Weltrevolution vs. Revolution in einem Lande

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Einleitung[Bearbeiten]

Nach seinen eigenen retrospektiven Angaben entwickelte Trotzki im Verlauf der Vorbereitungen der russischen Arbeiterstreiks und -aufstände im Oktober 1905 die „Theorie der permanenten Revolution“. Er ging a) von seiner Wahrnehmung aus, dass die Petersburger Arbeiter, organisiert im Petersburger Sowjet, während dieser Aufstände auf sich selbst gestellt seien. Die Landarbeiter und die arme Bauernschaft solidarisierten sich nicht im Aufstand und verharrten in politischer Untätigkeit. Aufgrund ihrer „politischen Barbarei“ und ihrer Rückständigkeit vermutete er weiterhin, dass sich die Bauern im weiteren Verlauf der Revolution konterrevolutionär verhielten und für den Klassenfeind Partei ergreifen würden. In der Konsequenz forderte Trotzki daher eine Diktatur über die Bauern (vgl. a).

In weiteren Analysen zum Charakter der Revolution von 1905 gelangte er zu der Erkenntnis, dass b) ihr Wesen und ihre Ausrichtung weit über das Niveau eines bürgerlich-demokratischen Umsturzversuches gehen und bereits proletarische, klassenkämpferische Züge zeigen würde.

Beide zentralen Überlegungen (a + b) bildeten den Hintergrund seiner Schlussfolgerungen, die in der „Theorie der permanenten Revolution“ mündeten. Im weiteren Verlauf der proletarischen Weltbewegung führte und führt bis dato der Trotzkismus zu überaus scharfen ideologischen Auseinandersetzungen. Die Kontroversen in der Anwendung des dialektischen Materialismus wurden nicht nur schriftlich und auf Versammlungen verbal geführt, sondern äußerten sich auch in einer konkreten politischen Praxis: Auf der Ebene der Erscheinungen in der Entwicklung des Sozialismus in der Sowjetunion. Nicht zuletzt aus dem Grund wird im Folgenden darauf Wert gelegt, die innere Logik der permanenten Revolution nachzuzeichnen.

Das Konzept der permanenten Revolution von Trotzki[Bearbeiten]

Trotzki vertrat die Auffassung, dass die alte bolschewistische Losung „demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft“ aufgrund seiner oben erläuterten Einschätzung hinfällig sei. Eine erfolgreiche demokratische Diktatur sei nur unter der Führung der Diktatur des Proletariats möglich. Die objektiven Bedingungen für die Relevanz der obigen Parole bestünden nur, wenn es eine revolutionäre Bauernpartei geben würde. Aufgrund des kleinbürgerlichen Bewusstseins der Bauernschaft sei das aber unmöglich, es könne daher nur eine Diktatur des Proletariats geben. Das Festhalten der Komintern an der gleichberechtigten Führerschaft des Proletariats und der Bauern im revolutionären Kampf führe zur Liquidation des Proletariats und zum Hinübergleiten in die kleinbürgerlichen Massen und käme einem Verrat am Marxismus gleich.

Die demokratische Revolution unter der Vorherrschaft der Diktatur des Proletariats müsse zur Sicherung ihres Sieges mit unmittelbaren, umfangreichen Sozialisierungsprogrammen beginnen. Dadurch gleitet die demokratische in die sozialistische Revolution und entspricht folglich der permanenten Revolution. Aufgrund der Tatsache, dass der Kapitalismus die Weltökonomie dominiert, sei ein sozialistischer Aufbau nur auf Grundlage des Klassenkampfes auf nationaler und internationaler Ebene möglich. Auf nationaler Ebene wird der Klassenkampf im Rahmen eines Bürgerkrieges und auf internationaler Ebene durch den revolutionären Krieg geführt. Diese beiden Ebenen des Klassenkampfes entsprechen dem permanenten Charakter der sozialistischen Revolution, unabhängig von dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte in den Ländern, die ihren Ausdruck in der jeweiligen Herrschaftsform (v. a. Feudalismus, Kapitalismus) finden.

Die Festigung und der Abschluss der sozialistischen Revolution in einem Land seien utopisch, da die international sich entwickelnden Produktivkräfte nicht kongruent mit ihrem nationalen Rahmen seien. Die sozialistische Revolution beginnt national, entwickelt sich international und zwar unabhängig davon, ob ein Land „reif oder unreif“ ist und findet im globalen Maßstab ihren Abschluss (Weltrevolution!). Der Export der Revolution sei zwingend notwendig. Dies gilt insbesondere für ein rückständiges Land, in dem die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung ein bäuerlich-kleinbürgerliches Bewusstsein trägt. Weiterhin schließen die international organisierte Arbeitsteilung, die Abhängigkeiten der Industrien von international vernetzten Zulieferern, von der Rohstoffzulieferung etc. den Aufbau einer national ausgerichteten sozialistischen Gesellschaft auch in einem industriell entwickelten Land aus.

Zusammenfassend können wir folgende drei zentrale Gedanken festhalten:
• Er war der Ansicht, dass die Revolution zur sozialistischen voranschreiten müsse, sobald bürgerlich-demokratische Verhältnisse erreicht wären.
• Es ist irrelevant, ob die Produktivkräfte objektiv „reif“ sind für den Übergang in den Sozialismus. Zur Absicherung einer Revolution ist die Weltrevolution zwingend notwendig.
• Es ist nicht möglich, nicht-proletarische Schichten (Bauern!) in den sozialistischen Kampf zu integrieren.

Die „Theorie der permanenten Revolution“ ist jenes Gedankengebäude, welches in vollem Umfang im Widerspruch zu der „Theorie des Sozialismus in einem Land“ steht. Betrachten wir nun im Folgenden die Konfliktlinien, die sich aus und mit der Theorie der permanenten Revolution und der Entwicklung des Sozialismus in der Sowjetunion ergeben haben. Die ideologischen Widersprüche sind im Folgenden nur angerissen und partiell durch Stichworte angedeutet. Sie sollen als Anregungen und Orientierungshilfen, als der „rote Faden“ für die inhaltliche Auseinandersetzung mit der „permanenten Revolution“ verstanden werden. Federführende Antagonisten in der Auseinandersetzung mit Trotzkis Theorie waren Lenin und Stalin.

Konfliktlinien unserer Klassiker mit Trotzkis „permanenter Revolution“[Bearbeiten]

1. Zur Frage der Rolle der Bauern in der Revolution

Trotzki und Lenin waren sich zunächst einig, was die soziale Schichten- und Klassenstruktur Russlands angeht, das sich aus einer noch relativ kleinen Bourgeoisie und Arbeiterklasse sowie der Bauernschaft zusammensetzte. Uneinig waren sie sich in der Frage, welche Rolle die Bauern politisch spielen würden. Trotzki war der Ansicht, dass die Bauern aufgrund ihrer politischen Rückständigkeit nur ein konterrevolutionäres Bewusstsein entwickeln würden und der Revolution im Weg stehen würden. Für Lenin kam dies einerseits einer Unterschätzung der Bauern und ihres revolutionären Potenzials gleich, andrerseits aber auch einer Unterschätzung der Arbeiterklasse und ihrer Fähigkeit, die Bauern in der Revolution zu führen. Lenin vertrat deshalb die Notwendigkeit eines Bündnisses zwischen Arbeitern und Bauern.


2. Die Frage des Übergangs der bürgerlichen zur sozialistischen Revolution

Trotzki vertrat, dass die bürgerlich-demokratische Revolution in die proletarische Revolution übergehen werde und ein umfassendes Programm der Enteignung und Sozialisierung einleiten werde. Dabei werde die Revolution aber nicht nur auf den hartnäckigen Widerstand der Bourgeoisie stoßen, sondern auch auf den der Bauern. Dagegen müsse die proletarische Staatsmacht konsequent vorgehen und im Kern eine Diktatur des Proletariats über die Bauernschaft errichten. Lenin hielt dagegen, dass die strategischen Etappen der Revolution inhaltlich auseinanderfallen würden in eine erste Etappe mit bürgerlich-demokratischen und eine zweite Etappe mit sozialistischen Zielen. In der ersten Etappe stünden die Arbeiterklasse und die gesamte Bauernschaft in einem Bündnis, nachdem aber die wesentlichen Ziele (z. B. eine Bodenreform) erreicht wären, würde die zweite Etappe der proletarischen Revolution eingeleitet, in der nicht mehr die gesamte Bauernschaft, sondern nur noch die armen Bauern Verbündete des Proletariats wären. Somit vertrat Lenin in den zwei Etappen jeweils eine voneinander abweichende Bündnispolitik, wobei in beiden Phasen das Proletariat die Führung haben müsse. Im Krieg gegen die inländischen konterrevolutionären Kräfte und die Intervention der imperialistischen Staaten spielte die Bauernschaft dann auch eine wichtige Rolle.


3. Zur Frage der permanenten Revolution

In der konkreten Politik drückte sich Trotzkis Konzeption auch in der Frage der Friedensverhandlungen mit dem Deutschen Reich in Brest-Litowsk 1918 aus. Trotzki lehnte die deutschen Forderungen ab, wollte aber gleichzeitig auch den Krieg nicht fortsetzen. Seine Parole war „Weder Krieg noch Frieden“, wobei er auf eine Erhebung des deutschen Proletariats spekulierte. Diese wäre dann durch die Sowjetmacht zu unterstützen und werde zur Revolution in Deutschland führen. Lenin hielt diese Position für abenteuerlich, da sie faktisch eine Fortsetzung des Krieges implizierte. Tatsächlich führte Trotzkis Taktik eines einseitigen Waffenstillstands und Demobilisierung der Truppen zu einem weiteren Vormarsch der deutschen kaiserlichen Truppen und zu noch härteren Friedensbedingungen.


4. Zur Frage der Entwicklung des Sozialismus in einem Land

Die militärische Zerschlagung der Konterrevolution, auch mithilfe des „Kriegskommunismus“, also erzwungener Ablieferungen von Getreide, ging vorwiegend zu Lasten der Bauern. Dies führte zu steigender Unzufriedenheit der Bauernschaft und bewegte die Bolschewiki zu einer Änderung ihrer ökonomischen Orientierung. Die Neue Ökonomische Politik (abgekürzt NÖP oder NEP) beinhaltete Zugeständnisse an den Kapitalismus, den Verkauf der Agrarprodukte auf Bauernmärkten anstelle erzwungener Ablieferungen und die Entwicklung von Ware-Geld-Beziehungen zwischen Stadt und Land. Ihr Ziel war es, das Bündnis zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft zu stabilisieren. Gleichzeitig konzentrierte sich die Sowjetmacht darauf, die Entwicklung der Schwerindustrie voranzutreiben. In diesem Kontext forderte Trotzki einen Fokus auf eine beschleunigte Industrialisierung und gleichzeitig Unterdrückung der Bauernschaft. Die aus der NÖP resultierenden Probleme, insbesondere das Ungleichgewicht zwischen der Agrarproduktion und der schwach entwickelten Industrieproduktion, sollten durch die Industrialisierung gelöst werden. Stalin und damals auch Bucharin kritisierten Trotzkis Haltung, durch die sie die soziale Basis der Sowjetmacht gefährdet sahen. Stattdessen müsse man den Bauern entgegenkommen, in einem gewissen Maße die Akkumulation von Kapital ermöglichen und so die Produktivität in der Landwirtschaft erhöhen. Ab 1928 gingen die Bolschewiki unter Führung Stalins dann jedoch zur Kollektivierung über. Für Stalin war diese Entwicklungsstrategie, die das dauerhafte Bündnis mit den armen und mittleren Bauern beinhaltete, eng verbunden mit seiner Konzeption des Sozialismus in einem Land: Indem die Sowjetmacht durch das Klassenbündnis eine sehr viel breitere soziale Basis erhielt, wäre die Festigung und der Aufbau des Sozialismus in einem Land auch möglich. Stalin verteidigte die Zugeständnisse an die Warenproduktion auch dadurch, dass die Warenproduktion im Sozialismus bereits einen anderen Charakter habe als die Warenproduktion im Kapitalismus. 1926 argumentiert Stalin, dass erstens durch die Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung des Kapitalismus der Sieg des Sozialismus in einem Land zunächst notwendig sei; und dass zweitens die Organisation der sozialistischen Ökonomie die Bedingung für den vollständigen, vollendeten Sieg des Sozialismus in einem Land sei. Allerdings unterschied er zwischen einer Phase, in der der Widerspruch zwischen Proletariat und Bauernschaft gelöst sei, was er auch im Rahmen eines Landes für möglich hielt, und einer Phase, in der der äußere Gegensatz zwischen dem sozialistischen Staat und den kapitalistischen Ländern gelöst werde, was der Kraft des internationalen Proletariats bedürfe. (Zu den Fragen des Leninismus, Kapitel VI)


5. Kritik Trotzkis an Lenins Parteienverständnis

Schließlich setzten Lenin und Trotzki sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur mit der Frage der permanenten Revolution auseinander, Trotzki kritisierte auch Lenins Parteiverständnis. Für Trotzki kam in Lenins Konzeption ein Ultrazentralismus zum Ausdruck. Die Partei solle nicht, wie Lenin es vertrat, den Klassenkampf in die Arbeiterklasse tragen, sondern nur das sozialistische Bewusstsein propagieren, also Träger einer ideologischen Linie sein. Er sah den demokratischen Zentralismus im Widerspruch zur Entwicklung der innerparteilichen Demokratie. Lenin betonte dagegen (z.B. in Was tun?) die Rolle und Struktur, die die Partei in der Illegalität haben müsse, um den Angriffen des Klassenfeindes gewachsen zu sein. Die Partei müsse die Vereinigung der Arbeiterklasse mit dem Marxismus sein, weshalb sie den Klassenkampf organisieren und damit das revolutionäre Bewusstsein in die Massen tragen müsse.

Bezug zu den Grundannahmen[Bearbeiten]

Die Klassiker haben sich mit den Fragen der Weltrevolution und der Bündnisstrategie der Arbeiterklasse ebenfalls beschäftigt. Mit ihren Auffassungen dazu sollten wir uns auseinandersetzen:


„Frage: Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können?
Antwort: Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. Sie hat ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung so weit gleichgemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. Sie wird sich in jedem dieser Länder rascher oder langsamer entwickeln, je nachdem das eine oder das andre Land eine ausgebildetere Industrie, einen größeren Reichtum, eine bedeutendere Masse von Produktivkräften besitzt. Sie wird daher in Deutschland am langsamsten und schwierigsten, in England am raschesten und leichtesten durchzuführen sein. Sie wird auf die übrigen Länder der Welt ebenfalls eine bedeutende Rückwirkung ausüben und ihre bisherige Entwicklungsweise gänzlich verändern und sehr beschleunigen. Sie ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein universelles Terrain haben.“
Engels, Grundsätze des Kommunismus, MEW Bd. 4.


„Die Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung ist ein unbedingtes Gesetz des Kapitalismus. Hieraus folgt, daß der Sieg des Sozialismus zunächst in wenigen kapitalistischen Ländern oder sogar in einem einzeln genommenen Lande möglich ist. Das siegreiche Proletariat dieses Landes würde sich nach Enteignung der Kapitalisten und nach Organisierung der sozialistischen Produktion im eigenen Lande der übrigen, der kapitalistischen Welt entgegenstellen, würde die unterdrückten Klassen der anderen Länder auf seine Seite ziehen, in diesen Ländern den Aufstand gegen die Kapitalisten entfachen und notfalls sogar mit Waffengewalt gegen Ausbeuterklassen und ihre Staaten vorgehen.“
Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, Lenin Werke Bd. 21, S. 345 f.


„Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.“
Marx/Engels, Das kommunistische Manifest, S. 30.


„Die Gleichheit der Bürger ohne Rücksicht auf Geschlecht, Konfession, Rasse, Nationalität [...], wird von der Sowjetmacht, oder der Diktatur des Proletariats, sofort und vollständig verwirklicht, denn dazu ist nur die Macht der Arbeiter imstande, die nicht am Privateigentum an den Produktionsmitteln und am Kampf um ihre Verteilung und Neuverteilung interessiert sind.“
Lenin, Thesen und Referat über bürgerliche Demokratie und Diktatur des Proletariats 4. März, Lenin Werke Bd. 28, S. 480.


„Das bedeutet, die Versammlungs- und Pressefreiheit für eine Minderheit, für die Ausbeuter, durch die Versammlungs- und Pressefreiheit für die Mehrheit der Bevölkerung, für die Werktätigen, ersetzen.“
Lenin, Über "Demokratie" und Diktatur, Lenin Werke Bd. 28, S. 377.


Arbeitsschritte[Bearbeiten]

Die Streitfragen zwischen Lenin und Stalin auf der einen Seite und Trotzki auf der anderen Seite betreffen nicht nur unser Bild von der Geschichte der Arbeiterbewegung, sondern auch Fragen von unmittelbarer aktueller Relevanz, wie die Frage nach der Möglichkeit von Bündnissen mit den Bauern und dem städtischen Kleinbürgertum und vor allem die Frage nach der Möglichkeit des Sozialismus in einem Land.

Die Beantwortung der Bündnisfrage ist ein zentraler Bestandteil der Ausarbeitung einer revolutionären Strategie. Hierzu werden die Erkenntnisse unserer AG Klassenanalyse zur Rolle und dem Bewusstseinsstand der verschiedenen Schichten des Kleinbürgertums in unserer Gesellschaft wichtig sein sowie die genauere Auswertung der Erfahrungen der Arbeiterbewegung in anderen Ländern mit dieser Frage.

Die Kontroverse um den Sozialismus in einem Land muss einerseits historisch besser nachvollzogen werden – was waren die genauen Positionen in dieser Diskussion und was war der Hintergrund dieser Differenz? Wer in dieser Frage recht hatte, ist eine wichtige Frage für die historische Bewertung der Sowjetunion, da der dortige sozialistische Aufbau auf der Auffassung beruhte, dass der Sozialismus in einem Land möglich und in der damaligen Situation alternativlos war; die Trotzkisten verdammen ihn hingegen bis heute als Abkehr vom Ziel der Weltrevolution. Andrerseits geht es aber auch darum, ob wir heute im Recht sind, wenn wir zunächst auf den Aufbau des Sozialismus in einem Land (oder wenigen Ländern orientieren). Hierfür sollte die AG Politische Ökonomie des Imperialismus einbezogen werden, da der häufige Einwand, dass aufgrund der Verflechtung von Produktion und Austausch ein "nationaler Alleingang" zum Sozialismus nicht mehr möglich wäre, anhand der Tatsachen untersucht werden sollte.

Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]

Auch in unseren Programmatischen Thesen treffen wir bereits Aussagen zu Punkten, die mit dem oben ausgeführten Dissens zu tun haben:


„Der Trotzkismus ist eine weitere Form des Opportunismus, die sich ursprünglich aus einer ultra- ‚linken‘ Kritik an der Politik der Bolschewiki in der Sowjetunion entwickelt hat, aber seit langem auch oft als faktisch rechter Opportunismus und Anbiederung an die Sozialdemokratie auftritt. Der Trotzkismus stellte die Möglichkeit des sozialistischen Aufbaus ‚in einem Lande‘, also in der Sowjetunion infrage. Allen trotzkistischen Strömungen ist ein unwissenschaftliches und letztlich konterrevolutionäres Herangehen an den historisch existierenden Sozialismus gemein, das in der Verwendung des antikommunistischen Kampfbegriffs ‚Stalinismus‘ und der unkritischen Wiedergabe zahlreicher bürgerlicher Verfälschungen unserer revolutionären Geschichte seinen Ausdruck findet. Bis heute sorgen diese Strömungen, in manchen Ländern in hohem Ausmaße, für Verwirrung und falsche Orientierungen in der Arbeiterbewegung.“


„Für Revolutionäre ist die Stellung der Arbeiterklasse zum Heimatland durch das Interesse des Kampfes für die Befreiung der nationalen Arbeiterklasse, das Ende ihrer Ausbeutung, bestimmt. Es bedeutet, dass für die Arbeiter und die revolutionäre Partei die Nation das jeweilige Feld des Kampfes ist, allerdings immer als Bestandteil des allgemeinen Kampfes für den Sieg des Sozialismus im Weltmaßstab.“


„Auch der Sozialismus kann nur unter Führung der Arbeiterklasse und mit ihren Verbündeten aufgebaut werden, unter der Diktatur des Proletariats. Diktatur des Proletariats bedeutet, dass die Arbeiterklasse sich gemeinsam mit den ihr verbündeten Schichten (z. B. Kleinbauern, kleine Selbstständige) Organe der politischen Herrschaft, der Verwaltung der Produktion und des gesellschaftlichen Lebens und schließlich auch Organe der politischen und militärischen Verteidigung der Revolution schafft.“


„Auch für andere unterdrückte Schichten, wie z.B. Teile des Kleinbürgertums, müssen Massenorganisationen geschaffen werden. Diese können jedoch nur eine unterstützende Rolle spielen. Der soziale Kern eines solchen Bündnisses kann nur die organisierte Arbeiterklasse sein.“


Literatur[Bearbeiten]

  • Hesse, K.: Zur Geschichte der UdSSR und der KPdSU. Über erste praktische Erfahrungen mit dem Sozialismus, Eigenverlag Leipzig, 2012.
  • Lenin, W.I: Thesen und Referat über bürgerliche Demokratie und Diktatur des Proletariats (4. März), Lenin Werke Band 28.
  • Martens, L.: Stalin anders betrachtet. EPO Verlag, Berchem, 1998.
  • Seydewitz, M.: Stalin oder Trotzki. URL: www.offen-siv.net, 1938.
  • Stalin, J.W.: Über die Grundlagen des Leninismus, in: Stalin Werke Band 6 (hier insbesondere die Abschnitte: IV, V, VI und VIII), 1924.
  • Stalin, J.W.: Zu den Fragen des Leninismus, in: Stalin Werke Band 8: 10-81 (hier insbesondere die Abschnitte: III - VII), 1926a.
  • Stalin, J.W.: Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Verlag Olga Bernario und Herbert Baum, 1997, I. Auflage (hier insbesondere die Abschnitte I, II und III)1926b.
  • Trotzki, L.: Die permanente Revolution. Was ist nun die permanente Revolution? Grundsätze. In: (marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1929/permrev/Itperm11.htm)
  • Trotzki, L.: Verratene Revolution. Kapitel 8 – Außenpolitik und Heer. Von der Weltrevolution zum Status Quo. URL: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1936/verrev/kap08.htm#s1 (23.12.2018).

Einzelnachweise[Bearbeiten]