Einführung in die AG Sozialismus

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Ausgangslage – Warum brauchen wir diese Arbeitsgruppe?[Bearbeiten]


Vor über 100 Jahren lieferte die Große Sozialistische Oktoberrevolution den unwiderlegbaren Beweis der Möglichkeit des Zerschlagens der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Mehr noch: Die Sowjetunion vollzieht eine enorme Entwicklung der Wissenschaft und Industrie, eine Steigerung des materiellen Reichtums verbunden mit nie dagewesenen sozialen und politischen Rechten für diejenigen, die diesen Reichtum erarbeiteten. Der Sieg über den Faschismus, die militärisch ebenbürtige Stellung im sogenannten kalten Krieg sind Belege dafür, dass der Sozialismus in der Lage dazu war, es mit dem Imperialismus aufzunehmen. Die Systemkonkurrenz wurde zu der entscheidenden politischen Auseinandersetzung des „kurzen“ 20. Jahrhunderts. 70 Jahre nach der bolschewistischen Revolution, die dem Kapital den Zugriff auf ein Drittel des Erdballs verwehrte, wurden in den Staaten des Warschauer Vertrags endgültig kapitalistische Produktionsverhältnisse restauriert. Die Jahre 1989/90 markieren diese Entwicklung als Epochenzäsur. Von den Vertretern der kapitalistischen Ordnung – allen voran den NATO-Staaten – wird dieses Datum als historischer Sieg und als Beleg für die Überlegenheit des Marktes gefeiert und das Ende der Geschichte heraufbeschworen. Die Arbeiterbewegung hingegen wird weltweit in ihre schwerste, immer noch andauernde Krise gerissen, von der sie sich nur schwer erholt. Einst starke und einflussreiche kommunistische Parteien verschwinden in der Bedeutungslosigkeit, Ziel und Form des Kampfes werden von nicht wenigen grundsätzlich in Frage gestellt. Kurzum, die revolutionäre Theorie gerät als ganze in eine Krise, hinterlässt Rat- und Orientierungslosigkeit bei den arbeitenden und werktätigen Massen und ihren Organisationen. Jahrelang war die Sowjetunion Orientierungspunkt fortschrittlicher Bewegungen, der Sozialismus als Ziel und der Klassenkampf als Weg war vielen Organisationen der Arbeiterbewegung abstrakt als Lösung der sozialen Frage geblieben, nach 1989 werden zentrale Erkenntnisse des Marxismus-Leninismus allzu oft gänzlich über Bord geworfen. Wir gehen nicht davon aus, dass sich diese Entwicklung aus dem Nichts, von einem Tag auf den anderen, zugetragen hat. Vielmehr stehen die Jahre 1989/90 (vorerst!) abschließend für den Sieg der Ausbeuterordnung, für die Niederlage revolutionärer Theorie und Praxis, die sich längst vorab entwickelt hatte. Wir gehen davon aus, dass der Einfluss revisionistischer Positionen, d.h. bürgerlicher, nicht-kommunistischer Standpunkte in der KPdSU (wie auch in anderen kommunistischen Parteien) maßgeblicher Grund für Fehlentwicklungen und schließlich zentrale Ursache für die zerschmetternde Niederlage des Sozialismus war. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, problematische und fehlerhafte, genauso wie positive und dem kommunistischen Ziel entsprechende Entwicklungen auszumachen und zu diskutieren, um daraus eine Klarheit über allgemeine Grundsätze eines zukünftigen sozialistischen Aufbaus zu entwickeln. Die heutige kommunistische Weltbewegung ist geprägt von verschiedensten politischen Orientierungen für den Aufbau des Sozialismus. Unterschiedliche Analysen über die Geschichte sozialistischer Länder, völlig gegensätzliche Positionen zu bestehenden sozialistischen Staaten spalten und zersetzen die Bewegung. Die Unklarheit über die eigene Geschichte und das Ziel der Bewegung verunmöglichen eine richtungsweisende Führungsrolle der Kommunisten auch im tagtäglichen Kampf gegen die kapitalistische Tyrannei. Insbesondere in Deutschland ist diese Erfahrung allgegenwärtig. Antikommunismus und Geschichtsfälschung in Bezug auf die DDR sind Staatsprogramm und werden routinemäßig zu den einschlägigen Jahrestagen wiedergekäut. Die Sieger schreiben die Geschichte. Und so verbreitet die BRD ein verleumderisches Bild über den Sozialismus, das leider allzu oft von „Linken“ und sich kommunistisch nennenden Personen und Gruppen ohne Misstrauen übernommen wird. Andererseits versammeln sich auf dem ehemaligen Gebiet der DDR Lebenserfahrungen und Perspektiven, die sich mit der staatlich verordneten Sicht auf die DDR nicht decken. Innerhalb der Arbeiterklasse Ostdeutschlands versammeln sich Sichtweisen und Fragen, die nicht gehört und nicht beantwortet werden. Besonders in Zeiten, in denen der Unmut über prekäre Lebensverhältnisse, Armut und Ohnmacht wächst und das Vertrauen gegenüber den etablierten politischen Akteuren schwindet. In denen die DDR positiver Bezugsrahmen und somit richtungsweisend für kommende Kämpfe sein könnte, mangelt es an einer gründlichen und organisierten Auseinandersetzung mit der Erfahrung der DDR durch Kommunisten. Die aktuellen Krisen, Kriege und Klassenkämpfe verdeutlichen immer wieder aufs Neue die Unvereinbarkeit der Interessen der Arbeiterklasse mit denen der Bourgeoisie und sind mannigfaltige Belege für die Notwendigkeit der revolutionären Umwälzung der Eigentumsverhältnisse. Solange allerdings der kommunistischen Bewegung die Klarheit über das Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung, die Klarheit über Errungenschaften und Fehler des sozialistischen Aufbaus fehlen, wird es nicht gelingen, erneut zu einer wirkmächtigen gesellschaftlichen Kraft zu werden, die die Arbeiterklasse unmissverständlich orientiert zum revolutionären Bruch führen kann. Die Arbeitsgruppe zur sozialistischen Gesellschaft soll zu dieser notwendigen Klärung entscheidend beitragen. Indem wir die theoretischen Grundlagen des Sozialismus klären, die Geschichte und Gegenwart des Sozialismus analysieren, d. h. aus den Siegen und Niederlagen lernen und uns mit den konkreten Voraussetzungen, d. h. den aktuellen ökonomischen und sozialen Bedingungen für einen nächsten Anlauf zum Sozialismus beschäftigen, können wir einen Weg zur kommunistischen Gesellschaft konkret ebnen. Die Beschäftigung mit den Grundannahmen von Marx, Engels und Lenin über den Sozialismus bzw. mit den Erfahrungen im sozialistischen Aufbau ist für uns natürlich kein Selbstzweck, sondern stets praktisch motiviert. Die Notwendigkeit des Klärungsprozesses ergibt sich erst aus der eklatanten Krise der kommunistischen Bewegung und der revolutionären Theorie. Damit ein Programm für den Sozialismus gesellschaftlich wirkmächtig werden kann, muss es verankert und mit der Lebensrealität und den Erfahrungen der arbeitenden und werktätigen Massen verbunden sein. Die theoretische Arbeit für die revolutionäre Aktion nutzbar zu machen und daran zu messen und andererseits die Erfahrungen der Arbeiterklasse, bspw. mit dem sozialistischen Aufbau in der DDR, aufzunehmen, hat Relevanz erster Güte.
Den Aufschlag für die weitere Arbeit und Diskussion bilden die zusammengetragenen Grundannahmen, d. h. allgemeine Positionen, die Marx, Engels und Lenin zur sozialistischen Gesellschaft formuliert haben, die Aufarbeitung von Dissensen, d. h. zentraler Streitpunkte und Widersprüche, die innerhalb der kommunistischen Bewegung zum Thema existieren und einer Klärung bedürfen, und offenen Fragen, deren Beantwortung notwendige Voraussetzung eines künftigen Programms zur sozialistischen Gesellschaft sind. Alle drei Bereiche sollen im Laufe des Klärungsprozesses weiter ergänzt werden.