Welche Rolle spielt die BRD in der EU und anderen zwischenimperialistischen Bündnissen?

Version vom 26. April 2019, 13:49 Uhr von Jania (Diskussion | Beiträge) (Arbeittschritte und Teilfragen: formal: Quellenangaben berichtigt, inhaltlich: Kleinkram ausformuliert)

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Einführung[Bearbeiten]

Dass EU und NATO Bündnisse zwischen imperialistischen Staaten sind und die BRD ein aggressiver Bündnispartner ist, kann innerhalb des Großteils der kommunistischen Bewegung als Konsens und schlichte Tatsache betrachtet werden. Es gibt aber durchaus Kräfte, die der Auffassung sind, die EU könne hin zu einem fortschrittlichen Projekt im Interesse der Arbeiterklasse reformiert werden:

„Durch unsere Unterschrift unter diesem
Aufruf
versprechen wir, diese Ziele und Richtlinien einzuhalten. Je stärker wir sind, desto stärker werden die Kämpfe für ein Europa der Zusammenarbeit, des sozialen Fortschritts und des Friedens sein.

Im Folgenden sollen die Mechanismen der Bündnisse und das Wirken der BRD in ihnen genauer untersucht werden. Nicht zuletzt ist dies Voraussetzung, um eine geeignete kommunistische Gegenstrategie zu entwickeln. Blickt man genauer auf die Fragestellung, werden außerdem so viele Voraussetzungen und Schnittstellen dieses weiten Gebiets sichtbar, dass auch der eine oder andere kommunistische Dissens zum Vorschein kommt.

Unser Standpunkt[Bearbeiten]

Im ersten Schritt zur Klärung werden wir definieren, welche Bündnisse für diese Frage relevant sind. Dabei sollte u.A. der Begriff zwischenimperialistisch unter die Lupe genommen werden. In unseren Thesen schreiben wir diesbezüglich:

„Länger existierende zwischenstaatliche Bündnisse, wie die EU, sind Bündnisse imperialistischer Länder zur besseren Durchsetzung ihrer weltpolitischen Interessen. Sie sind durch ständige Konkurrenz unter den Mitgliedern, ungleichmäßige Entwicklung und die Gefahr des Auseinanderbrechens gekennzeichnet. Sie können nur zeitweise existieren und werden früher oder später zerbrechen, sie sind keine neu entstehenden supranationalen Staaten.“
KO: Programmatische Thesen der Kommunistischen Organisation, 2018, S.9

In diesem Zitat schlagen wir eine grobe Defintion von zwischenimperialistischen Bündnissen vor und auch eine allgemeine Charaktersierung. Dies ist für die Klärung ein wichtiger Ansatz: bevor wir die genaue Rolle Deutschlands untersuchen können, sollten der Charakter des jeweiligen Bündnisses selbst klar sein. Bereits bei der Klärung dieser Voraussetzungen, werden die Dissense der kommunistischen Bewegung zum Ausdruck kommen. So spricht die DKP in der Globalisierungsdefinition ihres Programms von neuen Schubs imperialistischer Internationalisierung im Interesse des Transnationalen Monopolkapitals und der Integrationsprozesse in der EU[1] und hält fest: Seit den 70er Jahren haben sich auch immer stärker internationale Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus herausgebildet. In Europa sind immer mehr Regulierungsfunktionen an die EU übergegangen.[2] In unseren Thesen haben wir dazu angekündigt: Wir wollen uns mit der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus auseinandersetzen und kritisch herausarbeiten, welche Inhalte und welche Interpretationen dieser Theorie der Realität entsprechen.[3] Ob hier Konsens besteht, wird sich also mit dem voranschreitenden Arbeitsstand zeigen.

Arbeittschritte und Teilfragen[Bearbeiten]

Die Definition und Charakterisierung von (zwischen-)imperialistischen Bündnissen im Allgemeinen wird die AG Politische Ökonomie des Imperialismus erarbeiten. Davon ausgehend werden wir ermitteln, in welchen Bündnissen Deutschland mitwirkt und damit den Gesamtumfang an zu untersuchenden Bündnissen offen legen. Um letztendlich eine vollständige Klärung zu erreichen, sind hier auch mögliche Vorläufer von Bündnissen (wie die Europäische Währungsgemeinschaft als Vorläufer der EU) zu beachten.

Ein besonderes Diskussionsfeld, das mit der Charakterisierung der NATO - die in der kommunistischen Bewegung weitestgehend einstimmig als aggressives, von den USA dominiertes imperialistisches Bündnis eingeschätzt wird - einhergeht, ist die Einschätzung Russlands sowie Chinas. Die DKP formuliert 2018 in ihrer Rede auf dem Internationalen Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien, dass die Außenpolitik Russlands in verschiedenen Fällen objektiv antiimperialistisch gewesen sei:

„When we talk so much about Russia here, we must certainly stress that we have well understood that it is now a capitalist country. It is a class society with enormous differences between rich and poor, but according to our analysis, it is not an imperialist country. In the case of Syria and Ukraine/Donbass, foreign policy is even objectively anti-imperialist.“
DKP: Rede auf dem 20. Treffen der IMCWP. https://www.solidnet.org/article/20-IMCWP-Written-Contribution-of-German-CP/, 2018

zu deutsch:

„Wenn wir hier so viel über Russland reden, sollten wir sicher betonen, dass wir genau verstanden haben, dass Russland jetzt ein kapitalistisches Land ist. Es ist eine Klassengesellschaft mit enormen Unterschieden zwischen reich und arm, aber nach unserer Analyse ist es kein imperialistisches Land. Im Falle von Syrien und der Ukraine/Donbass ist seine Außenpolitik sogar objektiv antiimperialistisch.“

Diese Äußerung steht in klarem Gegensatz zum Imperialismusverständnis unserer Thesen:

„Eine der zentralen Spaltungslinien in der kommunistischen Weltbewegung ist die Debatte um die These „objektiv antiimperialistischer“ Staaten. Nach dieser Auffassung spielten bestimmte kapitalistische Staaten eine „objektiv antiimperialistische“ und damit friedensfördernde Rolle. So wird z.B. Russland wegen seiner Interessendivergenzen mit den USA oft eine solche Rolle zugesprochen. Diese These ist jedoch falsch. Sie beruht auf der falschen Vorstellung, der Imperialismus sei die Vorherrschaft einiger, „westlicher“ oder „nördlicher“ Staaten wie der USA, Westeuropas und Japans. Wir halten jedoch daran fest, dass der Imperialismus eine gesetzmäßige Entwicklung des Kapitalismus in seinem monopolistischen Stadium ist. Es ist falsch, bestimmten, relativ unterlegenen imperialistischen Polen innerhalb dieses Systems eine prinzipielle Friedensfähigkeit oder fortschrittliche Rolle zuzuschreiben.“
KO: Programmatische Thesen der Kommunistischen Organisation. 2018, S.9f


Schließlich sollte die eigentliche Frage - welche Rolle der deutsche Imperialismus in der EU und anderen zwischenimperialistischen Bündnissen spielt - untersucht werden. Ein wichtiger Prüfstein für unsere Klärung sind die Ergebnisse zum Dissens, welche Strategien die deutschen Kapitalfraktionen verfolgen. Denn sie bestimmen letztendlich das Verhalten der BRD auf der Weltbühne und allgemein gegenüber den anderen Staaten, mit denen die deutsche Bourgeoisie um die Aufteilung der Welt streitet - die deutsche Politik in den imperialistischen Bündnissen sollte damit folglich einen Zusammenhang aufweisen. Einigkeit besteht soweit innerhalb der kommunistischen Bewegung, dass Deutschland eine hegemoniale Rolle innerhalb der EU ausübt, wie es z.B. die MLPD formuliert:

„Politisch und militärisch hat der deutsche Imperialismus seinen Einfluss als Bündnispartner der USA und im Rahmen der NATO ausgeweitet und gerät als stärkste wirtschaftliche Kraft der EU dabei immer mehr in Konkurrenz mit seinen imperialistischen Verbündeten.“
MLPD, Programm der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands. Verlag Neuer Weg, 2016, S.27

Wenn es um die historische Entwicklung - z.B. bei Vorläufern von bestehenden Bündnissen - geht, sollten wir auch Lenins Arbeiten speziell zur Charakterisierung solcher Bündnisse beachten, der sich auch schon zu Bündnisplänen imperialistischer Staaten in Europa äußerte:

„"Interimperialistische" oder "ultraimperialistische" Bündnisse sind daher in der kapitalistischen Wirklichkeit, und nicht in der banalen Spießerphantasie englischer Pfaffen oder des deutschen "Marxisten" Kautsky, notwendigerweise nur "Atempausen" zwischen Kriegen - gleichviel, in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden, ob in der Form einer imperialistischen Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in der Form eines allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik.“
Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Band 22, 1917, S.301 ff.


Noch konkreter wird Lenin mit seinem Text Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa. Zwar verfasste er dieses Werk noch während des Ersten Weltkriegs, von Bedeutung kann diese Aussage aber heute um so mehr sein:

„Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d.h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die „fortgeschrittenen“ und „zivilisierten“ Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär. Das Kapital ist international und monopolistisch geworden. Die Welt ist aufgeteilt unter ein Häuflein von Großmächten, d.h. von Staaten, die in der großangelegten Ausplünderung und Unterdrückung der Nationen die größten Erfolge zu verzeichnen haben. Die vier Großmächte Europas: England, Frankreich, Rußland und Deutschland, mit einer Bevölkerung von 250-300 Millionen und einem Territorium von etwa 7 Millionen Quadratkilometern, verfügen über Kolonien mit einer Bevölkerung von fast einer halben Milliarde (494,5 Millionen) und einem Territorium von 64,6 Millionen Quadratkilometern, d.h. fast über den halben Erdball (133 Millionen Quadratkilometer ohne Polargebiet). […]

So ist in der Epoche der höchsten Entwicklung des Kapitalismus die Ausraubung von rund einer Milliarde Erdbewohnern durch ein Häuflein von Großmächten organisiert. Und unter dem Kapitalismus ist jede andere Organisation unmöglich. […] Es kann nicht anders geteilt werden als „entsprechend der Macht“. Die Machtverhältnisse ändern sich aber mit dem Gang der ökonomischen Entwicklung. Nach 1871 erstarkte Deutschland etwa drei- bis viermal so rasch wie England und Frankreich, Japan annähernd zehnmal so rasch wie Rußland. Um die tatsächliche Macht eines kapitalistischen Staates zu prüfen, gibt es kein anderes Mittel und kann es kein anderes Mittel geben als den Krieg. Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar.“
Lenin: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa. Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Band 21, 1917, S.342 ff.


Mitmachen[Bearbeiten]

In den nächsten Monaten wollen wir uns an die systematische Beantwortung der Fragen machen - dabei kannst du mitmachen:

  • Diskutier mit
    • Du hast andere Erkenntnisse, Positionen zu bestimmten Fragen?
    • Du hast selbst offene Fragen zum Thema?
  • Einzelne Arbeitsaufträge übernehmen - in Theoriearbeit oder in praktischer Umsetzung
  • Dauerhaft mitarbeiten in der AG

Wenn das interessant klingt oder dir noch andere Möglichkeiten einfallen, dich zu beteiligen, melde dich bei uns: ag_imperialismus@kommunistische.org

Quellen[Bearbeiten]

  1. DKP: Programm der Deutschen Kommunistischen Partei, 2006, S.4
  2. ebd.
  3. KO: Programmatische Thesen der Kommunistischen Organisation, 2018, S.8