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum es sich handelt , für was sie mit Leib und Leben eintreten [FN: (2. Fassung:) für was sie eintreten sollen]. Das hat uns die Geschichte der letzten fünfzig Jahre gelehrt. Damit aber die Massen verstehen, was zu tun ist, dazu bedarf es langer, ausdauernder Arbeit, und diese Arbeit ist es gerade, die wir jetzt betreiben, und das mit einem Erfolg, der die Gegner zur Verzweiflung bringt.“
Engels, Friedrich: Einleitung zu Marx‘ „Klassenkämpfe in Frankreich“, in: MEW, Band 22, Berlin 1977, S. 523.


Annahme 6

  • Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf.
  • Politischer Klassenkampf ist noch nicht gegeben, wenn es einen beliebigen Konflikt zwischen den Klassen gibt.
  • Rein ökonomische Kämpfe sind keine Klassenkämpfe.
  • Rein politische Kämpfe sind keine Klassenkämpfe, wenn sie nur auf Einzelaspekte des Politischen orientieren.
  • Die Verkürzung des Klassenkampfes auf rein politische oder rein ökonomische Aspekte wird den Interessen der Bourgeoisie gerecht.
  • Klassenkampf ist erst dann entfaltet, wenn er sich mit der Staatsmacht befasst.


„Die Frage des Klassenkampfes ist eine der Grundfragen des Marxismus. Deshalb lohnt es sich, gerade auf den Begriff vom Klassenkampf ausführlicher einzugehen.
Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf. Bekanntlich haben die in den Ideen des Liberalismus befangenen Opportunisten diese bedeutsamen Worte von Marx falsch verstanden und verzerrt interpretiert. Zu den Opportunisten gehörten beispielsweise die ‚Ökonomisten‘, die älteren Brüder der Liquidatoren. Die ‚Ökonomisten‘ meinten, daß jeder beliebige Zusammenstoß zwischen den Klassen schon ein politischer Kampf sei. Die ‚Ökonomisten‘ erkannten daher als ‚Klassenkampf‘ den Kampf für einen Aufschlag von 5 Kopeken je Rubel an, ohne den höheren, entwickelten, gesamtnationalen politischen Klassenkampf sehen zu wollen. Die ‚Ökonomisten‘ erkannten also die Keimformen des Klassenkampfes an, verneinten ihn jedoch in seiner entfalteten Form. Die ‚Ökonomisten‘ erkannten, anders ausgedrückt, im Klassenkampf nur das an, was vom Standpunkt der liberalen Bourgeoisie am ehesten erträglich war, während sie sich weigerten, weiter zu gehen als die Liberalen, sich weigerten, den höheren, den für die Liberalen unannehmbaren Klassenkampf anzuerkennen. Die ‚Ökonomisten‘ wurden damit zu Vertretern einer liberalen Arbeiterpolitik. Die ‚Ökonomisten‘ sagten sich damit von der marxistischen, der revolutionären Auffassung vom Klassenkampf los.
Weiter. Nicht genug damit, daß der Klassenkampf nur dann echt, konsequent, entfaltet ist, wenn er den Bereich der Politik erfaßt. Auch in der Politik kann man sich entweder auf unbedeutende Einzelfragen beschränken oder in die Tiefe gehen, bis auf den Grund. Der Marxismus erkennt den Klassenkampf erst dann als voll entfaltet, als ‚gesamtnational‘ an, wenn er nicht nur die Politik, sondern in der Politik auch das Wesentlichste: die Frage der Staatsmacht, erfaßt.
Der Liberalismus dagegen wagt es schon nicht mehr, den Klassenkampf zu leugnen, wenn die Arbeiterbewegung etwas stärker geworden ist, sucht aber den Begriff des Klassenkampfes einzuengen, zu stutzen, zu kastrieren. Der Liberalismus ist bereit, den Klassenkampf auch auf dem Gebiet der Politik anzuerkennen, allerdings unter der einen Bedingung, daß die Frage der Staatsmacht nicht mit einbezogen wird. Man begreift unschwer, welchen Klasseninteressen der Bourgeoisie diese liberale Entstellung des Begriffs vom Klassenkampf entspringt. (Hervorhebungen im Original)“
Lenin, Wladimir Iljitsch: Über die liberale und die marxistische Auffassung vom Klassenkampf, in: LW, Band 19, Berlin 1977, S. 105f.


Annahme 7

  • Streiks in einzelnen Betrieben oder Branchen sind ökonomische Bewegungen.
  • Kampfformen, die auf die generelle Verbriefung von Arbeiterrechten abzielen, sind eine politische Bewegung.
  • Einzelne ökonomische Bewegungen können zur politischen Bewegung der gesamten Klasse für ihre Interessen werden.


„[D]er Versuch, in einer einzelnen Fabrik oder auch in einem einzelnen Gewerk durch strikes [sic] etc. von den einzelnen Kapitalisten eine Beschränkung der Arbeitszeit zu erzwingen, ist eine rein ökonomische Bewegung; dagegen die Bewegung, ein Achtstunden- etc. Gesetz zu erzwingen, ist eine politische Bewegung. Und in dieser Weise wächst überall aus den vereinzelten ökonomischen Bewegungen der Arbeiter eine politische Bewegung hervor, d.h. eine Bewegung der Klasse, um ihre Interessen durchzusetzen in allgemeiner Form, in einer Form, die allgemeine, gesellschaftlich zwingende Kraft besitzt.(Hervorhebungen im Original) “
Marx, Karl: Marx an Friedrich Bolte in New York, in: MEW, Band 33, Berlin 1976, S. 332f.


Annahme 8

  • Die Wirksamkeit alltäglicher Kämpfe ist nicht zu überschätzen, denn sie berühren nicht die Ursache des Problems.
  • Alltägliche Kämpfe zielen auf die Abmilderung des Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise ab.


„Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; daß sie Palliativmittel [symptombekämpfende Mittel, Anmerkung der Autoren] anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, daß das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind. Statt des konservativen Mottos: ‚Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!, sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: ‚Nieder mit dem Lohnsystem!‘ (Hervorhebungen im Original) “
Marx, Karl: Lohn, Preis und Profit, in: MEW, Band 16, Berlin 1962, S. 152.


Annahme 9

  • Auf Basis des Lohnsystems hat der die Ware Arbeitskraft wie alle anderen Waren unterschiedlichen Wert und erzielt deshalb auch unterschiedliche Preise.
  • Auf dieser Grundlage ist die Forderung von Lohngleichheit illusorisch und unerfüllbar.


„[G]enauso wie die Produktionskosten für Arbeitskräfte verschiedner Qualität nun einmal verschieden sind, [müssen] auch die Werte der in verschiednen Geschäftszweigen beschäftigten Arbeitskräfte verschieden sein […]. Der Ruf nach Gleichheit der Löhne beruht daher auf einem Irrtum, ist ein unerfüllbarer törichter Wunsch. […] Auf Basis des Lohnsystems wird der Wert der Arbeitskraft in derselben Weise festgesetzt wie der jeder andern Ware; und da verschiedne Arten Arbeitskraft verschiedne Werte haben oder verschiedne Arbeitsquanta zu ihrer Produktion erheischen, so müssen sie auf dem Arbeitsmarkt verschiedne Preise erzielen. (Hervorhebungen im Original) “
Marx, Karl: Lohn, Preis und Profit, in: MEW, Band 16, Berlin 1962, S. 131f.


Annahme 10

  • Im politischen Streik ist Arbeiterklasse die führende Klasse des ganzen Volkes.
  • Nur wenn die wirtschaftliche Lage der Arbeiter verbessert wird, wird die Masse in die Bewegung einbezogen.
  • Durch den Kampf der Arbeiterklasse für eine Verbesserung der Lebensbedingungen, wächst sie moralisch, geistig und politisch.


„Die Arbeiterklasse tritt beim politischen Streik als die führende Klasse des ganzen Volkes auf. Das Proletariat spielt in solchen Fällen die Rolle nicht einfach einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, sondern die Rolle des Hegemons, d. h. des Leiters, des Vorkämpfers, des Führers. Die politischen Ideen, die in der Bewegung zutage treten, tragen gesamtnationalen Charakter, das heißt, sie berühren die grundlegenden, fundamentalen Verhältnisse des politischen Lebens des ganzen Landes. Dieser Charakter des politischen Streiks weckte – wie alle wissenschaftlichen Untersuchungen des Zeitabschnitts von 1905 bis 1907 hervorheben – das Interesse an der Bewegung bei allen Klassen und insbesondere natürlich bei den breitesten, zahlenmäßig stärksten und demokratischsten Schichten der Bevölkerung, bei der Bauernschaft und so weiter.
Anderseits wird die Masse der Werktätigen niemals bereit sein, sich einen allgemeinen ‚Fortschritt‘ des Landes vorzustellen ohne ökonomische Forderungen, ohne eine unmittelbare und unverzügliche Verbesserung ihrer Lage. Nur wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitenden verbessert wird, wird die Masse in die Bewegung einbezogen, nimmt sie energisch an ihr teil, weiß sie diese zu schätzen, offenbart sie Heldenmut, Selbstaufopferung, Standhaftigkeit und Ergebenheit für die große Sache. Anders kann es nicht sein, denn die Lebensbedingungen der Arbeiter sind in ‚gewöhnlichen‘ Zeiten unglaublich schwer. Indem die Arbeiterklasse für eine Verbesserung der Lebensbedingungen kämpft, wächst sie zugleich sowohl moralisch als auch geistig und politisch, wird sie fähiger, ihre großen Freiheitsziele zu verwirklichen.“
Lenin, Wladimir Iljitsch: Wirtschaftlicher und politischer Streik, in: LW, Band 18, Berlin 1974, S. 73.


Annahme 11

  • Klassenkampf entsteht, wenn es im ganzen Land unter den Arbeitern Bewusstsein darüber gibt
    1. eine einheitliche Arbeiterklasse zu sein und
    2. der Kampf gegen die ganze Kapitalistenklasse aufgenommen wird.
  • Der Kampf der Arbeiter wird notwendigerweise in dem Maße politischer Kampf, in dem er zum Klassenkampf wird.
  • Durch Organisierung der Arbeiter, durch Agitation und Propaganda unter ihnen wird der spontane Kampf zum Kampf der ganzen Klasse und einer bestimmten Partei für bestimmte politische und sozialistische Ideale verwandelt.


„Was aber ist Klassenkampf? Wenn die Arbeiter einer einzelnen Fabrik, eines einzelnen Berufs den Kampf gegen ihren Unternehmer oder gegen ihre Unternehmer aufnehmen, ist das Klassenkampf? Nein, das sind erst schwache Ansätze dazu. Der Kampf der Arbeiter wird erst dann zum Klassenkampf, wenn alle fortschrittlichen Vertreter der gesamten Arbeiterklasse des ganzen Landes sich bewußt werden, eine einheitliche Arbeiterklasse zu sein, und den Kampf nicht gegen einzelne Unternehmer, sondern gegen die ganze Klasse der Kapitalisten und gegen die diese Klasse unterstützende Regierung aufnehmen. Erst dann, wenn der einzelne Arbeiter sich bewußt ist, ein Teil der ganzen Arbeiterklasse zu sein, wenn er in seinem tagtäglichen Kleinkampf gegen einzelne Unternehmer und einzelne Beamte den Kampf gegen die ganze Bourgeoisie und gegen die ganze Regierung sieht, erst dann wird sein Kampf zum Klassenkampf. ‚Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf‘ — diese berühmten Worte von Marx dürfen nicht in dem Sinne verstanden werden, jeder Kampf der Arbeiter gegen die Unternehmer wäre stets ein politischer Kampf. Sie müssen so verstanden werden, daß der Kampf der Arbeiter gegen die Kapitalisten notwendigerweise in dem Maße politischer Kampf wird, als er zum Klassenkampf wird. Die Aufgabe der Sozialdemokratie besteht eben darin, durch Organisierung der Arbeiter, durch Propaganda und Agitation unter ihnen ihren spontanen Kampf gegen die Unterdrücker in einen Kampf der ganzen Klasse, in den Kampf einer bestimmten politischen Partei für bestimmte politische und sozialistische Ideale zu verwandeln. Durch lokale Arbeit allein kann eine solche Aufgabe nicht gelöst werden. (Hervorhebungen im Original)“
Lenin, Wladimir Iljitsch: Unsere nächste Aufgabe, in: LW, Band 4, Berlin 1955, S. 209.


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