Notwendigkeit und Voraussetzungen für den Sozialismus

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Schlagworte

Notwendigkeit des Sozialismus, Entwicklung der Produktivkräfte, Revolution in einem Land, Weltrevolution

Entwicklung der Produktivkräfte ist Triebkraft und Voraussetzung für den Sozialismus zugleich[Bearbeiten]

Annahme 1

  • Die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise ist die einzige Vorbedingung einer schrankenlosen Steigerung der Produktivkräfte.
  • Sowohl die künstliche Hemmung der Produktion, als auch die Verschwendung von Produktivkräften und Produkten wird mit der gesellschaftlichen Aneignung der Produktionsmittel beseitigt.
  • Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über den Produzenten.
  • Die Anarchie der Produktion wird durch eine planmäßige bewusste Organisation ersetzt.
  • Mit der eigenen Vergesellschaftung werden die Menschen von den Sklaven der Gesetze ihres eigenen gesellschaftlichen Tuns zu dessen Herren – die Menschheit vollzieht den Sprung aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit.
  • Jede Umwälzung der Eigentumsordnung ist eine notwendige Folge der Erzeugung neuer Produktivkräfte, welche sich nicht den bisherigen Produktionsverhältnissen fügen wollen.
  • Eine Klassengesellschaft ist notwendig, solange der Stand der gesellschaftlichen Produktivkräfte nicht ausreicht um sowohl alle Menschen zu versorgen als auch einen Überschuss zur Weiterentwicklung der Produktivkräfte zu erzeugen. Dieser Entwicklungsstand der Produktivkräfte ist eingetreten, insofern ist eine Abschaffung des Privateigentums möglich und notwendig.


„ Die Expansionskraft der Produktionsmittel sprengt die Bande, die ihr die kapitalistische Produktionsweise angelegt. Ihre Befreiung aus diesen Banden ist die einzige Vorbedingung einer ununterbrochenen, stets rascher fortschreitenden Entwicklung der Produktivkräfte und damit einer praktisch schrankenlosen Steigerung der Produktion selbst. Damit nicht genug. Die gesellschaftliche Aneignung der Produktionsmittel beseitigt nicht nur die jetzt bestehende künstliche Hemmung der Produktion, sondern auch die positive Vergeudung und Verheerung von Produktivkräften und Produkten, die gegenwärtig die unvermeidliche Begleiterin der Produktion ist und ihren Höhepunkt in den Krisen erreicht. Sie setzt ferner eine Masse von Produktionsmitteln und Produkten für die Gesamtheit frei durch Beseitigung der blödsinnigen Luxusverschwendung der jetzt herrschenden Klassen und ihrer politischen Repräsentanten. Die Möglichkeit, vermittelst der gesellschaftlichen Produktion allen Gesellschaftsgliedern eine Existenz zu sichern, die nicht nur materiell vollkommen ausreichend ist und von Tag zu Tag reicher wird, sondern die ihnen auch die vollständige freie Ausbildung und Betätigung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen garantiert, diese Möglichkeit ist jetzt zum erstenmal da, aber sie ist da. Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die Produzenten. Die Anarchie innerhalb der gesellschaftlichen Produktion wird ersetzt durch planmäßige bewußte Organisation. Der Kampf ums Einzeldasein hört auf. Damit erst scheidet der Mensch, in gewissem Sinn, endgültig aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in wirklich menschliche. Der Umkreis der die Menschen umgebenden Lebensbedingungen, der die Menschen bis jetzt beherrschte, tritt jetzt unter die Herrschaft und Kontrolle der Menschen, die nun zum ersten Male bewußte, wirkliche Herren der Natur, weil und indem sie Herren ihrer eignen Vergesellschaftung werden. Die Gesetze ihres eignen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegenüberstanden, werden dann von den Menschen mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht. Die eigne Vergesellschaftung der Menschen, die ihnen bisher als von Natur und Geschichte oktroyiert gegenüberstand, wird jetzt ihre eigne freie Tat. Die objektiven, fremden Mächte, die bisher die Geschichte beherrschten, treten unter die Kontrolle der Menschen selbst. Erst von da an werden die Menschen ihre Geschichte mit vollem Bewußtsein selbst machen, erst von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Maße auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reiche der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit. “
Engels: Anti-Dühring, MEW, Band 20, S. 263 f.


„ 15. Frage: Die Abschaffung des Privateigentums war also früher nicht möglich?

Antwort: Nein. Jede Veränderung in der gesellschaftlichen Ordnung, jede Umwälzung der Eigentumsverhältnisse ist die notwendige Folge der Erzeugung neuer Produktivkräfte gewesen, welche den alten Eigentumsverhältnissen sich nicht mehr fügen wollten. Das Privateigentum selbst ist so entstanden. Denn das Privateigentum hat nicht immer existiert, sondern, als gegen das Ende des Mittelalters in der Manufaktur eine neue Art der Produktion erschaffen wurde, welche sich dem damaligen feudalen und Zunfteigentum nicht unterordnen ließ, da erzeugte diese, den alten Eigentumsverhältnissen entwachsene Manufaktur eine neue Eigentumsform, das Privateigentum. Für die Manufaktur und für die erste Entwicklungsstufe der großen Industrie war aber keine andere Eigentumsform möglich als das Privateigentum, keine andre Gesellschaftsordnung als die auf dem Privateigentum beruhende. Solange nicht so viel produziert werden kann, daß nicht nur für alle genug vorhanden ist, sondern auch noch ein Überschuß von Produkten zur Vermehrung des gesellschaftlichen Kapitals und zur weiteren Ausbildung der Produktivkräfte bleibt, solange muß es immer eine herrschende, über die Produktivkräfte der Gesellschaft verfügende und eine arme, unterdrückte Klasse geben. Wie diese Klassen beschaffen sein werden, wird von der Entwicklungsstufe der Produktion abhängen. Das vom Landbau abhängige Mittelalter gibt uns den Baron und den Leibeigenen, die Städte des späteren Mittelalters zeigen uns den Zunftmeister und den Gesellen und Tagelöhner, das siebzehnte Jahrhundert hat den Manufakturisten und den Manufakturarbeiter, das neunzehnte den großen Fabrikanten und den Proletarier.
Es ist klar, das bisher die Produktivkräfte noch nicht so weit entwickelt waren, daß für alle genug produziert werden konnte, und daß das Privateigentum für diese Produktivkräfte eine Fessel, eine Schranke geworden war. Jetzt aber, wo durch die Entwicklung der großen Industrie erstens Kapitalien und Produktivkräfte in einem nie vorher gekannten Maße erzeugt und die Mittel vorhanden sind, diese Produktivkräfte in kurzer Zeit ins unendliche zu vermehren; wo zweitens diese Produktivkräfte in den Händen weniger Bourgeois zusammengedrängt sind, während die große Masse des Volks immer mehr zu Proletariern wird, während ihre Lage in demselben Maße elender und unerträglicher wird, in welchem die Reichtümer der Bourgeois sich vermehren; wo drittens diese gewaltigen und leicht zu vermehrenden Produktivkräfte so sehr dem Privateigentum und den Bourgeois über den Kopf gewachsen sind, daß sie jeden Augenblick die gewaltsamsten Störungen in der gesellschaftlichen Ordnung hervorrufen, jetzt erst ist die Aufhebung des Privateigentums nicht nur möglich, sondern sogar durchaus notwendig geworden. “
Engels: Grundsätze des Kommunismus, MEW Bd. 4, S. 371 ff.


Annahme 2

  • Es gibt ökonomische, soziale, kulturelle und politische Hauptvoraussetzungen für den Aufbau des Sozialismus, die sich vorher unter kapitalistischen Verhältnissen entwickeln müssen. Diese Hauptvoraussetzungen sind unter anderem eine maschinelle Großindustrie, sowie ein entwickeltes Transport- Kommunikations- und Volksbildungswesen.
  • Die Abschaffung des Privateigentums ist nicht mit einem Schlag möglich.
  • Erst müssen sich die Produktivkräfte bis zu einem gewissen Grad vervielfältigen und die Produktionsmittel bis zu einem gewissen Grad zentralisieren, dann kann das Privateigentum abgeschafft werden.
  • Die Produktivkräfte müssen soweit entwickelt sein, dass eine planmäßige gesamtstaatliche Organisation und Entwicklung der Wirtschaft möglich wird.
  • Ausgehend von einer ökonomisch dominierenden Kleinproduktion ist der unmittelbare Übergang zum Sozialismus nicht möglich. Die bewusste Anwendung des Kapitalismus in Form des Staatskapitalismus ist in diesem Szenario unvermeidlich, da er Produkt der Kleinproduktion und Kettenglied zwischen der Kleinproduktion und dem Sozialismus ist. Die zentrale Aufgabe des bewusst angewandten Kapitalismus ist die Steigerung der Produktivkräfte.


„ 17. Frage: Wird die Abschaffung des Privateigentums mit einem Schlage möglich sein?

Antwort: Nein, ebensowenig wie sich mit einem Schlage die schon bestehenden Produktivkräfte so weit werden vervielfältigen lassen, als zur Herstellung der Gemeinschaft nötig ist. Die aller Wahrscheinlichkeit nach eintretende Revolution des Proletariats wird also nur allmählich die jetzige Gesellschaft umgestalten und erst dann das Privateigentum abschaffen können, wenn die dazu nötige Masse von Produktionsmitteln geschaffen ist. “
Engels: Grundsätze des Kommunismus, MEW Bd. 4, S. 372


„ Der Sozialismus ist undenkbar ohne großkapitalistische Technik, die nach dem letzten Wort modernster Wissenschaft aufgebaut ist, ohne planmäßige staatliche Organisation, die Dutzende Millionen Menschen zur strengsten Einhaltung einer einheitlichen Norm in der Erzeugung und Verteilung der Produkte anhält. “
Lenin: Über „linke“ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit, Werke, Bd. 27, S. 332


„ Man kann sagen, daß die Aufgabe [einer ökonomischen Reorganisation von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaft, Anm. KO] in zwei Hauptaufgaben zerfällt: 1) Rechnungsführung und Kontrolle über die Produktion und die Verteilung der Produkte in den umfassendsten, allerorts geltenden und universalen Formen dieser Rechnungsführung und der Kontrolle und 2) Steigerung der Arbeitsproduktivität. Diese Aufgaben können von einer beliebigen Gemeinschaft oder von einem beliebigen Staat, der zum Sozialismus übergeht, nur unter der Bedingung gelöst werden, daß die ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Hauptvoraussetzungen dafür vom Kapitalismus in genügendem Maße geschaffen worden sind. Ohne maschinelle Großindustrie, ohne mehr oder weniger entwickeltes Eisenbahnnetz, Post- und Telegraphenwesen, ohne mehr oder weniger entwickeltes Netz von Volksbildungseinrichtungen könnte zweifellos weder die eine noch die andere Aufgabe auf systematische Weise und in einem das ganze Volk umfassenden Umfang gelöst werden. “
Lenin: ? W.I. Lenin, Gesammelte Werke, Bd. 36, S. 131, russ. und W.I. Lenin. Über die materiell-technische Basis des Kommunismus. APN-Verlag, Moskau: 1970, S. 26f. (Anmerkung der KO: nur in der russischen Ausgabe zu finden)


„ ‘Der Kapitalismus ist ein Übel, der Sozialismus ein Segen.’ Aber diese Betrachtung ist unrichtig, denn sie vergißt die Gesamtheit der vorhandenen gesellschaftlichen Wirtschaftsformen, von denen sie nur zwei herausgreift. Der Kapitalismus ist ein Übel gegenüber dem Sozialismus. Der Kapitalismus ist ein Segen gegenüber dem Mittelalter, gegenüber der Kleinproduktion, gegenüber dem mit der Zersplitterung der Kleinproduzenten zusammenhängenden Bürokratismus. Insofern wir noch nicht imstande sind, den unmittelbaren Übergang von der Kleinproduktion zum Sozialismus zu verwirklichen, insofern ist der Kapitalismus in gewissem Maße unvermeidlich als das elementar entstehende Produkt der Kleinproduktion und des Austausches, und insofern müssen wir uns den Kapitalismus zunutze machen (besonders indem wir ihn in das Fahrwasser des Staatskapitalismus leiten) als vermittelndes Kettenglied zwischen der Kleinproduktion und dem Sozialismus, als Mittel, Weg, Behelf, Methode zur Steigerung der Produktivkräfte. “
Lenin: Über die Naturalsteuer, LW 32, S. 364


Ungleichmäßigkeit der Entwicklung, Sozialismus in einem Land[Bearbeiten]

Annahme 1

  • Die sozialistische Revolution wird sich gleichzeitig (zumindest in den entwickelten Industrieländern) vollziehen, und keine rein nationale Entwicklung sein. Die Geschwindigkeit der Entwicklung der Revolution hängt von der Entwicklung der Produktivkräfte ab.
  • Die ökonomische und politische Entwicklung kapitalistischer Staaten ist gesetzmäßig ungleichmäßig.
  • Der Sieg des Sozialismus wird deshalb nur etappenweise möglich sein.
  • Nach der Sicherung der Revolution in nationaler Form unterstützt das siegreiche Proletariat die Klassenkämpfe im internationalen Rahmen.
  • Der Kampf gegen die Bourgeoisie ist der Form nach zunächst national. Der Inhalt des Kampfes ist international.


„ Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden. “
Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S.473


„ 19. Frage: Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können?

Antwort: Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. Sie hat ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung so weit gleichgemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. Sie wird sich in jedem dieser Länder rascher oder langsamer entwickeln, je nachdem das eine oder das andre Land eine ausgebildetere Industrie, einen größeren Reichtum, eine bedeutendere Masse von Produktivkräften besitzt. Sie wird daher in Deutschland am langsamsten und schwierigsten, in England am raschesten und leichtesten durchzuführen sein. Sie wird auf die übrigen Länder der Welt ebenfalls eine bedeutende Rückwirkung ausüben und ihre bisherige Entwicklungsweise gänzlich verändern und sehr beschleunigen. Sie ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein universelles Terrain haben. “
Engels: Grundsätze des Kommunismus, MEW Band 4, S.374


„ Die Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung ist ein unbedingtes Gesetz des Kapitalismus. Hieraus folgt, daß der Sieg des Sozialismus zunächst in wenigen kapitalistischen Ländern oder sogar in einem einzeln genommenen Lande möglich ist. Das siegreiche Proletariat dieses Landes würde sich nach Enteignung der Kapitalisten und nach Organisierung der sozialistischen Produktion im eigenen Lande der übrigen, der kapitalistischen Welt entgegenstellen, würde die unterdrückten Klassen der anderen Länder auf seine Seite ziehen, in diesen Ländern den Aufstand gegen die Kapitalisten entfachen und notfalls sogar mit Waffengewalt gegen Ausbeuterklassen und ihre Staaten vorgehen. “
Lenin: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, LW 21, S.345 f.