Einführungen in die Dissense der AG Sozialismus

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Voraussetzungen des Sozialismus / Verhältnis von politischer und ökonomischer Macht[Bearbeiten]



Bereits mit dem Sieg der Oktoberrevolution in Russland werden innerhalb der kommunistischen Weltbewegung Stimmen laut, die behaupten, der Sozialismus könne in einem Land, welches vorrangig bäuerlich geprägt und ohne entwickelte Industrieproduktion ist, nicht erfolgreich sein. Innerhalb Russlands mangele es sowohl an einem Proletariat als sozialem Träger der Revolution als auch an den materiell-technischen Voraussetzungen, die für die Durchführung einer Zentralplanung notwendig seien. Die Neue Ökonomische Politik (NEP) von 1921 bis 1928 scheint diese Position zu bestätigen und ist auch deshalb heute noch wichtiger Bezugspunkt für einen Standpunkt, der die Entwicklung in der Volksrepublik China und Vietnam ebenso als ökonomische Vorbereitung auf eine sozialistische Planwirtschaft betrachtet. Entscheidende Diskussion zu dieser Frage ist ganz allgemein das Verhältnis der ökonomischen Basis zur politischen Macht. Inwiefern werden die Arbeitermacht und ihr kommunistisches Programm durch eine neue soziale Klasse herausgefordert, die durch die Einführung von Marktelementen erst entsteht? Kann eine Arbeitermacht eine kapitalistische Wirtschaft betreiben, ohne an den Standbeinen der eigenen Macht zu sägen? Was sind die ökonomischen Voraussetzungen des Sozialismus? Gibt es einen notwendigen Mindeststand der Produktivkraftentwicklung, um eine zentrale Planung einführen zu können? Was waren die historischen Bedingungen der NEP, sind sie übertragbar bspw. auf die Situation der Volksrepublik China oder Vietnam?

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Weltrevolution vs. Sozialismus in einem Land / friedliche Koexistenz[Bearbeiten]


Das Ausbleiben der Revolution in Kernländern des Imperialismus, u. a. 1918 in Deutschland, verstärkt die Gewissheit einiger Kritiker, dass die Oktoberrevolution zur Niederlage verdammt sei. Kann der Sozialismus in einem einzelnen Land, umgeben von imperialistischen Großmächten aufgebaut werden? Lenin ging davon aus, da die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung aller Staaten mit Notwendigkeit dazu führe, dass Revolutionen nicht zur gleichen Zeit stattfinden würden. Das führt zur Notwendigkeit, Beziehungen auch zum kapitalistischen Ausland aufzubauen, die einerseits einen souveränen Aufbau des Sozialismus ermöglichen und andererseits das internationale Programm der Kommunisten nicht verraten. Das Verständnis der friedlichen Koexistenz wandelt sich in der KPdSU mit dem XX. Parteitag und ist auch Teil des Bruchs Chinas mit der Sowjetunion. Kann es ein Verhältnis zum imperialistischen Ausland geben, eine Art der friedlichen Koexistenz, die dem Ziel des weltweiten Siegs des Sozialismus gerecht wird? Wie können Klassenkämpfe und die kommunistische Bewegung in kapitalistischen Ländern unterstützt werden, wenn zur selben Zeit politische und wirtschaftliche Beziehungen zu den Herrschenden dieser Länder bestehen? Wie sind in dem Zusammenhang die Orientierungen der KomIntern einzuschätzen?

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Staatseigentum, Verstaatlichung und Bürokratie im Sozialismus / Kulturrevolution[Bearbeiten]


Eine der, auch heute noch, einflussreichsten Kritiken der Entwicklung in der Sowjetunion formuliert Trotzki. Mitte der 1930er Jahre behauptet er, in der Sowjetunion sei eine Schicht von Bürokraten an die Macht gekommen, die das Land zum eigenen Machterhalt und zur Sicherung ihrer Privilegien verwalte. Die Arbeiterklasse verfüge nicht direkt über die Produktionsmittel. Ihre Entfremdung von den Produktionsmitteln und ihre Unterdrückung durch den Staat beständen fort. In Bezug auf den Charakter der Bürokratie im Sozialismus schließen sich allerhand Fragen an. Was ist eine Bürokratie und kann es eine sozialistische Macht ohne eine Bürokratie geben? Was ist der Unterschied zum Bürokratismus? Lenin und Stalin haben das Problem der Bürokratisierung stets bekämpft. Worin besteht dennoch der Unterschied zu Trotzkis Positionen und wie steht es konkret um die Situation der Bürokratie und der kommunistischen Partei in der Sowjetunion? In Bezug auf die Kulturrevolution in China bspw. taucht die These erneut auf. Im Gegensatz zu Mao, der die Kulturrevolution als Ausdruck zweier konkurrierender Linien innerhalb der KPCh betrachtet, behaupten Trotzkisten, die Kulturrevolution sei zu verstehen als Erhebung des Proletariats gegen die Parteibürokratie.

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Charakter und Rolle der Partei in der Diktatur des Proletariats / sozialistische Rechtsstaatlichkeit[Bearbeiten]


Darüber hinaus werden vor allem in Bezug auf den Charakter der Diktatur des Proletariats Fragen aufgeworfen. Wenn die Staatsmacht nicht Ausdrucksform der Herrschaft der Arbeiterklasse ist, dann erst gibt es einen Unterschied zwischen Staatseigentum und gesellschaftlichem Eigentum. Nach Lenin und Stalin hingegen setzte sich die Herrschaft der Arbeiterklasse in der Verbindung aus Sowjets, Massenorganisationen und der Partei, die in diesem Netz eine führende Rolle einnehme, durch. Neben Trotzkis Position gibt es weitere, die bezüglich der Sowjetunion eine Entfremdung zwischen der kommunistischen Partei und der Arbeiterklasse sehen. Es sei eine Diktatur der kommunistischen Partei und nicht des Proletariats, die darüber hinaus insbesondere zur Stalinzeit zu einer Verselbstständigung und einem Missbrauch der Macht geführt hätte. Als Schlussfolgerung zur Absicherung der proletarischen Demokratie werden von Teilen der Bewegung vermeintlich neutrale Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft, eine Gewaltentrennung und ein Mehrparteiensystem auch für den Sozialismus gefordert.

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Plan, Markt und Wertgesetz / Planung einer komplexen Ökonomie[Bearbeiten]


Eine weitere sehr entscheidende Diskussion dreht sich um die Wirkung des Wertgesetzes im Sozialismus. Von besonderer Wichtigkeit ist die Debatte deshalb, weil sie sich um die Grundfesten der sozialistischen Produktionsweise dreht. Es geht nicht nur, wie oben beschrieben, um die vorübergehende Einführung von Marktelementen, sondern um die Frage, ob die Warenproduktion grundsätzlich zur sozialistischen Gesellschaft gehört oder nicht und ob der Sozialismus dadurch gegenüber der kommunistischen Gesellschaft eine besondere Eigenständigkeit besitzt. Obwohl Marx und Engels in der Frage der Gültigkeit des Wertgesetzes und der Eigenständigkeit des Sozialismus eine klar ablehnende Position vertreten haben, setzt sich die Position der Befürworter einer sozialistischen Warenproduktion in der Sowjetunion schließlich durch. Ausgangspunkt der Argumentation sind Widersprüche und Schwierigkeiten, die sich in der Zentralplanung in der Sowjetunion ergeben haben. Zum einen wird behauptet, es sei zwar möglich hohe Wachstumsraten, d. h. ein extensives Wachstum durch eine zentral geplante Wirtschaft zu erzielen, komplexe ökonomische Prozesse allerdings würde der Markt effektiver koordinieren. Zum anderen wird behauptet, dass die Bedürfnisse der Menschen und das Konsumangebot nur über das Prinzip von Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen seien.

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Distribution im Sozialismus / Einschätzung der Sowjetunion[Bearbeiten]


Der letzte Punkt eröffnet sogleich ein neues Diskussionsfeld: die Frage der Distribution der Konsumgüter im Sozialismus. Gemeint ist weniger der Bereich der Logistik als die Bestimmung der Anteilsgrößen am gesellschaftlichen Gesamtprodukt. Kurzum: Wer bekommt wie viel und an welchen Kriterien macht sich das fest? Marx spricht von einem Leistungsprinzip im noch unreifen Stadium des Kommunismus: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“. Wonach aber bemisst sich die Leistung? Nach Quantität oder Qualität der Arbeit? Ist sie wertgebunden? Wenn es in diesem Zusammenhang um Anreizsysteme geht, so wird zugleich die Frage des Bewusstseins bzw. der kommunistischen Arbeitseinstellung berührt. Wie schafft man es, bei den Arbeitermassen eine hohe Arbeitsdisziplin zu erreichen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sie nicht länger nur für sich (bzw. ihren Chef), sondern für die gesamte Gesellschaft produzieren? Sind Arbeitsanreize überhaupt ein Mittel, um das Bewusstsein der Arbeiter zu heben, oder führen sie im Gegenteil zur Vertiefung einer kleinbürgerlichen Einstellung zur Arbeit? In der Sowjetunion setzt sich nach Stalins Tod die Position der Befürworter einer sozialistischen Warenproduktion durch und gibt Anlass zur Reformierung der Wirtschaft. Am weitreichendsten ist dabei die Kossygin-Reform von 1965, die u. a. zu einer Dezentralisierung der ökonomischen Entscheidungsmacht führt, nicht allerdings die zentrale Planung als solche abschafft. Nicht zuletzt sind es diese Maßnahmen, die Teile der kommunistischen Bewegung dazu veranlassen, der Sowjetunion ihren sozialistischen Charakter abzusprechen. Während manche trotzkistischen Strömungen schon in der Zeit nach Trotzkis Tod beginnen, die Sowjetunion als „staatskapitalistisch“ zu bezeichnen, übernahmen die KP Chinas und die Partei der Arbeit Albaniens in den 1960ern die Auffassung, dass sich in der UdSSR nach dem XX. Parteitag 1956 ein Kapitalismus unter einer neuen Bourgeoisie herausgebildet habe. Auffällig in den Diskussionen ist die Unklarheit über die Kriterien, die bestimmend für eine sozialistische Gesellschaft sind. Umso wichtiger ist die Aufgabe, Klarheit über die Grundsätze des sozialistischen Aufbaus zu schaffen.

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