Charakter und Rolle der Partei in der Diktatur des Proletariats

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Einblick[Bearbeiten]

Rolle und Charakter der Partei im Sozialismus[Bearbeiten]

Der bürgerliche Kanon besagt, die sozialistischen Länder, allen voran die Sowjetunion, waren Einparteiendiktaturen. Auch die DDR wird im bürgerlichen Sprachgebrauch als SED-Diktatur bezeichnet. Meist ist die Argumentation hinter dieser Behauptung sehr einfach: Es standen keine verschiedenen Parteien zur Wahl, deshalb war es eine Diktatur einer einzigen Partei. Marxisten können diesen einfachen rhetorischen Trick leicht entkräften: Demokratie ist zuallererst eine Klassenfrage, denn Voraussetzung für demokratische Zustände ist, dass die Produktionsmittel vergesellschaftet sind. Erst dann können die Menschen tatsächlich über ihre gesellschaftliche Entwicklung bestimmen. Im Kapitalismus sind die verschiedenen Parteien ebenfalls lediglich Ausdruck ein und derselben Eigentumsverhältnisse und insofern herrscht im Kapitalismus stets die Diktatur der Bourgeoisie, unabhängig davon, welche der bürgerlichen Parteien gerade regiert. Auch im Sozialismus stehen die Eigentumsverhältnisse nicht zur Wahl. Während die Diktatur des Proletariats noch nie dagewesene Demokratie für die übergroße Mehrheit der Menschen bedeutet, ist sie zugleich Mittel der Unterdrückung der ehemaligen Eigentümerklasse, der Bourgeoisie, und insofern Mittel zur Sicherung der sozialistischen Eigentumsverhältnisse.   Innerhalb der kommunistischen Bewegung werden sowohl die historischen Erfahrungen der sozialistischen Länder, als auch mögliche Organisationsformen der Diktatur des Proletariats für einen künftigen Sozialismus diskutiert. Dabei drehen sich die Diskussionen vorrangig um die Frage, welches Verhältnis die Masse der Arbeitenden und Werktätigen zur errichteten Arbeitermacht haben, inwiefern kommt ihre Herrschaft zum Ausdruck? Einerseits muss die kommunistische Partei eine führende Rolle im Aufbau des Sozialismus einnehmen, andererseits muss die Arbeiterklasse in zunehmendem Maße selbstbewusst die Verwaltung der Gesellschaft übernehmen. Wie kann beides in der Organisation der Diktatur des Proletariats zum Ausdruck kommen, ohne einander auszuschließen?    

Zur Rolle der kommunistischen Partei in der Sowjetunion[Bearbeiten]

  Letztendlich wird die Frage der Rolle der Partei in der Sowjetunion häufig eng verbunden mit einer Position, die der SU willkürliche Gewaltanwendungen, d. h. mangelnde Rechtsstaatlichkeit, mangelnde Demokratie im Allgemeinen und die Entwicklung bürokratischer Züge vorwerfen. Insofern ist auch die Frage der Rolle der Partei in der SU nur mit einer umfangreicheren materialistischen Analyse der Geschichte der SU zu klären. Zunächst aber sollen die Positionen zur Rolle der Partei etwas näher dargestellt werden.

Eine Position, die bspw. innerhalb der DKP besteht, besagt: Wenn Marx und Engels von der Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats sprechen, so sei das eben etwas Anderes als die Diktatur der kommunistischen Partei, wie es in der Sowjetunion der Fall gewesen sein soll. Im Entwurf der Sozialismusvorstellungen der DKP von 1994 heißt es:


„Die führende Rolle der Arbeiterklasse mußte unter diesen Bedingungen [gemeint sind die wirtschaftliche Rückständigkeit Russlands und die äußere imperialistische Bedrohungslage, Anm. KO] zunächst weitgehend stellvertretend durch die kommunistische Partei übernommen werden. Dies wurde allerdings auch dann noch beibehalten, als sich im Ergebnis der Industrialisierung und der Kulturrevolution die Bedingungen geändert hatten. Partei und Staat verschmolzen mehr und mehr zu einem administrativ-bürokratischen Apparat. Die sozialistische Demokratie blieb nicht nur unterentwickelt, sie wurde durch die Mißachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit massiv verletzt.“
Sozialismusvorstellungen der DKP (Arbeits- und Diskussionsgrundlage), Hannover, 1998


Unabhängig von den konkreten Einschätzungsfragen zur Geschichte innerhalb der SU sei der Unterschied zwischen „der führenden Rolle der Arbeiterklasse“ und der führenden Rolle der Partei in der Diktatur des Proletariats angemerkt. Es geht demnach nicht nur um das Verhältnis der Arbeiterklasse zu ihrer Partei, das hier als stellvertretend gekennzeichnet wird, sondern auch um das Verhältnis der Arbeiterklasse zu anderen Schichten und Klassen.   Bezogen auf das Verhältnis zwischen Partei und Arbeiterklasse geht es letztlich um die Frage, ob es eine Entfremdung zwischen den Strukturen der Partei und der Masse der Arbeiter und Werktätigen in der Sowjetunion gab und ob nicht andere Strukturen der direkteren Demokratie die Herrschaft der Arbeiterklasse besser hätten umsetzen und entwickeln können.   Stalin stellt im Kapitel Partei und Arbeiterklasse im System der Diktatur des Proletariats in seiner Schrift Fragen des Leninismus das Zusammenwirken der verschiedenen Massenorganisationen, der Gewerkschaften, der Sowjets, der Genossenschaften, des kommunistischen Jugendverbandes und der Partei als Notwendigkeit nicht nur für die revolutionäre Eroberung der Macht, sondern auch für die Umsetzung der Diktatur des Proletariats dar.


„Also: die Gewerkschaften als Massenorganisationen des Proletariats, die die Partei mit der Klasse, vor allem auf dem Gebiete der Produktion verbindet; die Sowjets als Massenorganisationen der Werktätigen, die die Partei mit diesen, vor allem auf staatlichem Gebiete verbindet; die Genossenschaften als Massenorganisationen, hauptsächlich der Bauernschaft, die die Partei mit den Bauernmassen, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiete, auf dem Gebiete der Erziehung der Bauernschaft in den sozialistischen Aufbau, verbindet; der Jugendverband als Massenorganisation der Arbeiter- und Bauernjugend, eine Organisation, die berufen ist, der Avantgarde des Proletariats die sozialistische Erziehung der neuen Generation und die Heranbildung der jungen Reserven zu erleichtern; und schließlich die Partei als grundlegende führende Kraft im System der Diktatur des Proletariats, die berufen ist, alle diese Massenorganisationen zu leiten – das ist im allgemeinen das Bild des ‚Mechanismus‘ der Diktatur, das Bild des ‚Systems der Diktatur des Proletariats‘. Ohne die Partei als die grundlegende führende Kraft ist eine einigermaßen dauernde und feste Diktatur des Proletariats unmöglich.“
Stalin: Partei und Arbeiterklasse im System der Diktatur des Proletariats. In: Fragen des Leninismus. Verlag für Fremdsprachige Literatur, Moskau 1947, S. 150

  Nach Stalin ist es also kein Widerspruch, dass einerseits die kommunistische Partei eine führende Rolle einnimmt, aber andererseits die Arbeiterklasse herrscht. Im System der Arbeitermacht nehme die Partei eine führende Rolle ein, denn die Partei setze sich aus den Besten der Massenorganisationen zusammen und werde so zur höchsten Form der klassenmäßigen Organisation des Proletariats.   Lenin hat in dieser Hinsicht keine andere Position vertreten. Im Text Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus schreibt er:  

„Die Diktatur (des Proletariats) wird durch das in den Sowjets organisierte Proletariat verwirklicht, dessen Führer die Kommunistische Partei der Bolschewiki ist. Im großen und ganzen haben wir also einen der Form nach nicht kommunistischen, elastischen und verhältnismäßig umfassenden, überaus mächtigen proletarischen Apparat, durch den die Partei mit der Klasse und Masse eng verbunden ist und durch den unter der Führung der Partei, die Diktatur der Klasse verwirklicht wird.“
Lenin: Der linke Radikalismus. LW Bd. 31, S. 33

  Auf den Vorwurf, in der Sowjetunion sei die Diktatur des Proletariats der Diktatur der Partei gleichgesetzt geht Stalin weiter ausführlich ein.  

„Wer daher die ‚Diktatur der Partei‘ der Diktatur des Proletariats gleichstellt, der geht stillschweigend davon aus, daß man die Autorität der Partei auf Gewalt aufbauen kann, was absurd und mit dem Leninismus völlig unvereinbar ist. Die Autorität der Partei beruht auf dem Vertrauen der Arbeiterklasse. Das Vertrauen der Arbeiterklasse aber wird nicht durch Gewalt erworben – durch Gewalt könnte es nur vernichtet werden –, sondern durch die richtige Theorie der Partei, durch die richtige Politik der Partei, durch die Ergebenheit der Partei für die Sache der Arbeiterklasse, durch ihre Verbundenheit mit den Massen der Arbeiterklasse, durch ihre Bereitschaft, ihre Fähigkeit, die Massen von der Richtigkeit ihrer Losungen zu überzeugen.“
Stalin: Partei und Arbeiterklasse im System der Diktatur des Proletariats. In: Fragen des Leninismus. Verlag für Fremdsprachige Literatur, Moskau 1947, S. 155f.

  Die kommunistische Partei könne demnach nur führende Kraft sein, wenn sie durch ein enges Netz verschiedener Massenorganisationen mit der Klasse verbunden sei, die mit ihrem eigenen Willen und Bewusstsein die Orientierungen der Partei tagtäglich umsetze und sich diese Orientierungen letztlich als die richtigen erweisen würden. Die Gefahr des Auseinandergehens von der faktischen, führenden Rolle der Partei und ihrer gewissermaßen natürlichen Legitimität als führende Kraft, sieht Stalin im Vertrauensverlust der Partei gegenüber der Arbeiterklasse. Dafür kann es sicherlich vielschichtige Gründe geben, die Entwicklung von Karrierismus, Bürokratismus, Revisionismus etc. wären allerdings sicherlich wichtige Bestandteile.   Eine Untersuchung der Entwicklung der Rolle der Partei in der Sowjetunion ist im weiteren Klärungsprozess anzugehen und ist sicherlich auch nur im Kontext der jeweiligen historischen Situation (innen-, wie außenpolitisch), und vor allem der ökonomischen Entwicklung der Sowjetunion zu betrachten.   Eine wichtige, allgemeinere Kontroverse bezüglich des Charakters der kommunistischen Partei im Sozialismus schließt sich zudem an. Ist sie vor allem Kader- oder Massenorganisation? Einerseits muss die Partei durch ein breites Netz mit den Massen der Arbeiter und Werktätigen verbunden sein. Die Partei muss zahlenmäßig demzufolge groß genug sein, um diese Verbindung in alle Bereiche des sozialistischen Aufbaus herstellen zu können, um ein richtiges Bild der gesellschaftlichen Situation und des Bewusstseinsstandes der verschiedenen Schichten erlangen zu können. Andererseits muss sich die kommunistische Partei vor dem Eindringen bürgerlicher Ideologie in den eigenen Reihen schützen. Insbesondere nach der erfolgreichen Eroberung der Macht, verzeichnete die KPdSU enorme Mitgliederzuwächse. Mit welchen Methoden kann eine ideologisch klare und einheitlich handelnde kommunistische Partei garantiert werden? Auch dieser Kontroverse gilt es sich im weiteren Verlauf des Klärungsprozesses zu widmen.

Mehrparteiensystem im Sozialismus[Bearbeiten]

Ausgehend von der Position, dass der Übergang zum Sozialismus, anders als zur Zeit der Oktoberrevolution nur durch einen breiten antimonopolistischen Massenkampf zu verwirklichen sei, zieht bereits die KPD 1967 die Schlussfolgerung, dass auch die sozialistische Macht auf einem Mehrparteiensystem beruhen müsse.


„In einer sozialistischen Ordnung der Bundesrepublik wird das Parlament zu einem wirklichen Organ des Volkswillens werden, das auf dem Mehrparteiensystem beruht. Die auf ein breites antimonopolistisches Bündnis und auf eine sozialistische Parlamentsmehrheit gestützte Staatsmacht und sozialistische Ordnung werden ihre Errungenschaften entschieden gegen konterrevolutionäre Anschläge der großkapitalistischen Reaktion zu schützen haben. Eine parlamentarische Minderheit, die die Verfassung und die vom Parlament beschlossenen Gesetze einhält, wird ihre Rechte wahrnehmen können.“
Entwurf für Parteiprogramm der KPD 1968, S. 424


Robert Steigerwald führt den Gedanken weiter aus. Eben weil es unterschiedlichste Motive für den Sozialismus gäbe (ökologische, allgemein humanistische, sozialreformistische, christliche, marxistisch-sozialistische usw.), sei es nötig, dass diese verschiedensten Kräfte auch im Überbau politisch-ideologisch vertreten seien. Diese Kräfte seien etwas völlig Anderes als konterrevolutionäre Kräfte.   Aber wenn sie ebenfalls für den Sozialismus sind, wogegen opponieren sie, wendet Kurt Gossweiler dagegen fragend ein. Es wird nicht unterschieden nach Klasseninteressen, sondern nach moralisch-politischen Einstellungen.

Es stellt sich erstens die Frage, ob die unterschiedlichen Kräfte Teil der Arbeiterklasse sind und wenn dem so ist, warum sie eine eigene Organisation brauchen, warum die Diskussionen und Standpunkte nicht innerhalb der Organisationen der Arbeiterklasse verhandelt werden sollten. Wenn es sich zweitens allerdings um andere Klassen handelt, mit denen die Arbeiterklasse im Bündnis den Sozialismus erkämpft, muss man sich die Frage stellen, in welchem Verhältnis sie kurz-, mittel- und langfristig zur Arbeitermacht stehen und inwiefern sie sich deshalb selbständig organisieren können, ohne die Diktatur des Proletariats zu gefährden.

Die Vorstellungen eines Mehrparteiensystems im Sozialismus scheinen eine Ähnlichkeit zum "Demokratischen Block der Parteien und Massenorganisationen" in der DDR zu haben. Eine einfache Gleichsetzung wäre allerdings, insbesondere wegen der unbedingten Führungsrolle der SED, die mit einem Parteienpluralismus nicht vereinbar ist, falsch. In der DDR wurden nicht Parteien, sondern eine Einheitsliste zur Wahl gestellt.


„Das bewährte Zusammenwirken mit den befreundeten Parteien und Massenorganisationen im Demokratischen Block und in der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik gehört zu den Prinzipien der Bündnispolitik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Die Nationale Front als sozialistische Volksbewegung leistet einen bedeutenden Beitrag zur Annäherung der Klassen und Schichten auf dem Boden der Ideale der Arbeiterklasse. Sie entwickelt enge Gemeinschaftsbeziehungen in den Wohngebieten der Städte und Gemeinden. “
Programm der SED von 1976, S. 60.


Die antifaschistisch-demokratischen Ordnung, der „Demokratische Block der Parteien und Massenorganisationen“ bzw. die „Nationale Front“ hatte die Aufgabe das Bündnis der Arbeiterklasse mit allen anderen Schichten der Bevölkerung zu verwirklichen. Bei allen wichtigen Unterschieden scheint die Ähnlichkeit zwischen der Vorstellung eines Mehrparteiensystems, wie es u. a. Steigerwald formuliert und der Nationalen Front in der DDR, gerade in der Bündnisorientierung zu bestehen und muss unter diesem Gesichtspunkt näher untersucht werden.

Fazit[Bearbeiten]

Es gibt zwischen der einleitend erwähnten, bürgerlichen Kritik der Einparteiendiktatur und Vorstellungen, die innerhalb der kommunistischen Bewegung verbreitet sind, keine klare Trennlinie. Es braucht zunächst eine Klarheit über die Begriffe Gewalt, Diktatur und Klasse, um den Charakter der Diktatur des Proletariats und das Verhältnis zwischen Partei und Arbeiterklasse genau bestimmen zu können.

Die verschiedenen Erfahrungen der Herrschaft des Proletariats und der jeweiligen Rolle der kommunistischen Parteien in der Sowjetunion, in der DDR und weiteren sozialistischen Staaten ist gründlich zu studieren, um Schlüsse für die Sicherung des kommunistischen Charakters der Entwicklung eines künftigen sozialistischen Staates zu entwickeln. Insbesondere die Erfahrungen der Sowjetunion sind überlagert von antikommunistischen und unwissenschaftlichen Betrachtungen ihrer Geschichte.

Der Zusammenhang von Übergangsvorstellungen vom Kapitalismus zum Sozialismus, wie sie sich vermehrt nach dem zweiten Weltkrieg innerhalb der kommunistischen Weltbewegung verbreitet haben, und Vorstellungen zur Organisation der Arbeitermacht nach dem Sieg der proletarischen Revolution ist genauer zu untersuchen.

Bezug zu den Grundannahmen[Bearbeiten]

Über die Notwendigkeit einer unabhängigen Organisation der Kommunisten im sozialistischen Aufbau hat schon die Pariser Kommune Aufschluss gegeben. So schreibt Lenin über die Kommune:


„Aber unsere Vorläufer, die Mitglieder der Internationale, wollten sich durchaus nicht mit der Kommune verschmelzen; sie bewahrten die ganze Zeit ihre besondere, rein proletarische Parteiorganisation.“
Lenin: Die Pariser Kommune und die Aufgaben der Demokratischen Diktatur, Sämtliche Werke, Band 8, S. 605-610


Das Verhältnis der werktätigen Massen zur revolutionären Vorhut der Klasse ist entscheidend für die Entwicklung und Vertiefung sozialistischer Beziehungen. Dabei beschreibt Lenin die doppelte Aufgabe dieses Verhältnisses als Einheit. Sowohl die führende Rolle der revolutionären Vorhut, die Notwendigkeit von Zwang gegenüber konterrevolutionären Kräften und kleinbürgerlichen Einstellungen als auch die ständige Aufbauarbeit, die Erziehung und Entwicklung der Massen zur selbstständigen Verwaltung der Gesellschaft sind zwei Seiten des sozialistischen Aufbaus.


„Wenn wir keine Anarchisten sind, müssen wir die Notwendigkeit des Staates, das beißt des Zwangs, für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus anerkennen. Die Form des Zwangs wird bestimmt durch den Entwicklungsgrad der gegebenen revolutionären Klasse, ferner durch solche besonderen Umstände wie zum Beispiel die Erbschaft eines langen und reaktionären Krieges, ferner durch die Formen des Widerstands der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums. Deshalb gibt es entschieden keinerlei prinzipiellen Widerspruch zwischen dem sowjetischen (d. h. dem sozialistischen) Demokratismus und der Anwendung der diktatorischen Gewalt einzelner Personen.“
Lenin, Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Lenin Werke Bd. 27, S. 259.


„Von dem Zeitpunkt an, da alle Mitglieder der Gesellschaft oder wenigstens ihre übergroße Mehrheit selbstgelernt haben, den Staat zu regieren, selbst die Staatsregierung in ihre Hände genommen haben, die Kontrolle ‚in Gang gebracht‘ haben über die verschwindend kleine Minderheit der Kapitalisten, über die Herrchen, die die kapitalistischen Allüren gern bewahren möchten, über die Arbeiter, die durch den Kapitalismus tief demoralisiert worden sind – von diesem Zeitpunkt an beginnt die Notwendigkeit jeglichen Regierens überhaupt zu schwinden. Je vollständiger die Demokratie, umso näher der Zeitpunkt, zu dem sie überflüssig wird. Je demokratischer der ‚Staat‘, der aus bewaffneten Arbeitern besteht und ‚schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr‘ ist, umso rascher beginnt jeder Staat abzusterben.
Denn wenn alle gelernt haben werden, selbstständig die gesellschaftliche Produktion zu leiten und sie in der Tat leiten werden, wenn sie selbstständig die Rechnungsführung und die Kontrolle über Müßiggänger, Herrensöhnchen, Gauner und ähnliche ‚Hüter der Traditionen des Kapitalismus‘ verwirklichen, dann wird das Umgehen dieser vom ganzen Volk durchgeführten Rechnungsführung und Kontrolle unvermeidlich so ungeheuer schwierig werden, eine so höchst seltene Ausnahme bilden und wahrscheinlich eine so rasche und ernsthafte Bestrafung mit sich ziehen […], daß die Notwendigkeit zur Einhaltung der unkomplizierten Grundregeln für jedes Zusammenleben von Menschen sehr bald zur Gewohnheit werden wird. Dann wird das Tor zum Übergang von der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft zu ihrer höheren Phase und damit auch zum völligen Absterben des Staates weit geöffnet sein.“
Lenin, Staat und Revolution, Lenin Werke Bd. 25, S. 488 f.


Arbeitsschritte[Bearbeiten]

Zur weiteren Klärung der Rolle der Partei im sozialistischen Aufbau wird es zunächst nötig sein, die Organisation der Arbeitermacht in ihrer Entwicklung in verschiedenen sozialistischen Ländern näher zu untersuchen. Dabei spielt die Sowjetunion eine entscheidende Rolle, da hier die Strukturen der Diktatur des Proletariats zuerst längerfristig entwickelt wurden. Das Verhältnis der Gewerkschaft und anderer Massenorganisationen, der Räte, des Volkskommissariats, der Partei etc. zueinander ist dabei zu untersuchen.

Inwiefern bilden sie eine organische Einheit der Arbeitermacht? Welche Rolle spielen die Räte auf regionaler Ebene? Welchen Charakter hatten die Wahlen der Deputierten? Wie verändert sich die Beziehung der Räte zur Partei, insbesondere mit der Verfassung von 1936. Inwiefern stellt sie einen Schritt zur Demokratisierung dar, oder auch nicht? Wie verändern sich die Partizipationsmöglichkeiten mit der Verfassung von 1977? Etc.

Die Vorstellung eines Mehrparteiensystems und einer parlamentarischen Ordnung im Sozialismus sind insbesondere für die Diskussion in Deutschland relevant. Dabei ist die theoretische Grundlage der Position der KPD über ein Mehrparteiensystem zu untersuchen. Inwiefern besteht ein Zusammenhang zu Übergangsvorstellungen zum Sozialismus, insbesondere zur Vorstellung der Antimonopolistischen Demokratie? Gibt es einen Zusammenhang zur antifaschistischen Bündnistaktik der Komintern vom VII. Weltkongress?

Besondere Relevanz hat für uns außerdem die Erfahrung des sozialistischen Aufbaus in der DDR. Der besondere historische Entstehungshintergrund der DDR schafft auch eine spezifische Konstellation der Arbeitermacht. Welche Rolle nehmen die Räte der Stadtbezirke, der Stadt und Gemeinde ein? Wie kann das Verhältnis zwischen der SED und den arbeitenden Massen gekennzeichnet werden, welchen organisatorischen Ausdruck findet es? Insbesondere muss hier die Rolle des Demokratischen Blocks der Parteien und Massenorganisationen bzw. die Nationale Front untersucht werden. Gibt es einen Zusammenhang zur Vorstellung eine Mehrparteiensystems, wie sie bspw. Steigerwald zum Ausdruck bringt? Wie ist die Rolle der SED innerhalb des Blocks zu bewerten? [Anm. KO: die Arbeitsschritte sollten nicht vornehmlich aus Fragen bestehen, sondern eben aus der Vorgehensweise bei deren Erarbeitung]

Dissens – programmatische Thesen[Bearbeiten]

In unseren programmatischen Thesen schreiben wir im Kapitel 9. Sozialismus und Kommunismus zum Thema der sozialistischen Demokratie und der Rolle der Kommunisten und ihrer Partei beim Aufbau des Sozialismus folgendes:


„Auch der Sozialismus kann nur unter Führung der Arbeiterklasse und mit ihren Verbündeten aufgebaut werden, unter der Diktatur des Proletariats. Diktatur des Proletariats bedeutet, dass die Arbeiterklasse sich gemeinsam mit den ihr verbündeten Schichten, z.B. Kleinbauern und kleine Selbstständige, Organe der politischen Herrschaft, der Verwaltung der Produktion und des gesellschaftlichen Lebens und schließlich auch Organe der politischen und militärischen Verteidigung der Revolution schafft. Während sie eine Diktatur gegen die Feinde der neuen Ordnung ist und alle Versuche zur Wiedererrichtung der Ausbeuterordnung konsequent bekämpft und unterdrückt, stellt sie für die breiten Volksmassen die umfassendste Demokratie dar. Denn auch wenn die kommunistische Partei auch im Sozialismus noch ihre ideologisch und politisch führende Rolle wahrnehmen und erkämpfen muss, liegt die Machtausübung in den Händen der Massen.“


„Damit ist die zentrale Planwirtschaft die Produktionsweise des Sozialismus. Sie ist gleichzeitig die demokratischste Form der Produktion, weil in ihr die breiten Massen selbst über die Gestaltung und Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen bestimmen.“


„Über die Gewerkschaften und andere Organisationen und Mechanismen waren die Massen in den Planungsprozess eingebunden, ebenso wie sie an der Mitwirkung in den Staatsorganen beteiligt wurden. Es bestanden bewaffnete Organe des Sozialismus, die der Macht der westdeutschen Bourgeoisie Grenzen setzten. Auf dieser Grundlage führte die SED die ostdeutsche Arbeiterklasse beim Aufbau des Sozialismus an. Obwohl es in der DDR verschiedene problematische Entwicklungen gab, war sie ein sozialistischer Staat und erst die Konterrevolution und Zerschlagung der DDR 1989/90 hat daran etwas geändert.“


„Fragen, mit denen wir uns im Rahmen unseres Klärungsprozesses beschäftigen werden, sind hier beispielsweise die Rolle der Räte und anderer möglicher Formen der Arbeiter- und Volksmacht im Sozialismus, die Rolle der kommunistischen Partei im sozialistischen Aufbau, die Geltung der Marxschen Kritik an der bürgerlichen ‚Gewaltenteilung‘, die Notwendigkeit, den Klassenkampf auch im Sozialismus zu führen, die Analyse der Ursachen der Konterrevolutionen und der revisionistischen Degeneration der kommunistischen Parteien im 20. Jahrhundert, dabei auch die Rolle der Bevölkerung und Mängel der sozialistischen Demokratie, die Frage der Kulturrevolution als Kampf gegen die ‚Muttermale der alten Gesellschaft‘[…].“


Insbesondere die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der sozialistischen Staaten, ihren Errungenschaften und Niederlagen kann die Frage danach welche Organisationsweise für den Aufbau sozialistischer Demokratie nötig sein werden, weiter voranbringen.


Literatur[Bearbeiten]

  • Lenin, W.I.: Der linke Radikalismus. Lenin Werke, Bd.31 S.1-105, 1920
  • Stalin; J.W.: Partei und Arbeiterklasse im System der Diktatur des Proletariats, In: Fragen des Leninismus. 1926