Produktivkraftentwickung und Arbeitsteilung

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REDAKTION FERTIG

Als Maß der Entwicklung der Gesellschaft dient der Begriff der Produktivkräfte. Produktivkräfte sind die Potenz, mit der die Menschen in der Lage sind, sich die Natur anzueignen – also zu produzieren. Die Entwicklung der Menschheit ist deswegen gleichbedeutend mit der Entwicklung der Produktivkräfte, die sich im Verlaufe der Geschichte stets weiterentwickeln.

Die Teilung der Arbeit und damit ihre Zergliederung in Einzelarbeiten fällt unmittelbar mit der Entwicklung der Produktivkräfte zusammen. Zunehmende Arbeitsteilung bedeutet stets zunehmende Produktivität. Mit der Arbeitsteilung zergliedert sich entsprechend der historischen Gesellschaftsformation auch die Gesellschaft selbst.

Schlagworte

Arbeit, Mehrarbeit, Mehrwert, Ausbeutung, Produktivität, Produktivkraft, Produktivkraftentwicklung, herrschende Klasse, besitzende Klasse, Arbeiter, Arbeitsteilung, Klassenverhältnis

Annahme 1

  • Erst eine über den unmittelbaren Bedarf hinaus produzierende Arbeit, also Produktivkraft, ermöglicht Mehrarbeit und Mehrwert.

„Wäre die Produktivität der Arbeit erst zu dem Grad entwickelt, daß die Arbeitszeit eines Mannes nur hinreichte, um ihn selbst am Leben zu erhalten, um seine eignen Lebensmittel zu produzieren und reproduzieren, so gäbe es keine Surplusarbeit und keinen Surpluswert […]. Die Möglichkeit der Surplusarbeit und des Surpluswerts daher geht von einer gegebnen Produktivkraft der Arbeit aus, einer Produktivkraft, die das Arbeitsvermögen befähigt, mehr als seinen eignen Wert wiederzuerzeugen, über die durch seinen Lebensprozeß gebotne Bedürftigkeit hinaus zu produzieren.“
Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert 1, in: MEW, Band 26.1, Berlin 1965, S. 19.


Annahme 2

  • Ausbeutung ist erst dann möglich, wenn die Produktivkräfte so weit entwickelt sind, dass über die zur Reproduktion der Arbeitskraft benötigte Arbeitszeit hinaus gearbeitet werden kann.
  • Bei jedem niedrigeren Stand der Produktivkraftentwicklung ist eine herrschende/ besitzende Klasse überflüssig.

„Braucht der Arbeiter alle seine Zeit, um die zur Erhaltung seiner selbst und seiner Race nötigen Lebensmittel zu produzieren, so bleibt ihm keine Zeit, um unentgeltlich für dritte Personen zu arbeiten. Ohne einen gewissen Produktivitätsgrad der Arbeit keine solche disponible [frei verfügbare, AG KA] Zeit für den Arbeiter, ohne solche überschüssige Zeit keine Mehrarbeit und daher keine Kapitalisten, aber auch keine Sklavenhalter, keine Feudalbarone, in einem Wort keine Großbesitzerklasse.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 534.


Annahme 3

  • Der Klassenantagonismus tritt erst mit der Möglichkeit von Mehrarbeit auf.
  • Mit voranschreitender Produktivkraftentwicklung nimmt der absolute und relative Anteil derer, die von der Arbeit anderer leben zu.

„Nur sobald die Menschen sich aus ihren ersten Tierzuständen herausgearbeitet, ihre Arbeit selbst also schon in gewissem Grad vergesellschaftet ist, treten Verhältnisse ein, worin die Mehrarbeit des einen zur Existenzbedingung des andern wird. In den Kulturanfängen sind die erworbnen Produktivkräfte der Arbeit gering, aber so sind die Bedürfnisse, die sich mit und an den Mitteln ihrer Befriedigung entwickeln. Ferner ist in jenen Anfängen die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben, verschwindend klein gegen die Masse der unmittelbaren Produzenten. Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst diese Proportion absolut und relativ.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 534f.


Annahme 4

  • Gesellschaftliche Produktion ist auf drei Ebenen arbeitsteilig.
  • Es können unterschieden werden: 1. allgemeine Arbeitsteilung nach Wirtschaftssektoren, 2. besondere Arbeitsteilung nach Branchen und Zweigen und 3. konkrete Arbeitsteilung im Betrieb.

„Hält man nur die Arbeit selbst im Auge, so kann man die Trennung der gesellschaftlichen Produktion in ihre großen Gattungen, wie Agrikultur, Industrie usw., als Teilung der Arbeit im allgemeinen, die Sonderung dieser Produktionsgattungen in Arten und Unterarten als Teilung der Arbeit im besondren, und die Teilung der Arbeit innerhalb einer Werkstatt als Teilung der Arbeit im einzelnen bezeichnen.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 371.


Annahme 5

  • Die notwendige Arbeit der ganzen Gesellschaft verselbständigt sich durch Arbeitsteilung in besondere Arbeitsfunktionen.
  • Alle Arbeitsfunktionen lösen sich in Arbeitszeit auf.
  • Wieviel Arbeitszeit zur Verfügung steht, hängt von der Menge der arbeitsfähigen Individuen und der Entwicklung der Produktivkräfte ab.

„Wird die ganze Gesellschaft als ein Individuum betrachtet, so bestünde die notwendige Arbeit in der Summe aller der besondren Arbeitsfunktionen, die durch die Teilung der Arbeit verselbständigt sind. Das eine Individuum müßte z. B. soviel Zeit für Ackerbau verwenden, soviel für Industrie, soviel für Handel, soviel zur Herstellung von Instrumenten, soviel […] für Wegbau und Kommunikationsmittel. Alle diese Notwendigkeiten lösen sich auf in soviel Arbeitszeit, die auf verschiedne Zwecke gerichtet und in besonderten [sic] Tätigkeiten verausgabt werden muß. Wieviel solche Arbeitszeit verwandt werden kann, hinge vom Quantum des Arbeitsvermögens ab ([gleich] der Masse der arbeitsfähigen Individuen, die die Gesellschaft konstituieren) und von der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit (der Produktenmasse, die sie in gegebner Zeit schaffen kann).“
Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Band 42, Berlin 1975, 432f.


Annahme 6

  • Mit zunehmender Vergesellschaftung der Arbeit nimmt die Kontrolle der Arbeit durch andere zu.
  • Mit zunehmender Vergesellschaftung der Arbeit werden Kopf- und Handarbeit des Individuums widernatürlich geschieden und durch den Gesamtarbeiter geleistet.
  • Produktiv arbeitet dann nicht mehr nur der, der den Mehrwert durch seiner Hände Arbeit schafft, sondern auch der, der diese Arbeit kontrolliert.

„Soweit der Arbeitsprozeß ein rein individueller [ist, AG KA], vereinigt derselbe Arbeiter alle Funktionen, die sich später trennen. In der individuellen Aneignung von Naturgegenständen zu seinen Lebenszwecken kontrolliert er [der Arbeiter, AG KA] sich selbst. Später wird er kontrolliert. Der einzelne Mensch kann nicht auf die Natur wirken ohne Betätigung seiner eignen Muskeln unter Kontrolle seines eignen Hirns. Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozeß Kopfarbeit und Handarbeit. Später scheiden sie sich bis zum feindlichen Gegensatz. Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Produkt des individuellen Produzenten in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Gesamtarbeiters, d.h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes näher oder ferner stehn. Mit dem kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzulegen; es genügt, Organ des Gesamtarbeiters zu sein, irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehn.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 531.


Annahme 7

  • Je weiter die Produktivkräfte entwickelt sind, desto arbeitsteiliger wird eine Gesellschaft.
  • Mit der zunehmenden Arbeitsteilung verändern sich auch die Eigentumsformen, also die Stellung des Individuums zu den Produktionsmitteln und zum Produkt der Arbeit.

„Wie weit die Produktionskräfte einer Nation entwickelt sind, zeigt am augenscheinlichsten der Grad, bis zu dem die Teilung der Arbeit entwickelt ist. Jede neue Produktivkraft, sofern sie nicht eine bloß quantitative Ausdehnung der bisher schon bekannten Produktivkräfte ist (z. B. Urbarmachung von Ländereien), hat eine neue Ausbildung der Teilung der Arbeit zur Folge.

Die Teilung der Arbeit innerhalb einer Nation führt zunächst die Trennung der industriellen und kommerziellen von der ackerbauenden Arbeit und damit die Trennung von Stadt und Land und den Gegensatz der Interessen Beider herbei. Ihre weitere Entwicklung führt zur Trennung der kommerziellen Arbeit von der industriellen. Zu gleicher Zeit entwickeln sich durch die Teilung der Arbeit innerhalb dieser verschiednen Branchen wieder verschiedene Abteilungen unter den zu bestimmten Arbeiten zusammenwirkenden Individuen. Die Stellung dieser einzelnen Abteilungen gegeneinander ist bedingt durch die Betriebsweise der ackerbauenden, industriellen und kommerziellen Arbeit (Patriarchalismus, Sklaverei, Stände, Klassen). Dieselben Verhältnisse zeigen sich bei entwickelterem Verkehr in den Beziehungen verschiedner Nationen zueinander.

Die verschiedenen Entwicklungsstufen der Teilung der Arbeit sind ebensoviel verschiedene Formen des Eigentums; d. h., die jedesmalige Stufe der Teilung der Arbeit bestimmt auch die Verhältnisse der Individuen zueinander in Beziehung auf das Material, Instrument und Produkt der Arbeit.“
Marx Karl/ Engels Friedrich: Die deutsche Ideologie, in: MEW, Band 3, Berlin 1978, S. 21f.


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