Ausbeutung
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Nur menschliche Arbeitskraft ist in der Lage, Wert zu produzieren. In Folge der Produktivität der Arbeit ist sie sogar in der Lage, mehr Wert zu produzieren, als für ihre eigene Reproduktion notwendig ist. Hierin liegt das Geheimnis der Ausbeutung, die die Aneignung dieses "Mehrwerts" durch den Kapitalisten beschreibt. Die Ausbeutung ist die Grundlage der Akkumulation von Kapital. Zudem bestimmt sich durch sie aber auch die Lage der Arbeiter, d. h. ihre gesellschaftliche Stellung. Marx leitet aus dem Ausbeutungsverhältnis ab, dass der Produktionsprozess herrschaftsförmig, der Arbeiter seinem Wesen nach arm, sein Leben vom Gelingen der Akkumulation abhängig ist.
Schlagworte
Produktionsmittelmonopol, Mehrarbeit, Ausbeutung, Herrschaft, Enteignung des Arbeiters, Privateigentum, Klassenantagonismus, Lohnarbeit, Potenzielle Armut, Abhängigkeit, Ware Arbeitskraft, Arbeitslohn, Lohngesetz, Arbeitslohn, Mehrwert, Mehrprodukt, Klassenspaltung, Reproduktionskosten, Mehrwert, kapitalistische Produktionsweise
Annahme 1
- Die Grundlage der Ausbeutung ist das Privateigentum an Produktionsmitteln.
„Überall, wo ein Teil der Gesellschaft das Monopol der Produktionsmittel besitzt, muss der Arbeiter, frei oder unfrei, der zu seiner Selbsterhaltung notwendigen Arbeitszeit überschüssige Arbeitszeit zusetzen, um die Lebensmittel für den Eigner der Produktionsmittel zu produzieren.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 249.
Annahme 2
- Wenn Arbeit unfrei verrichtet wird, d. h. wenn die Arbeitskraft ausgebeutet wird, ist der Produktionsprozess herrschaftsförmig.
„Wenn er [der Produzent, Anmerkung der Autoren] sich zu seiner eignen Tätigkeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich zu ihr als der Tätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch eines andern Menschen.“
Marx, Karl: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, in: MEW, Band 40, Berlin 1968, S. 519.
Annahme 3
- Ausbeutung der Arbeitskraft bedeutet, dass weder das Produkt noch der geschaffene Wert dem Produzenten gehört.
„Nun aber findet in allen Produktionsweisen – namentlich auch der kapitalistischen Produktionsweise – worin die gegenständlichen Bedingungen der Arbeit einer oder mehreren Klassen gehören, das bloße Arbeitsvermögen dagegen einer andern Klasse, der Arbeiterklasse, das Gegenteil statt. Das Produkt oder der Wert des Produkts der Arbeit gehört nicht dem Arbeiter.“
Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert I, in: MEW, Band 26.1, Berlin 1965, S. 43.
Annahme 4
- Der Lohnarbeiter schafft mit seiner Arbeit Kapital und damit die Bedingung seiner eigenen Ausbeutung.
„Das Arbeitsvermögen [des Lohnarbeiters, Anmerkung der Autoren] […] tritt ärmer aus dem Prozeß heraus, als es hereintrat. Denn nicht nur hat es hergestellt die Bedingungen der notwendigen Arbeit als dem Kapital gehörig; sondern die in ihm als Möglichkeit liegende Verwertung, […] existiert nun ebenfalls als Surpluswert, Surplusprodukt, mit einem Wort als Kapital. […] Es hat nicht nur den fremden Reichtum und die eigne Armut produziert, sondern auch das Verhältnis dieses Reichtums als sich auf sich selbst beziehenden Reichtums zu ihm als der Armut, durch deren Konsum er neue Lebensgeister in sich zieht und sich von neuem verwertet.“
Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Band 42, Berlin 1983, S. 366.
Annahme 5
- Der Lohnarbeiter ist dem Wesen nach arm.
- Durch seine Stellung zu den Produktionsmitteln ist der Lohnarbeiter ausschließlich lebendiges Arbeitsvermögen.
- Der Lohnarbeiter ist, um zu überleben, auf den Kapitalisten angewiesen.
- Ist der Kapitalist nicht auf die Mehrarbeit des Lohnarbeiters angewiesen, kann der Lohnarbeiter auch die zu seiner eigenen Reproduktion notwendige Arbeit nicht verrichten und ist auf Leistungen aus der Revenue angewiesen.
- Der Lohnarbeiter ist zum Selbsterhalt auf die Arbeit für den Kapitalisten angewiesen. Diese Abhängigkeit macht ihn zum potenziellen Armen.
„In dem Begriff des freien Arbeiters liegt schon, daß er Pauper [Armer] ist: virtueller Pauper [dem Wesen nach Armer]. Er ist seinen ökonomischen Bedingungen nach bloßes lebendiges Arbeitsvermögen, also auch mit den Bedürfnissen des Lebens ausgestattet. Bedürftigkeit nach allen Seiten hin, ohne objektives Dasein als Arbeitsvermögen zur Realisierung desselben. Kann der Kapitalist seine Surplusarbeit nicht brauchen, so kann er seine notwendige nicht verrichten; seine Lebensmittel nicht produzieren. Kann sie dann nicht durch den Austausch erhalten, sondern, wenn er sie erhält, nur dadurch, daß Almosen von der Revenu [sic] für ihn abfallen. Als Arbeiter kann er nur leben, soweit er sein Arbeitsvermögen gegen den Teil des Kapitals austauscht, der den Arbeitsfonds bildet. Dieser Austausch selbst ist an für ihn zufällige, gegen sein organisches Sein gleichgültige Bedingungen geknüpft. Er ist also virtualiter Pauper [potentieller Armer]. (Hervorhebungen im Original)“
Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Band 42, Berlin 1983, S. 505.
Annahme 6
- Der Lohnarbeiter unterliegt den ökonomischen Gesetzen der Ware.
- Der Preis einer Ware, so auch der Arbeitskraft, ist durch die Produktionskosten der Ware bestimmt.
- Dem Lohnarbeiter wird nur so viel gezahlt, wie zur Reproduktion seiner Arbeitskraft lebensnotwendig ist und daher so niedrig wie möglich. Produktions- und Reproduktionskosten der Arbeitskraft sind deckungsgleich.
- Schwankende Profite wirken sich auf die Arbeitslöhne aus.
„Die Arbeit ist eine Ware wie jede andere, und ihr Preis wird daher genau nach denselben Gesetzen bestimmt werden wie der jeder anderen Ware. Der Preis einer Ware unter der Herrschaft der großen Industrie oder der freien Konkurrenz, was, wie wir sehen werden, auf eins hinauskommt, ist aber im Durchschnitt immer gleich den Produktionskosten dieser Ware. Der Preis der Arbeit ist also ebenfalls gleich den Produktionskosten der Arbeit. Die Produktionskosten der Arbeit bestehen aber in gerade so viel Lebensmitteln, als nötig sind, um den Arbeiter in Stand zu setzen, arbeitsfähig zu bleiben und die Arbeiterklasse nicht aussterben zu lassen. Der Arbeiter wird also für seine Arbeit nicht mehr erhalten, als zu diesem Zwecke nötig ist; der Preis der Arbeit oder der Lohn wird also das Niedrigste, das Minimum sein, was zum Lebensunterhalt nötig ist. Da die Geschäftszeiten aber bald schlechter, bald besser sind, so wird er bald mehr, bald weniger bekommen, gerade wie der Fabrikant bald mehr, bald weniger für seine Ware bekommt.“
Engels, Friedrich: Grundsätze des Kommunismus, in: MEW, Band 4, Berlin 1977, S. 365.
Annahme 7
- Auch ein vermeintlich gerechter Lohn beinhaltet Enteignung des Arbeiters vom Produkt seiner Arbeit.
- Auch ein vermeintlich gerechter Lohn bedeutet Ausbeutung des Arbeiters.
- Ein vermeintlich gerechter Lohn deckt gerade die Produktions- und Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft.
- Das Lohngesetz hat so lange umfassende Geltung, wie die kapitalistische Produktionsweise besteht.
„In einem früheren Artikel [Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk, MEW Bd. 19, S. 247-250, Anmerkung der Autoren] untersuchten wir den altehrwürdigen Wahlspruch "Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!" mit dem Ergebnis, daß der gerechteste Tagelohn unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen unvermeidlich gleichbedeutend ist mit der allerungerechtesten Teilung des vom Arbeiter geschaffenen Produkts, da der größere Teil dieses Produkts in die Tasche des Kapitalisten fließt, während der Arbeiter gerade mit soviel vorliebnehmen muß, wie er benötigt, sich arbeitsfähig zu erhalten und sein Geschlecht fortzupflanzen. […] Solange die Gesellschaft in zwei feindliche Klassen geteilt ist: auf der einen Seite die Kapitalisten, die die Gesamtheit der Produktionsmittel – Grund und Boden, Rohstoffe, Maschinen – monopolisieren; auf der anderen Seite die Arbeiter, die arbeitende Bevölkerung, die jeglichen Eigentums an den Produktionsmitteln beraubt sind und nichts besitzen als die eigene Arbeitskraft – solange diese gesellschaftliche Organisation besteht, wird das Lohngesetz allmächtig bleiben und jeden Tag aufs neue die Ketten schmieden, die den Arbeiter zum Sklaven seines eigenen vom Kapitalisten monopolisierten Produkts machen.“
Engels, Friedrich: Das Lohnsystem, in: MEW, Band 19, Berlin 1987, S. 251.
Annahme 8
- Die Reproduktionskosten der Arbeitskraft umfassen weniger Arbeitszeit als diejenige, zu der der Arbeiter vertraglich verpflichtet ist.
- Über die zur Reproduktion notwendige Arbeitszeit hinaus schafft der Arbeiter ein Mehrprodukt, das sich der Kapitalist als Mehrwert aneignet.
- Ausbeutung und Mehrwertaneignung bilden die Grundlage für die fortschreitende Klassenspaltung in der kapitalistischen Gesellschaft.
- Die Klassenspaltung ist im Kapitalismus systematisch angelegt.
„Der Arbeiter verkauft dem Kapitalisten seine Arbeitskraft für eine gewisse tägliche Summe. Nach der Arbeit weniger Stunden hat er den Wert jener Summe reproduziert. Aber sein Arbeitsvertrag lautet dahin, daß er nun noch eine weitere Reihe von Stunden fortschanzen muß, um seinen Arbeitstag voll zu machen. Der Wert nun, den er in diesen zusätzlichen Stunden der Mehrarbeit produziert, ist Mehrwert, der dem Kapitalisten nichts kostet, trotzdem aber in seine Tasche fließt. Dies ist die Grundlage des Systems, das mehr und mehr die zivilisierte Gesellschaft spaltet, einerseits in einige wenige Rothschilde und Vanderbilts, die Eigner aller Produktions- und Unterhaltsmittel, und andererseits in eine ungeheure Menge von Lohnarbeitern, Eigner von nichts als ihrer Arbeitskraft. Und daß dies Ergebnis geschuldet ist nicht diesem oder jenem untergeordneten Beschwerdepunkt, sondern einzig dem System selbst – diese Tatsache ist durch die Entwicklung des Kapitalismus in England heute ins grellste Licht gestellt.“
Engels, Friedrich: Vorwort zur 2. deutschen Ausgabe der „Lage der arbeitenden Klasse“, in MEW, Band 22, Berlin 1977, S. 319.
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