Nichtproletarische Klassen

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Selbstarbeitende Eigentümer[Bearbeiten]

Selbstarbeitende Eigentümer verfügen einerseits über ihre Produktionsbedingungen, andererseits sind sie – im Gegensatz zu Kapitalisten – darauf angewiesen, ihre Arbeitskraft im Produktionsprozess zu verausgaben.

Schlagworte

Kleinbürger, Produktionsmittel, kleine Kapitalisten, Eigentümer, Aneignung, fremde Arbeit, Handwerker, Kleinbauern, alte Produktionsweise

Annahme 1

  • Muss der Eigentümer der Produktionsmittel selbst arbeiten und verwertet keine fremde Arbeit, stellen die Produktionsmittel kein Kapital dar.

„Zersplitterte Produktionsmittel, die den Produzenten selbst als Beschäftigungs- und Subsistenzmittel dienen, ohne sich durch Einverleibung fremder Arbeit zu verwerten, sind ebensowenig Kapital, als das von seinem eigenen Produzenten verzehrte Produkt Ware ist. Wenn mit der Volksmasse auch die Masse der in der Agrikultur angewandten Produktionsmittel abnahm, so nahm die Masse des in ihr angewandten Kapitals zu, weil ein Teil früher zersplitterter Produktionsmittel in Kapital verwandelt ward.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 731.


Annahme 2

  • Der Eigentümer von Produktionsmitteln muss seine ganze Zeit der Aneignung und Kontrolle fremder Arbeit und dem Verkauf der Produkte widmen, um als personifiziertes Kapital, also als Kapitalist, zu gelten.

„Aus der bisherigen Betrachtung der Produktion des Mehrwerts ergibt sich, daß nicht jede beliebige Geld- oder Wertsumme in Kapital verwandelbar, zu dieser Verwandlung vielmehr ein bestimmtes Minimum von Geld oder Tauschwert in der Hand des einzelnen Geld- oder Warenbesitzers vorausgesetzt ist. Das Minimum von variablem Kapital ist der Kostenpreis einer einzelnen Arbeitskraft, die das ganze Jahr durch, tagaus, tagein, zur Gewinnung von Mehrwert vernutzt [sic] wird. Wäre dieser Arbeiter im Besitz seiner eignen Produktionsmittel und begnügte er sich, als Arbeiter zu leben, so genügte ihm die zur Reproduktion seiner Lebensmittel notwendige Arbeitszeit, sage von 8 Stunden täglich. Er brauchte also auch nur Produktionsmittel für 8 Arbeitsstunden. Der Kapitalist dagegen, der ihn außer diesen 8 Stunden sage 4. Stunden Mehrarbeit verrichten läßt, bedarf einer zusätzlichen Geldsumme zur Beschaffung der zusätzlichen Produktionsmittel. Unter unsrer Annahme jedoch müßte er schon zwei Arbeiter anwenden, um von dem täglich angeeigneten Mehrwert wie ein Arbeiter leben, d.h. seine notwendigen Bedürfnisse befriedigen zu können. In diesem Fall wäre bloßer Lebensunterhalt der Zweck seiner Produktion, nicht Vermehrung des Reichtums, und das letztre ist unterstellt bei der kapitalistischen Produktion. Damit er nur doppelt so gut lebe wie ein gewöhnlicher Arbeiter und die Hälfte des produzierten Mehrwerts in Kapital zurückverwandle, müßte er zugleich mit der Arbeiterzahl das Minimum des vorgeschoßnen Kapitals um das Achtfache steigern. Allerdings kann er selbst, gleich seinem Arbeiter, unmittelbar Hand im Produktionsprozesse anlegen, aber ist dann auch nur ein Mittelding zwischen Kapitalist und Arbeiter, ein ‚kleiner Meister‘. Ein gewisser Höhegrad der kapitalistischen Produktion bedingt, daß der Kapitalist die ganze Zeit, während deren er als Kapitalist, d.h. als personifiziertes Kapital funktioniert, zur Aneignung und daher Kontrolle fremder Arbeit und zum Verkauf der Produkte dieser Arbeit verwenden könne. Die Verwandlung des Handwerksmeisters in den Kapitalisten suchte das Zunftwesen des Mittelalters dadurch gewaltsam zu verhindern, daß es die Arbeiteranzahl, die ein einzelner Meister beschäftigen durfte, auf ein sehr geringes Maximum beschränkte. Der Geld- oder Warenbesitzer verwandelt sich erst wirklich in einen Kapitalisten, wo die für die Produktion vorgeschoßne Minimalsumme weit über dem mittelaltrigen Maximum steht. Hier, wie in der Naturwissenschaft, bewährt sich die Richtigkeit des von Hegel in seiner ‚Logik‘ entdeckten Gesetzes, daß bloß quantitative Verändrungen auf einem gewissen Punkt in qualitative Unterschiede umschlagen.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 326f.


Annahme 3

  • Ein Kleinbauer unterscheidet sich wie der kleine Handwerker vom Proletarier durch den Besitz der Arbeitsmittel.
  • Diese Gruppen sind Überreste der alten Produktionsweise.

„Unter Kleinbauer verstehen wir hier den Eigentümer oder Pächter – namentlich den ersteren – eines Stückchens Land, nicht größer, als er mit seiner eignen Familie in der Regel bebauen kann, und nicht kleiner, als was die Familie ernährt. Dieser Kleinbauer, wie der kleine Handwerker, ist also ein Arbeiter, der sich vom modernen Proletarier dadurch unterscheidet, daß er noch im Besitz seiner Arbeitsmittel ist; also ein Überbleibsel einer vergangnen Produktionsweise. […] [K]urz, unser Kleinbauer ist wie jeder Überrest einer vergangnen Produktionsweise unrettbar dem Untergang verfallen. Er ist ein zukünftiger Proletarier.“
Engels, Friedrich: Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland, in: MEW, Band 22, Berlin 1977, S. 488f.


Öffentliche und private Dienerklassen[Bearbeiten]

Schlagworte

Staat, Konsumtion, Bedienstete, höhere Arbeiter, unproduktive Arbeit, Produktivkraftentwicklung, dienende Klasse, Revenue

Annahme 1

  • Die Staatskosten sind Abzug von der Revenue.

„Übrigens der Staat selbst und was drum und dran hängt, gehört zu diesen Abzügen von der Revenu [sic], sozusagen den Konsumtionskosten für den einzelnen, den Produktionskosten für die Gesellschaft.“
Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Band 42, Berlin 1983, S. 438.


Annahme 2

  • Es gibt Arbeiter, wie Staatsbedienstete, Ärzte oder Militärs, die für die Bourgeoisie nicht produktiv sind, aber notwendig.
  • Diese überflüssigen Produktionskosten sollen auf das notwendigste Minimum reduziert werden.

„Der großen Masse sog. ‚höherer‘ Arbeiter – wie der Staatsbeamten, Militärs, Virtuosen, Ärzte, Pfaffen, Richter, Advokaten usw. –, die zum Teil nicht nur nicht produktiv sind, sondern wesentlich destruktiv, aber sehr großen Teil des ‚materiellen‘ Reichtums teils durch Verkauf ihrer ‚immateriellen‘ Waren, teils durch gewaltsame Aufdrängung derselben sich anzueignen wissen, war es keineswegs angenehm, ökonomisch in dieselbe Klasse mit den buffoons und menial servants [FN: Possenreißern und Dienstboten] verwiesen zu werden und bloß als Mitkonsumenten, Parasiten der eigentlichen Produzenten (oder vielmehr Produktionsagenten) zu erscheinen. Es war dies eine sonderbare Entheiligung grade der Funktionen, die bisher mit einem Heiligenschein umgeben waren, abergläubische Verehrung genossen. Die politische Ökonomie in ihrer klassischen Periode, ganz wie die Bourgeoisie selbst in ihrer Parvenuperiode, verhält sich streng und kritisch zu der Staatsmaschinerie etc. Später sieht sie ein und – zeigt sich auch praktisch – lernt sie durch die Erfahrung, daß aus ihrer eignen Organisation die Notwendigkeit der ererbten Gesellschaftskombination aller dieser zum Teil ganz unproduktiven Klassen hervorwächst.

Soweit jene ‚unproduktiven Arbeiter‘ nicht Genüsse schaffen und ihr Kauf daher ganz abhängt von der Art, wie der Produktionsagent sein Salair oder seinen Profit verausgaben will - sofern sie vielmehr teils durch physische Gebrechen (wie Ärzte) oder geistige Schwächen (wie Pfaffen) oder durch den Konflikt der Privatinteressen und der Nationalinteressen (wie Staatsleute, alle lawyers [FN: Jursiten], Polizisten, Soldaten) nötig werden oder sich selbst nötig machen, erscheinen sie dem A. Smith wie dem industriellen Kapitalisten selbst und der Arbeiterklasse als faux frais de production, die also möglichst auf das notwendigste Minimum zu reduzieren und möglichst wohlfeil herzustellen sind. Die bürgerliche Gesellschaft produziert alles das in ihrer eignen Form wieder, was sie in feudaler oder absolutistischer Form bekämpft hatte.“
Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert 1, in: MEW, Band 26.1, Berlin 1965, S. 145.


Annahme 3

  • Eine erhöhte Produktivität erlaubt einem größeren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv zu werden.

„Endlich erlaubt die außerordentlich erhöhte Produktivkraft in den Sphären der großen Industrie, begleitet, wie sie ist, von intensiv und extensiv gesteigerter Ausbeutung der Arbeitskraft in allen übrigen Produktionssphären, einen stets größren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv zu verwenden und so namentlich die alten Haussklaven unter dem Namen der ‚dienenden Klasse‘, wie Bediente, Mägde, Lakaien usw., stets massenhafter zu reproduzieren.“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Band 23, Berlin 1962, S. 469.


Annahme 4

  • Aufsicht und Durchführung der Ausbeutung von Arbeitskraft überlassen die ökonomisch Herrschenden bediensteten Aufsehern.

„Daß die Herrschaft, wie im politischen, so im ökonomischen Gebiet, den Gewalthabern die Funktionen des Herrschens auflegt, d.h. auf ökonomischem Gebiet also, daß sie verstehn müssen, die Arbeitskraft zu konsumieren – sagt Aristoteles mit dürren Worten und fügt hinzu, daß kein großes Wesen mit dieser Aufsichtsarbeit zu machen sei, weshalb der Herr, sobald er vermögend genug ist, die ‚Ehre‘ dieser Plackerei einem Aufseher überläßt“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 3, in: MEW, Band 25, Berlin 1964, S. 398.


Annahme 5

  • Die Bediensteten werden von Profiten bezahlt.

„Wir haben vorher gesehn, daß die industriellen Kapitalisten ‚mit einem Teil ihrer Profite den ganzen Teil ihrer Konsumtion, bestimmt zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse, bezahlen‘. Gesetzt also, ihre Profite seien [gleich] 200Pfd.St. 100Pfd.St. z.B. verzehren sie für ihre individuelle Konsumtion. Aber die andre Hälfte [ist gleich] 100 Pfd. St. gehört nicht ihnen, sondern den müßigen Kapitalisten, d.h. den Grundrentlern und den auf Zins leihenden Kapitalisten. Sie haben also 100 Pfd.St. Geld an diese Gesellschaft zu zahlen. Wir wollen nun sagen, von diesem Geld brauchen diese letztren 80 Pfd. St. zu ihrer eignen Konsumtion und 20 Pfd.St. zum Kauf von Bedienten etc. Sie kaufen also mit den 80Pfd.St. Konsumtionsmittel von den industriellen Kapitalisten. Damit strömen diesen, während sich für 80 Pfd. St. Produkt von ihnen entfernt, 80 Pfd. St. Geld zurück oder 4/5 von den 100 Pfd.St., die sie an die müßigen Kapitalisten unter den Namen Rente, Zins etc. gezahlt haben. Ferner die Bedientenklasse, die direkten Lohnarbeiter der müßigen Kapitalisten, haben von ihren Herrschaften 20 Pfd.St. erhalten“
Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 2, in: MEW, Band 24, Berlin 1963, S. 480f.


Annahme 6

  • Die arbeitende Klasse lebt vom (eingesetzten, variablen) Kapital, die dienende Klasse vom Revenue des Kapitals.

„[W]ie dem Schaffen der Surplusarbeit [Mehrarbeit, AG KA] auf der einen Seite entspricht ein Schaffen von Minus-Arbeit, relativer idleness [FN: Untätigkeit] (oder nichtproduktiver Arbeit im besten Fall) auf der andren. Es versteht sich dies erstens vom Kapital von selbst; dann aber auch den Klassen, mit denen es teilt; also von den vom Surplusproduce [FN: Mehrprodukt] lebenden Paupers [FN: Armen], flunkeys [FN: Lakaien], Jenkinses [FN: Speichelleckern] etc., kurz, dem ganzen train von retainers [FN: Gefolge von Dienstmannen]; dem Teil der dienenden Klasse, der nicht von Kapital, sondern von Revenue lebt. Wesentlicher Unterschied dieser dienenden und der arbeitenden Klasse.“
Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Band 42, Berlin 1983, S. 314f.


Intelligenz[Bearbeiten]

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