In welchem Verhältnis wirkten nach dem 2. WK die Pläne der Westalliierten UND das deutsche Monopolkapital beim Wiedererstarken des deutschen Imperialismus?

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Einführung[Bearbeiten]

Um das Wesen des heutigen deutschen Imperialismus und den Charakter seiner Bündnisse zu verstehen, ist es notwendig, seine Vergangenheit zu analysieren. Diese offene Frage bezieht sich auf das Wirken des deutschen Imperialismus seit der Nachkriegszeit.

Voraussetzungen und Arbeitsschritte[Bearbeiten]

Unser theoretisches Rüstzeug für die Untersuchung sind zunächst die fünf Hauptmerkmale nach Lenin´s Imperialismustheorie, die die AG PolÖk im Allgemeinen und diese AG bezogen auf den deutschen Imperialismus untersucht.

„Die Kapitalisten teilen die Welt nicht etwa aus besonderer Bosheit unter sich auf, sondern weil die erreichte Stufe der Konzentration sie zwingt, diesen Weg zu beschreiten, um Profit zu erzielen; dabei wird die Teilung 'nach dem Kapital', 'nach der Macht' vorgenommen - eine andere Methode der Teilung kann es im System der Warenproduktion und des Kapitalismus nicht geben. Die Macht aber wechselt mit der ökonomischen und politischen Entwicklung ...“
Lenin; 1917; Die Aufteilung der Welt unter die Kapitalistenverbände in: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 22; S.257ff


Auch relevant sind unsere Grundannahme und Offene Frage zur raschen Entwicklung der deutschen Ökonomie, die im 19. Jahrhundert noch der Nachzügler unter den Großmächten war. Inwieweit das Auswirkungen bis in die Nachkriegszeit des 2. Weltkriegs haben könnte, untersucht ein weiterer Dissenstext.

Weiterhin muss zunächst die Prämisse - dass die deutsche Nation und ihre Ökonomie wiedererstarkt ist - geprüft werden. Die kommunistische Bewegung scheint in diesem Punkt allerdings keine kontroversen Diskussionen zu führen. Wie es Niemeyer mit ihrem Artikel "Der BRD-Imperialismus nach 1989" ausgedrückt hat

„ Mit der Einverleibung der DDR ist es dem deutschen Imperialismus endgültig gelungen, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, das Potsdamer Abkommen, zu revidieren. Territorial gestärkt meldet er seitdem immer deutlicher seine Ansprüche nach "Gleichbehandlung" und "Normalität" an, heißt: Er möchte wieder gleichermaßen und ungehindert an den Beutezügen in der Welt teilnehmen.

Von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt und unbehelligt dringt er dabei auch in jene Regionen vor, die bisher der Konkurrenz, insbesondere dem US-Imperialismus, "gehörten", gerne hinter der unschuldigen Fassade des "ehrlichen Maklers".“
Eva Niemeyer;2009; Der BRD-Imperialismus nach 1989: Von territorialer zu hegemonialer Expansion; Offen-siv 2009-8


Ein oft zitiertes Indiz ist der Appell des deutschen Außenminister Kinkel 1993, einen erneuten Anlauf des deutschen Staates (zum Griff nach der Weltmacht, diesen Zusatz hatte er vornehm ausgelassen) zu forcieren:

„ ... nach Außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potential entspricht ... Wir sind auf Grund unserer Mittellage, unserer Größe und unserer traditionellen Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa dazu prädestiniert, den Hauptvorteil aus der Rückkehr dieser Staaten nach Europa zu ziehen. Dies gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Stellung der deutschen Sprache und Kultur in Europa “
Klaus Kinkel; 1993; Verantwortung, Realismus, Zukunftssicherung. Deutsche Außenpolitik in einer sich neu ordnenden Welt. In: FAZ, 19. März 1993

Erstmals wurden Pläne, dass Deutschland weiter Weltmacht bleiben sollte, sogar schon 1943 durch den später als Vorzeigepolitiker gefeierten Wirtschaftsminister Ludwig Erhard geschmiedet [1].


Dieser oberflächlich festgestellte Konsens ist allerdings nicht ausreichend, um ein Wiedererstarken des deutschen Imperialismus nach dem 2. Weltkrieg zu beweisen. Es ist also zum einen zu zeigen, dass die deutsche herrschende Klasse nach dem 2. Weltkrieg am Boden lag. Wie beispielsweise das Autorenkollektiv von "Heute Europa, morgen die Welt" erklärt [1]: Die "Stunde Null" gab es 1945 ebenso wenig wie 1918 nach der Kapitulation im Ersten Weltkrieg, als das Deutsche Reich zum ersten Mal militärisch nach der Weltmacht griff und scheiterte..

Zum anderen müssen wir nachweisen dass der deutsche Staat seitdem wieder eine der weltweiten Hegemonialmächte wurde. Auch mit der Frage nach den Krisenstrategien der BRD nach dem 2. Weltkrieg sind Schnittmengen wahrscheinlich, und die von ihr ausgehende Gefahr untersuchen wir ebenfalls mit einem Dissenstext. Für diese Analyse die Entwicklung der Bourgeoisie bis heute können wir die Methodik von Lenin, bspw. Gossweiler und Opitz zur Untersuchung von Kapitalfraktionen und ihren Dynamiken angeschaut werden und daraus abgeleitet werden, wie das Wiedererstarken des deutschen Imperialismus nachzuzeichnen ist: Wie war das deutsche Kapital aufgebaut, strukturiert und welche Strategien bis heute in welchen Epochen dominant. Wie konnten sich diese Strategien durch die politischen Vertreter der BRD vermittelt durchsetzen? Die gesamten Ergebnisse der erwähnten Dissense und der Analyse sollten diese Teilfrage des Wiedererstarkens beantworten. Die kommunistische Bewegung scheint sich hier allerdings weitgehend einig zu sein, wie auch der Dissenstext zur Aggressivität der BRD zeigt.

Nachdem also das Wiedererstarken der deutschen Bourgeoisie bestätigt ist, bleibt die Dynamik dieses Prozesses zu analysieren: Welche Kapitalfraktionen sind in der Nachkriegszeit vorzufinden? Wer bekam das größte Kuchenstück des "Wirtschaftswunders"? Welche Rolle spielten die Westalliierten, und die Interessen welcher Konzerne wurden damit vermittelt?

„Hilfe kam mit dem Marshall-Plan, der nicht der Selbstlosigkeit der USA entsprang, sondern der Umsetzung ihrer wirtschaftlichen und politischen Ziele diente. Den ersten Grund lieferte die schwierige Situation der US-Wirtschaft. […] Ein weiterer Grund war die Angst, wegen der wirtschaftlichen Probleme Europas könnte der Einfluss der kommunistischen Parteien und damit der Sowjetunion auch in den westlichen Staaten wachsen und zum Hindernis für die kapitalistischen Zielsetzungen der USA werden. Deutschland spielte dabei eine entscheidende Rolle. Washington war davon überzeugt, dass der Wiederaufbau Europas nur möglich wäre, wenn die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft Teil des Aufbauplanes wurde. […] Washington schaffte es, das Misstrauen der europäischen Staaten gegen ein wiedererstarkendes Deutschland mit zwei politischen Schachzügen zu beseitigen. Erstens wurde mit Hilfe des Marshall-Plans die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas stimuliert und aus 16 Staaten die die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit / OEEC gegründet. Zweitens wurden Europa und die USA durch eine Militärallianz verbunden, die den europäischen Staaten die Angst vor der Wiedergeburt des deutschen Militarismus nehmen sollte.“
Ludo de Brabander, Georges Spriet; 2013; Die NATO - Historischer

Rückblick und Analyse der Entwicklung der Nato von 1949 bis 2012 in: offen-siv 1-2013


Dafür ist unter anderem in einer separaten Untersuchung, vermutlich durch die AG PolÖk, der USA-Imperialismus dieser Zeit aus kommunistischer Literatur zu charakterisieren. Das Verhältnis kann bspw. so interpretiert werden, dass die Zusammenarbeit mit den USA der Garant für die Aufrechthaltung der kapitalistischen Ordnung und der militärischen Stärke Deutschlands war [1]. Auch der folgende Ausschnitt betont die Wichtigkeit der westlichen Länder, damit die deutsche Kapitalistenklasse ihre Ambitionen umsetzen konnte:

„Allerdings hatte [der deutsche Imperialismus] dazugelernt und verfolgte nunmehr diese Pläne nicht mehr im Alleingang, sondern – als Juniorpartner des US-Imperialismus – im transatlantischen Kriegsbündnis NATO sowie im Rahmen europäischer Zusammenschlüsse (ausgehend von der Montanunion über die Pläne zur Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft bis hin zu EWG und EU), dies alles im Zusammenhang mit der Remilitarisierung Westdeutschlands und der raschen Wiederherstellung alter ökonomischer Stärke“
Johann Woydt;2018 Der deutsche Imperialismus oder: Solange es Imperialismus gibt, gibt es Krieg!; Offen-siv 2018-08


Für das Verhältnis von USA- und BRD-Imperialismus ist auch die deutsche Strategie gegenüber der DDR und Sowjetunion zu beachten. Denn die Machtambitionen der BRD führten bspw. durch die Strategie "Wandel durch Annäherung" Egon Bahrs 1963 zu Spannungen zwischen Deutschland und den USA , wie auch das Aufbegehren der BRD in der Atomfrage [1]. Als Nebenschauplatz können wir hier auch einen möglichen Dissens zu Beate Landefeld (DKP) untersuchen, da sie eine andere Dynamik formuliert: {Zitat|Die USA setz­ten Re­geln im ka­pi­ta­lis­ti­schen Welt­sys­tem, schu­fen Gre­mi­en, wie IWF und Welt­bank, und dräng­ten auf die Ei­ni­gung West­eu­ro­pas als Teil der Block­bil­dung gegen den So­zia­lis­mus. Sie for­cier­ten Deutsch­lands Re­mi­li­ta­ri­sie­rung und NA­TO-Ein­glie­de­rung. Der deut­schen Bour­geoi­sie hal­fen sie, ihre Klas­sen­macht zu re­stau­rie­ren.| Landefeld; 2016; Imperialistische Widersprüche in der EU; DKP-Homepage; http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2016/12/imperialistische-widersprueche-in-der-eu/}}

Die hier genannten Arbeitsschritte sollten letztendlich aufklären, welche Rolle westliche imperialistische Länder im Verhältnis zur deutschen Bourgeoisie während der deutschen Nachkriegszeit gespielt hat. Damit können wir letztendlich die Strategien der heutigen Kapitalfraktionen aufklären, aber auch gegen einige bürgerliche Mythen der Nachkriegszeit fundamentierte Argumente entwickeln.

Mitmachen[Bearbeiten]

In den nächsten Monaten wollen wir uns an die systematische Beantwortung der Fragen machen - dabei kannst du mitmachen:

  • Diskutier mit
    • Du hast andere Erkenntnisse, Positionen zu bestimmten Fragen?
    • Du hast selbst offene Fragen zum Thema?
  • Einzelne Arbeitsaufträge übernehmen - in Theoriearbeit oder in praktischer Umsetzung
  • Dauerhaft mitarbeiten in der AG

Wenn das interessant klingt oder dir noch andere Möglichkeiten einfallen, dich zu beteiligen, melde dich bei uns: ag_imperialismus@kommunistische.org

Quellen[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Anonym; 2017; Heute Europa, morgen die Welt; Edition ost; Berlin