Was ist die Rolle des Nationalstaats im entwickelten imperialistischen Weltsystem?

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Marx unmd Engels formulierten im Kommunistischen Manifest ihre klassische Position zur Rolle der bürgerlichen Nationalstaaten im Klassenkampf (siehe dazu die Grundannahmen zum Nationalstaat). Jede Arbeiterklasse müsse zunächst den Kampf gegen die in ihrem Land jeweils national organisierte und ihre Macht durch den nationalen Territorialstaat ausübende Bourgeoisie führen. Proletarischer Internationalismus bedeutete, dass die jeweiligen nationalen Arbeiterklassen ein gemeinsames Interesse und einen gemeinsamen Klassengegener hatten, und nur durch den solidarischen zusammenschluss und die gegenseitige Hilfe siegreich sein konnten: "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" Lenins Imperialismustheorie und die auf dieser Grundlage entwickelte Strategie der Kommunistischen Internationale betonten seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Rolle der unterdrückten Völker und Nationen (z.B. in den Kolonien), die mit dem Proletariat der imperialistischen Zentren gegen den selben Feind kämpften: die imperialistische Bourgeoisie der kapitalistischen Länder und ihren Nationalstaat, der nun zugleich als Kolonialstaat auftrat (siehe: Grundannahmen Staat und Imperialismus). Spätestens seit den 1990er Jahren vertreten viele linke und soziale Bewegungen, aber auch sich kommunistisch nennende Parteien, die Position, im Zeitalter der sog. "Globalisierung" seien das Kapital und mit ihm die Bourgeoise "transnational" geworden. Der Nationalstaat, so eine häufige Schlussfolgerung, habe dadurch seine Souveränität verloren und sei nicht mehr das Herrschaftsinstrument der nationalen Bourgeoisien, sondern allenfalls der Transmissionsriemen, der die Interessen des "transnationalen Kapitals" auf nationaler Ebene durchsetze. Die wirklichen Entscheidungen würden in den supranationalen Institutionen und Organisationen getroffen (G8, G20, EU, IWF, WTO, Weltbank etc.). Diese Analysen haben weitreichende strategische Konsequenzen, nicht zuletzt was die Einschätzung des Charakters des bürgerlichen Nationalstaats angeht. Daraus ergeben sich Teilfragen:

  • Ist die Bourgeoisie auch heute noch wesentlich national organisiert? Oder gibt es mittlerweile ein "transnationales Kapital" und dadurch eine "transnationale Bourgeoisie", die sich von ihren nationalen Interessen und dem Nationalstaat vollständig abgelöst hat?
  • Ist der Nationalstaat immer noch das wichtigste Machtinstrument der Bourgeoise? Oder haben sich auch die Strukturen der Klassenherrschaft und der staatlichen Regulation der Kapitalakkumulation "transnationalisiert"?
  • Welche Rolle spielen zum Beispiel supranationale Institutionen wie IWF, Weltbank, WTO und NATO gegenüber den Nationalstaaten? Hat sich die "transnationale Bourgeoisie" in diesen Institutionen einen eigenen "Weltstaat" über den Nationalstaaten geschaffen? Hat der Nationalstaat dadurch seine Souveränität verloren? Oder handelt es sich hier um imperialistische Bündniskonstellationen, in deren Rahmen die jeweiligen Staaten und nationalen Bourgeoisien ihre Interessen gegen die ihrer Konkurrenten durchsetzen?
  • Was bedeutet die zunehmende Internationalisierung der Überwachungs- und Repressionsbehörden (NSA, Interpol, Frontex, etc.) für die revolutionäre Bewegung?
  • Je nach dem, wie die vorangegangenen Teilfragen beantwortet werden: Wie verändert sich dadurch der charakter des bürgerlichen Staats im Imperialismus? Bleibt er nach wie vor nationaler Terrotorialstaat, der im Wesentlichen die Interessen einer nationalen Bourgeoisie vertritt und die Arbeiterklasse im Innern sowie in seinen außerterritorialen Einflusssphären niederhält? Oder ist der bürgerliche Staat mittlerweile so stark mit dem imperialistischen Weltsystem verflochten, dass er seinen nationalen Charakter verloren hat, Teile seiner Kompetenzen an supranationale imperialistische Bündnisstrukturen abgegeben hat und nicht mehr allein auf seinem nationalen Territorium besiegt werdne kann? Ändert das etwas an der klassischen strategischen Einschätzung, dass die Proletarier in jedem Land zunächst den Kampf gegen "ihre" Bourgeoisie und "ihren" nationalen Staat führen müssen?
  • Ist "Sozialismus in einem Land" als notwendige strategische Etappe unter diesen Bedingungen noch möglich? Oder muss der "transnationale Staat" des imperialistischen Weltsystems als ganzer in einer "Weltrevolution" geschlagen werden?

Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]

[Noch in Arbeit...]

Überschneidung mit anderen AGen[Bearbeiten]

In allen hier aufgelisteten Fragen gibt es große Überschneidungen mit der AG Politische Ökonomie und der AG Deutscher Imperialismus. Alle Fragen, die die "Transnationalisierung" des Kapitals und das "imperialistische Weltsystem" betreffen, müssen in diesen AGen bearbeitet werden. Die Schlussfolgerungen auf den Charakter des bürgerlichen Nationalstaats müssen abschließend gemeinsam gezogen werden.

Arbeitsschritte[Bearbeiten]

Hier wollen wir uns in den nächsten Wochen und Monaten daran machen, "Arbeitspakete" zu schnüren, die es uns ermöglichen sollen, die aufgeworfenen offenen Fragen in einem breit angelegten kollektiven Forschungs- und Diskussionsprozess zu klären. [Noch in Arbeit...]