Imperialismus als Weltsystem

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Worum geht es? Darlegung der Fragestellung, des Sachverhaltes[Bearbeiten]

Die Analyse des Imperialismus ist umstritten und gehört zu den zentralen Debatten in der kommunistischen Bewegung. Sie hat weitgehende Konsequenzen für die Strategie der Parteien und ist eine anhaltende Debatte, die bereits seit der Entstehung des Imperialismus geführt wird. Zum Teil sind es heute dieselben Punkte wie in der Auseinandersetzung zwischen Kautsky und Lenin. Der Grund für Unklarheiten liegt zum einen im Opportunismus, zum anderen in Veränderungen, die untersucht werden müssen und über die, wegen mangelnder Grundlage, falsche Annahmen entstehen können.

Die voranschreitende Monopolisierung, die weitere Entwicklung von Kapitalexport und die verschiedenen Formen des fiktiven Kapitals und der Kapitalströme führen zu der Annahme, der grundlegende Charakter des Kapitalismus habe sich in seinem imperialistischen Stadium verändert.

Im Mittelpunkt der Debatte steht die Frage: Was sind die Kriterien mit denen die Analyse vorgenommen wird? Ebenso zu klären sind folgende Fragestellungen: Wird der Imperialismus als ökonomisches System oder als vor allem politisches Phänomen begriffen? Ist es möglich den politischen Überbau von der ökonomischen Basis zu lösen bzw. zu relativieren? Gibt es kapitalistische Staaten, die eine friedliche, fortschrittliche Entwicklung im Imperialismus ermöglichen könnten? Und gibt es eine Verflechtung und Verschränkung, die zu einer Abschwächung der Widersprüche führt?

Die Debatte spitzt sich in der Frage zu, ob es Staaten bzw. Länder gibt, die außerhalb des „Imperialismus“ stehen. Damit einher geht, dass eine Definition des Imperialismus vorgenommen wird, nämlich die, dass der Imperialismus auf einige wenige besonders mächtige Länder beschränkt ist. Dem gegenüber steht die Auffassung, dass Imperialismus als Weltsystem zu verstehen ist, in dem die Länder verschiedene Positionen einnehmen.

Welche Positionen / Thesen gibt es? Und wer vertritt sie?[Bearbeiten]

Imperialismus als Weltsystem, die imperialistische Pyramide[Bearbeiten]

Die KKE vertritt die Imperialismusanalyse, wonach der ökonomische Kern des Imperialismus das Monopol ist. Die Merkmale des Imperialismus sind für die KKE weiterhin: die Konzentration der Produktion und des Kapitals, die Verschmelzung des Bank- und Industriekapitals zum Finanzkapital, die Entstehung einer Finanzoligarchie, der Kapitalexport und die Entstehung internationaler Monopolbündnisse. Imperialismus ist nach den Analysen der KKE kein politisches Konzept, das von der ökonomischen Basis loszulösen ist und auch nicht nur als Politik der militärischen Aggression zu verstehen. Kapitalismus und Imperialismus sind demnach nicht von einander zu trennen. Imperialismus ist für die KKE ein Weltsystem, in dem die verschiedenen Länder verschiedene Stellungen einnehmen und in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Es gibt nach dieser Imperialismusanalyse nicht nur eine Handvoll mächtige Länder, die alle anderen unterdrücken. Neben den Ländern, die an der Spitze des Systems stehen, wofür die KKE das Bild einer Pyramide benutzt, entwickeln nach Auffassung der KKE auch die Länder, die eine Zwischenstellung einnehmen, die Kriterien des Imperialismus (Monopole, Finanzkapital, Kapitalexport).

Die Gegensätze und Widersprüche zwischen den verschiedenen Staaten nehmen daraus folgend zu, ebenso verschärft sich die Konkurrenz um Rohstoffe, Transportwege und Marktanteile der Monopole. Die Zunahme von Polen oder Zentren verschärft die Konkurrenz und Gegensätze. Monopole in der Wirtschaft können nicht mit einer gewaltfreien, nicht den Monopolinteressen dienenden Politik koexistieren. Ein Zwischenstadium zwischen Kapitalismus und Sozialismus gibt es nach Aussage der KKE nicht. Fazit der KKE ist, dass sich die Arbeiterklasse die Macht erobern und den Sozialismus errichten muss.
Vertreter: KKE (https://inter.kke.gr/de/articles/On-Imperialism-The-Imperialist-Pyramid/)

Multipolare Weltordnung[Bearbeiten]

Ausgangspunkt ist die Veränderung von einer „unipolaren Weltordnung“ durch die USA zu einer „multipolaren Weltordnung“ mit mehreren Zentren. Unter „imperialistisch“ werden die USA und NATO-Staaten verstanden, die sich in alle anderen Statten einmischen und ihre Entwicklung bremsen wollen. Die aufstrebenden Staaten haben danach ein Interesse an Kooperation und Völkerrecht, um sich gegen die Einmischung zu wehren.
Dies ist laut dieser Imperialismusanalyse objektiv im Interesse der Arbeiterklasse. Einzelne Länder könnten daher ökonomisch die Kriterien für Imperialismus (Monopole, Kapitalexport, etc.) erfüllen (Russland) und dennoch eine positive Rolle einnehmen. Zum Beispiel können sie demnach objektiv dem Kampf für Frieden dienen und auf der anderen Seite „politisch“ nicht imperialistisch sein. Eine besondere Rolle spielen Russland und China. Bei letzterem wird angenommen, dass es ein Land mit sozialistischer Orientierung ist. Die Debatte zum Klassencharakter von Russland und China ist darausschlussfolgernd eng mit der Debatte zur Imperialismusanalyse verbunden.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass Kapitalismus und Imperialismus nicht identisch sind und imperialistische Politik vor allem militärische Aggression bedeute.
Vertreter: Beate Landefeld, Willi Gerns, weitere Teile der DKP. Freidenker, Andreas Wehr, Rotfuchs, Z Zeitschrift marxistische Erneuerung, teilweise Zeitschrift Sozialismus

Kollektiver Imperialismus[Bearbeiten]

Vor knapp zwanzig Jahren wurde die These vertreten, dass alle imperialistischen Staaten auf Grund gemeinsamer Interessen die restlichen Länder unterwerfen und dass ein Krieg zwischen den imperialistischen Mächten unwahrscheinlich bzw. ausgeschlossen ist.
Nach der Weltwirtschaftskrise von 2008 und der zunehmenden Widersprüche zwischen den imperialistischen Ländern hat sich die These etwas verschoben. Angenommen wird nun, dass die USA und die NATO-Staaten einen kollektiven Imperialismus bilden, der ihre Interessen gegen die anderen, vor allem Russland und China, durchsetzt. Welchen Charakter und welche Rolle Russland und China dabei spielen, wird unterschiedlich ausgelegt. Einige Vertreter stehen auf dem Standpunkt, dass sich der Imperialismus im Übergang vom „staatsmonopolistischen Kapitalismus“ zum „transnationalen Monopolkapitalismus“ befinde. Aufgrund der Internationalisierung der Produktion und Verwertung des Kapitals, sowie der Zunahme des Kapitalexports haben sich ihrer Meinung nach Konzerne mit „transnationaler Eigentümerstruktur“ herausgebildet. Dies führt auch zu Entwicklung neuer supranationaler Staatsgebilde. Damit verbunden wird eine relative Selbständigkeit des Staates vom Kapital angenommen. Die Nationalstaaten würden somit gegeneinander ausgespielt werden, um die besten Bedingungen für die transnationalen Konzerne durchzusetzen. Sie vermitteln weiterhin die „Hegemonie“ des transnationalen Kapitals und bearbeiten die Konflikte zwischen Fraktionen dieses Kapitals. Die Konkurrenz zwischen Nationalstaaten nehme laut dieser Imperialismusanalyse zwar zu, die transnationalen Organisationsformen des transnationalen Kapitals trügen aber zur Entschärfung der Konkurrenz bei. (Mayer) Hauptsächlich gingen die EU und die USA kollektiv vor, während es zwischen den USA und der EU auf der einen Seite und den BRICS auf der anderen Seite zu verstärkter Konkurrenz kommt.
Vertreter: Leo Mayer, ISW, Samir Amin.

Neu-imperialistische Länder[Bearbeiten]

Unter dieser Begrifflichkeit fasst die MLPD das Aufstreben von Ländern im imperialistischen Weltsystem zusammen. Aufgrund der stark gestiegenen Produktivität und dem zunehmendem Kapitalexport hat sich laut der MLPD das „imperialistische Kapital“ gegenseitig durchdrungen und verflochten. Die Produktion hat sich, ebenso wie das Finanzwesen, internationalisiert. Nach dieser Analyse ist es zu vermehrten grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen gekommen, dadurch haben sich schließlich Übermonopole gebildet. Ehemalige Kolonien haben sich von den internationalen Monopolen aus dem Ausland abgenabelt, eigene Monopole aufgebaut und Kapitalexport betrieben. Ebenso haben sich staatsmonopolistische Strukturen herausgebildet. Die BRICS und andere Länder sind ihrer Meinung nach aufgestiegen, während die USA die letzte verbliebene Supermacht sei, die vor allem von China herausgefordert werde. Die imperialistische Multipolarität vertiefe die allgemeine Krise des Kapitalismus.
Vertreter: MLPD.

Bezug zu den Grundannahmen[Bearbeiten]

Die grundlegende Auseinandersetzung in dieser Frage ist das Verhältnis der Ökonomie zur Politik. Hierzu sollten die Grundannahmen zum historischen Materialismus und insbesondere die Passagen aus Engels' Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft herangezogen werden.

Eine der zentralen Veränderungen des Imperialismus, im Vergleich zum Kapitalismus der freien Konkurrenz, ist die enorme Akkumulation von Kapital und die damit verbundene Bildung der Monopole. Ebenso charakterisierend ist die Entstehung des Finanzkapitals und der Finanzoligarchie sowie die zunehmende Bedeutung des Kapitalexports. Diese ökonomischen Kriterien des Imperialismus entstehen aus dem Kapitalismus der freien Konkurrenz und sind nicht davon zu trennen. Für diese Fragen sind zum einen die Grundannahmen aus Marx' Kapital, 1. Band zur Kapitalakkumulation, sowie aus dem 3. Band zur Rolle des Kredits und der Börse als Literatur heranzuziehen.

In Lenins Imperialismusschrift sind vor allem die Kapitel zur Entstehung der Monopole und zum Kapitalexport wichtig.
Zu den ökonomischen Grundlagen des Imperialismus und dem Zusammenhang mit der Neuaufteilung der Welt ist Lenins Imperialismusschrift, hier vor allem die Passagen aus dem V. bis IX. Kapitel, bedeutend.

Wie wollen wir den Dissens klären?[Bearbeiten]

Auf der theoretischen Ebene muss die ökonomische Basis des Imperialismus herausgearbeitet werden – Konzentration von Kapital führt zum Monopol. Bearbeitet werden muss die Frage, ob Kapitalismus und Imperialismus zu trennen sind, sprich ob ein „nicht-imperialistischer“ Kapitalismus möglich ist.

Damit zusammen hängt die theoretische Darlegung des Zusammenhangs von ökonomischer Basis und politischem Überbau, in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen und welche Auseinandersetzungen es bereits zu dieser Frage gab(Lenin/Kautsky gehört dazu).

Argumentativ muss hier auf die Annahme eingegangen werden, dass eine Ordnung der Kooperation und Vernunft innerhalb des Imperialismus möglich ist. In diesem Zusammenhang sollte auch auf das Argument aufgegriffen werden, dass die Anti-Hitler-Koalition ein Vorbild sei.

Auf der empirischen Ebene muss das Argument untersucht werden, dass während der Existenz des Sozialismus einige Länder vorübergehend anders agieren konnten. Dies wird auf heute übertragen, um zu behaupten, dass eine solche Entwicklung möglich wäre. Eine empirische Untersuchung der Entwicklung dieser Länder (Indien zeitweise, Ägypten ect.) ist hier notwendig.

Untersucht werden muss der Klassencharakter, die ökonomische Basis von Russland, China und weiteren Ländern, sowie ihre Position in der Weltwirtschaft und ihr politisches Verhältnis.

Was steht zu diesem Dissens in den Programmatischen Thesen?[Bearbeiten]

Auszüge aus unseren programmatischen Thesen zur Frage der Imperialismusanalyse:

„Der ökonomische Kern des Imperialismus ist das Monopol. Der heutige Kapitalismus ist dominiert vom Monopolkapital, das sich durch die Konzentration und Zentralisation des Kapitals herausgebildet hat. Dieser Wesenszug bestimmt die gesamte Epoche, in der wir leben. Im Imperialismus ist der Drang zum internationalen Kapitalexport enorm erhöht.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 8)


„Die These eines „kollektiven Imperialismus“, wonach sich die zwischenimperialistischen Widersprüche tendenziell abschwächen würden und es zur gemeinschaftlichen Ausbeutung der Welt durch die verbündeten imperialistischen Zentren käme, ist lediglich eine Neuauflage der „Ultraimperialismus“-These des Revisionisten Karl Kautsky, die bereits Lenin widerlegt hat. Diese These ist heute so falsch wie damals. Auch eine sogenannte „multipolare Weltordnung“, in der neben den USA und der EU weitere Zentren die Weltordnung bestimmen, ist nur Ausdruck der ungleichmäßigen Entwicklung des Kapitalismus und sich verändernder Kräfteverhältnisse. Eine Hoffnung auf eine friedlichere Welt liegt darin nicht.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 9)


„[...] Staaten, in denen (monopol-)kapitalistische Verhältnisse bestehen, wie etwa China, können keinen antiimperialistischen Charakter annehmen.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 10)


„Der antiimperialistische Kampf muss sich deshalb gegen das Kapital und das kapitalistische System als Grundlage des Imperialismus richten. Als Kommunisten in Deutschland sehen wir den deutschen Imperialismus, d.h. die deutsche Monopolbourgeoisie und ihren Staat als unseren Hauptgegner an. Wir kämpfen aber Seite an Seite mit unseren Genossen auf der ganzen Welt gegen den Imperialismus als Ganzes, als weltweites System.Besonders hervorzuheben sind daher auch die EU als imperialistisches Bündnis, die aufstrebenden Ökonomien der BRICS-Gruppe und der US-Imperialismus als nach wie vor militärisch gefährlichster imperialistischer Pol der Welt.“
(Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, 2018, S. 10)


Literatur zum Thema[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]