Bürgerliche Faschismustheorien: Unterschied zwischen den Versionen

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== Worum geht es  ==
 
== Worum geht es  ==
Wir stehen vor einer Fülle an bürgerlicher Faschismusforschung. Dabei werden verschiedenste Ansätze - ideengeschichtliche, sozialpsychologische<ref>Vgl. Westphal, Reinhard: Psychologische Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 32, 1965.</ref>, strukturalistische etc.<ref>Lozer, S. 417.</ref> - verfolgt. Die bürgerliche Forschung über den Faschismus wird in verschiedenen Disziplinen betrieben: in der Geschichtswisenschaft, in den Politikwissenschaften, der Psychologie, der Ökonomie und Anderen <ref>Ebd.</ref>.   
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Wir stehen vor einer Fülle an bürgerlicher Faschismusforschung. Dabei werden verschiedenste Ansätze - ideengeschichtliche, sozialpsychologische<ref>Vgl. Westphal, Reinhard: Psychologische Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 32, 1965.</ref>, strukturalistische etc.<ref>G. Lozek / R. Richter, Zur Auseinandersetzung mit vorherrschenden bürgerlichen Faschismustheorien, in: D. Eichholtz / K. Gossweiler (Hrsg.), Faschismus Forschung, Pahl-Rugenstein Verlag 1980, S. 418 -451, S. 417.</ref> - verfolgt. Die bürgerliche Forschung über den Faschismus wird in verschiedenen Disziplinen betrieben: in der Geschichtswissenschaft, in den Politikwissenschaften, der Psychologie, der Ökonomie und Anderen.   
  
 
Ein Hoch erlebte die akademische Faschismusforschung in den 1960er und 1970er Jahren. Damals gab es viele Arbeiten, die eine umfassende Faschismusbestimmung zum Ziel hatten. Aktuell entstehen vorwiegend eher Arbeiten zu einzelnen Phänomen wie einzelnen Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten, außerdem unzählige Detailstudien über den historischen deutschen Faschismus und Faschismus in anderen Ländern. Die politische Bandbreite der verschiedenen Theorien reicht von reaktionären, chauvinistischen bis hin zu links-bürgerlichen und sogenannten ''kritischen'' Ansätzen. Die verschiedenen Faschismuskonzeptionen beziehen sich sowohl auf den historischen Faschismus als auch auf Phänomene und Bewegungen nach 1945. Auch unter den Vertretern der bürgerlichen Faschismustheorien gab es zeitweise heftige Auseinandersetzungen, wie z.B. im sogenannten ''Historikerstreik'' (Habermas, Nolte). In jüngster Vergangenheit gibt es den zunehmenden Versuch den Faschismusbegriff von rechter Seite aufzugreifen, ihn antikommunistisch zu wenden und ihn so vollends auszuhöhlen. Dies geschieht zum Beispiel bei Pegida-Protesten oder durch die AfD. Gegendemonstranten und Antifaschisten werden als ''Faschisten'' difamiert. Oder  rechte Hetzer verschleiern ihren antimuslimischen Rassismus als Kampf gegen den ''Islamfaschismus''.  
 
Ein Hoch erlebte die akademische Faschismusforschung in den 1960er und 1970er Jahren. Damals gab es viele Arbeiten, die eine umfassende Faschismusbestimmung zum Ziel hatten. Aktuell entstehen vorwiegend eher Arbeiten zu einzelnen Phänomen wie einzelnen Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten, außerdem unzählige Detailstudien über den historischen deutschen Faschismus und Faschismus in anderen Ländern. Die politische Bandbreite der verschiedenen Theorien reicht von reaktionären, chauvinistischen bis hin zu links-bürgerlichen und sogenannten ''kritischen'' Ansätzen. Die verschiedenen Faschismuskonzeptionen beziehen sich sowohl auf den historischen Faschismus als auch auf Phänomene und Bewegungen nach 1945. Auch unter den Vertretern der bürgerlichen Faschismustheorien gab es zeitweise heftige Auseinandersetzungen, wie z.B. im sogenannten ''Historikerstreik'' (Habermas, Nolte). In jüngster Vergangenheit gibt es den zunehmenden Versuch den Faschismusbegriff von rechter Seite aufzugreifen, ihn antikommunistisch zu wenden und ihn so vollends auszuhöhlen. Dies geschieht zum Beispiel bei Pegida-Protesten oder durch die AfD. Gegendemonstranten und Antifaschisten werden als ''Faschisten'' difamiert. Oder  rechte Hetzer verschleiern ihren antimuslimischen Rassismus als Kampf gegen den ''Islamfaschismus''.  
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Die DDR-Faschismusforschung hat jahrzehntelang wichtige Auseinandersetzungen mit den bürgerlichen Wissenschaften geführt. Es ging hier nie nur um historische Abläufe, sondern im Kern um den inneren Zusammenhang zwischen [[AG_Deutscher_Imperialismus|Imperialismus]] und [[Grundannahmen_Faschismus|Faschismus]]. Die Auseinandersetzung um den Faschismusbegriff gehörte damals zu den wichtigsten Feldern im ideologischen Klassenkampf zwischen Sozialismus und Imperialismus. Nicht zuletzt, weil die Legitimationsideologie der BRD maßgeblich auf der oberflächlichen Abgrenzung vom Faschismus beruhte, während es im westdeutschen Staatsapparat gleichzeitig massive personelle, institutionelle und ideologische Kontinuitäten gab und die ökonomische Basis der Gesellschaft, die den Faschismus hervorgebracht hatte, nach wie vor intakt war.   
 
Die DDR-Faschismusforschung hat jahrzehntelang wichtige Auseinandersetzungen mit den bürgerlichen Wissenschaften geführt. Es ging hier nie nur um historische Abläufe, sondern im Kern um den inneren Zusammenhang zwischen [[AG_Deutscher_Imperialismus|Imperialismus]] und [[Grundannahmen_Faschismus|Faschismus]]. Die Auseinandersetzung um den Faschismusbegriff gehörte damals zu den wichtigsten Feldern im ideologischen Klassenkampf zwischen Sozialismus und Imperialismus. Nicht zuletzt, weil die Legitimationsideologie der BRD maßgeblich auf der oberflächlichen Abgrenzung vom Faschismus beruhte, während es im westdeutschen Staatsapparat gleichzeitig massive personelle, institutionelle und ideologische Kontinuitäten gab und die ökonomische Basis der Gesellschaft, die den Faschismus hervorgebracht hatte, nach wie vor intakt war.   
  
Auch bundesdeutsche antiimperialistische und antifaschistische Wissenschaftler haben sich entschieden den bürgerlichen Versuchen einer Revision und Relativierung des Faschismus und der Schuld des deutschen Imperialismus entgegengestellt. Zu nennen sind hier stellvertretend Reinhard Opitz, Wolfgang Abendroth und die ''Marburger Schule''.  
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Auch antifaschistische Wissenschaftler in der BRD haben sich entschieden den bürgerlichen Versuchen einer Revision und Relativierung des Faschismus und der Schuld des deutschen Imperialismus entgegengestellt. Zu nennen sind hier stellvertretend Reinhard Opitz, Wolfgang Abendroth und die ''Marburger Schule''.  
  
 
Die Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Faschismustheorien hat immer noch große Bedeutung für uns: Für die Herstellung von Klassenbewusstsein, für unseren antifaschistischen Kampf – denn diese bürgerlichen Faschismustheorien sind es, die in der Arbeiterklasse tagtäglich durch das Bildungssystem und die Medien verbreitet werden. Sie führen zu vielen falschen Vorstellungen über die Geschichte Deutschlands und über den deutschen Staat, zu einer Verschleierung der wirklichen Verantwortlichen für die Gräuel des Faschismus und des Zweiten Weltkrieges. Falsche Faschismuserklärungen sind aber auch eines der wichtigsten Instrumente der Herrschenden zur Verschleierung der Gesetzmäßigkeiten der Geschichte: Geschichte wird so unerklärlich, als Ergebnis der Taten ''großer'' oder eben ''teuflischer'' Männer. Das revolutionäre Potenzial und die Macht der kämpfenden Massen wird verschleiert. Apathie, Zynismus und falsche Identifikationsmomente sind die Folgen. Der Kampf um die richtige Faschismustheorie ist auch der Kampf für die Wiederaneignung des Kampfes der Arbeiterbewegung und damit seiner heroischen Kämpfer und Vorbilder.   
 
Die Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Faschismustheorien hat immer noch große Bedeutung für uns: Für die Herstellung von Klassenbewusstsein, für unseren antifaschistischen Kampf – denn diese bürgerlichen Faschismustheorien sind es, die in der Arbeiterklasse tagtäglich durch das Bildungssystem und die Medien verbreitet werden. Sie führen zu vielen falschen Vorstellungen über die Geschichte Deutschlands und über den deutschen Staat, zu einer Verschleierung der wirklichen Verantwortlichen für die Gräuel des Faschismus und des Zweiten Weltkrieges. Falsche Faschismuserklärungen sind aber auch eines der wichtigsten Instrumente der Herrschenden zur Verschleierung der Gesetzmäßigkeiten der Geschichte: Geschichte wird so unerklärlich, als Ergebnis der Taten ''großer'' oder eben ''teuflischer'' Männer. Das revolutionäre Potenzial und die Macht der kämpfenden Massen wird verschleiert. Apathie, Zynismus und falsche Identifikationsmomente sind die Folgen. Der Kampf um die richtige Faschismustheorie ist auch der Kampf für die Wiederaneignung des Kampfes der Arbeiterbewegung und damit seiner heroischen Kämpfer und Vorbilder.   
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=== Welche Positionen & Thesen gibt es ===
 
=== Welche Positionen & Thesen gibt es ===
„Im engeren Sinne wird die bürgerliche Faschismusgeschichtsschreibung von zwei Zielstellungen bestimmt: Erstens das kapitalistische System vom Schandmal des Faschismus reinzuwaschen, d.h. faschistische Bewegungen und vor allem faschistische Herrschaftsformen als etwas der ‚westlichen‘, der ‚demokratisch-pluralistischen Gesellschaft‘ Wesensfremdes hinzustellen; zweitens zugleich die faschistischen Bewegungen, Herrschaftsformen und -methoden auf ihre Brauchbarkeit für die Stabilisierung des kapitalistischen Systems nach innen sowie für sein expansives Vorgehen nach außen zu untersuchen."<ref>Lozek / Richter S. 418</ref>
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{{Zitat|Im engeren Sinne wird die bürgerliche Faschismusgeschichtsschreibung von zwei Zielstellungen bestimmt: Erstens das kapitalistische System vom Schandmal des Faschismus reinzuwaschen, d.h. faschistische Bewegungen und vor allem faschistische Herrschaftsformen als etwas der ‚westlichen‘, der ‚demokratisch-pluralistischen Gesellschaft‘ Wesensfremdes hinzustellen; zweitens zugleich die faschistischen Bewegungen, Herrschaftsformen und -methoden auf ihre Brauchbarkeit für die Stabilisierung des kapitalistischen Systems nach innen sowie für sein expansives Vorgehen nach außen zu untersuchen.<ref>Ebd. S.418</ref>|}}
  
Zwei Grundlinien der bürgerlichen Faschismuskonzeptionen lassen sich grob voneinander abgrenzen: 1.) offen reaktionär-rehabilitionistische, oft auch sehr antikomplexe und vereinfachende, reduktionistische Theorien, hierzu zählen z.B. die Führertheorie und die Totalitarismusdoktrin. Spätestens ab den 1970ern waren deren Vertreter offen antikommunistisch. 2.) Versuche der komplexeren Erfassungen des Faschismus, die allerdings mit Fehlannahmen arbeiteten und letztendlich objektiv auch Relativierungen der marxistischen Faschismustheorien bedeuteten. Diese Konzeptionen berücksichtigen oft soziale und ökonomische Faktoren, entstanden auch aus der Tatsache heraus, dass die Ergebnisse der Diskussionen in der Kommunistischen Internationalen und der marxistisch-leninistischen Forschung nicht mehr ignoriert werden konnten. 
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Zwei Grundlinien der bürgerlichen Faschismuskonzeptionen lassen sich grob voneinander abgrenzen:  
  
Die bürgerliche Faschismusforschung erweist sich seit ihren Anfängen als unfähig, das Wesen des Faschismus richtig zu fassen. Da ihnen ein historisch-materialistisches Geschichtsverständnis fehlt, sind sie unfähig, den Faschismus (Überbau) als Phänomen des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium (Basis) zu begreifen.<ref>Vgl. ebd. 420</ref>
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1.) offen reaktionär-rehabilitionistische, oft auch sehr antikomplexe und vereinfachende, reduktionistische Theorien, hierzu zählen z.B. die Führertheorie und die Totalitarismusdoktrin. Spätestens ab den 1970ern waren deren Vertreter offen antikommunistisch.
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2.) Versuche der komplexeren Erfassungen des Faschismus, die allerdings mit Fehlannahmen arbeiteten und letztendlich objektiv auch Relativierungen der marxistischen Faschismustheorien bedeuteten. Diese Konzeptionen berücksichtigen oft soziale und ökonomische Faktoren, entstanden auch aus der Tatsache heraus, dass die Ergebnisse der Diskussionen in der Kommunistischen Internationalen und der marxistisch-leninistischen Forschung nicht mehr ignoriert werden konnten. 
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Die bürgerliche Faschismusforschung erweist sich seit ihren Anfängen als unfähig, das Wesen des Faschismus richtig zu fassen. Da ihnen ein historisch-materialistisches Geschichtsverständnis fehlt, sind sie unfähig, den Faschismus (Überbau) als Phänomen des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium (Basis) zu begreifen.<ref>Vgl. ebd. S. 420</ref>
  
 
=== Kurzer Historischer Abriss ===
 
=== Kurzer Historischer Abriss ===
 
In den 1920er und 1930er Jahre begriffen viele den Faschismus als ausschließlich italienisches Phänomen. Während eine solche Auffassung zu diesem Zeitpunkt verständlich war, wurde sie nach dem Krieg in problematischer Weise von Theoretikern wie Renzo de Felice aufgegriffen, der für einen Faschismusbegriff argumentiert, der auf Mussolinis Herrschaft beschränkt ist.   
 
In den 1920er und 1930er Jahre begriffen viele den Faschismus als ausschließlich italienisches Phänomen. Während eine solche Auffassung zu diesem Zeitpunkt verständlich war, wurde sie nach dem Krieg in problematischer Weise von Theoretikern wie Renzo de Felice aufgegriffen, der für einen Faschismusbegriff argumentiert, der auf Mussolinis Herrschaft beschränkt ist.   
  
In den Jahren zwischen 1933-45 zeichneten sich die Arbeiten zum Faschismus durch eine Konzentration auf Deutschland aus. Viele Arbeiten über den Faschismus entstanden in der Emigration, darunter die von Arthur Rosenberg, Max Horkheimer und Otto Bauer. In eine andere Richtung ging die ''Totalitarismustheorie'', die in den USA entstand.<ref>Vgl. ebd. 420f</ref> Diese erklärte den Faschismus als ''totalitäre'' Herrschaft, der sie die bürgerliche Demokratie gegenüberstellten. Die Beschreibung als ''totalitär'' wurde zugleich auf die marxistisch-leninistische Partei und die Sowjetunion ausgeweitet. Sie gewann in der Nachkriegszeit weiter an Bedeutung und wurde im Zug des Kalten Krieges weiterentwickelt. Die Gleichsetzung der Sowjetunion und des ''Nationalsozialismus'' als ''totalitäre'' Regime entsprachen perfekt dem Ideologiebedarf des US-Imperialismus. Wichtige Vertreter dieses Ansatzes waren Carl J. Friedrich und Hannah Arendt. Letztere wird auch in linken Kreisen zum Teil wohlwollend gelesen. Bis heute ist die Totalitarismustheorie eine wichtige imperialistische Propagandadoktrin, die sich in verschiedenen Abwandlungen (''Hufeisentheorie, Extremismustheorie'') in Schulbüchern, beim Verfassungsschutz und als Ideologie der bürgerlichen Parteien findet.   
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In den Jahren zwischen 1933-45 zeichneten sich die Arbeiten zum Faschismus durch eine Konzentration auf Deutschland aus. Viele Arbeiten über den Faschismus entstanden in der Emigration, darunter die von Arthur Rosenberg, Max Horkheimer und Otto Bauer. In eine andere Richtung ging die ''Totalitarismustheorie'', die in den USA entstand.<ref>Vgl. ebd. S.420f</ref> Diese erklärte den Faschismus als ''totalitäre'' Herrschaft, der sie die bürgerliche Demokratie gegenüberstellten. Die Beschreibung als ''totalitär'' wurde zugleich auf die marxistisch-leninistische Partei und die Sowjetunion ausgeweitet. Sie gewann in der Nachkriegszeit weiter an Bedeutung und wurde im Zug des Kalten Krieges weiterentwickelt. Die Gleichsetzung der Sowjetunion und des ''Nationalsozialismus'' als ''totalitäre'' Regime entsprachen perfekt dem Ideologiebedarf des US-Imperialismus. Wichtige Vertreter dieses Ansatzes waren Carl J. Friedrich und Hannah Arendt. Letztere wird auch in linken Kreisen zum Teil wohlwollend gelesen. Bis heute ist die Totalitarismustheorie eine wichtige imperialistische Propagandadoktrin, die sich in verschiedenen Abwandlungen (''Hufeisentheorie, Extremismustheorie'') in Schulbüchern, beim Verfassungsschutz und als Ideologie der bürgerlichen Parteien findet.   
  
In der BRD-Historiographie dominierten bald nach Kriegsende Versuche, den Faschismus zu mystifizieren, in dem die Person Hitlers dämonisiert wurde und zum Alleinschuldigen erklärt wurde, der das deutsche Volk verführt habe (Joachim Fest u.a.). Diese Führertheorie („Hitlerismus“) löste für die deutsche Nachkriegsgesellschaft unbequeme Fragen und diente der Entschuldigung des deutschen Kapitals und der deutschen Eliten, die nun wieder die führenden Positionen im BRD-Staat besetzen konnten. Bis heute ist die “Führertheorie” in Deutschland weit verbreitet, nicht nur in “populärwissenschaftlichen” Dokumentation, die durch massenmedial weite Verbreitung finden sondern auch im bundesdeutschen Schulunterricht und in der Unterhaltungsliteratur (z.B. der Bestseller „Er ist wieder da“).  
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In der BRD-Historiographie dominierten bald nach Kriegsende Versuche, den Faschismus zu mystifizieren, in dem Hitler zum Alleinschuldigen erklärt wurde, der das deutsche Volk verführt habe (Joachim Fest u.a.). Diese ''Führertheorie'' (''Hitlerismus'') löste für die deutsche Nachkriegsgesellschaft unbequeme Fragen und diente der Entschuldigung des deutschen Kapitals und der deutschen Eliten, die nun wieder die führenden Positionen im BRD-Staat besetzen konnten. Bis heute ist die ''Führertheorie'' in Deutschland weit verbreitet, nicht nur in populärwissenschaftlichen Dokumentation, die massenmedial weite Verbreitung finden, sondern auch im bundesdeutschen Schulunterricht und in der Unterhaltungsliteratur (z.B. der Bestseller ''Er ist wieder da'').  
  
Doch die bürgerliche Wissenschaft konnte die Ergebnisse und Überlegenheit der marxistischen Forschung nicht komplett ignorieren. Ab den 1960ern entwickelten sich in der bürgerlichen Wissenschaft zunehmend komplexere Theorien, wozu außerdem die veränderte politische Situation beitrug. Der Zusammenhang zwischen Faschismus und Imperialismus konnte nicht mehr vollständig verschleiert werden – die Rolle zumindest der Industriemonopole musste erklärt werden. Hier zu nennen sind beispielsweise strukturalistische Ansätze, wie der von Wolfgang Schieder oder verschiedene Varianten einer “Modernisierungstheorie” (Dahrendorf, Mommsen). Letztere besagt, der Faschismus sei eine mögliche Stufe auf der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften gewesen und dreht sich um die Frage, ob der Faschismus – der sonst häufig als „antimodern“ charakterisiert wurde – nicht einen „Stoß in die Modernität” zur Folge hatte (Lozek/Richter, S. 428). Diese Theorien sind zum einen Zugeständnisse der westdeutschen Historiografie an die marxistisch-leninistische Forschung, da sie mit sozialen und ökonomischen Faktoren operieren. Auf der anderen Seite führten sie durch ihren Einfluss in antifaschistischen Kreisen auch zu Desorientierung und Verwässerung, da sie zum Beispiel die konkrete Kritik des Imperialismus durch eine allgemeine Zivilisationskritik ersetzten.                                                                                                               
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Doch die bürgerliche Wissenschaft konnte die Ergebnisse und Überlegenheit der marxistischen Forschung nicht komplett ignorieren. Ab den 1960ern entwickelten sich in der bürgerlichen Wissenschaft zunehmend komplexere Theorien, wozu außerdem die veränderte politische Situation beitrug. Der Zusammenhang zwischen Faschismus und Imperialismus konnte nicht mehr vollständig verschleiert werden – zumindest die Rolle der Industriemonopole musste erklärt werden. Hier zu nennen sind beispielsweise strukturalistische Ansätze, wie der von Wolfgang Schieder oder verschiedene Varianten einer ''Modernisierungstheorie'' (Dahrendorf, Mommsen). Letztere besagt, der Faschismus sei eine mögliche Stufe auf der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften gewesen und dreht sich um die Frage, ob der Faschismus – der sonst häufig als ''antimodern'' charakterisiert wurde – nicht einen „Stoß in die Modernität”<ref>Ebd. S.428</ref> zur Folge hatte. Diese Theorien sind zum einen Zugeständnisse der westdeutschen Historiografie an die marxistisch-leninistische Forschung, da sie mit sozialen und ökonomischen Faktoren operieren. Auf der anderen Seite führten sie durch ihren Einfluss in antifaschistischen Kreisen auch zu Desorientierung und Verwässerung, da sie z.B. die konkrete Kritik des Imperialismus durch eine allgemeine Zivilisationskritik ersetzten.                                                                                                               
  
In den 1970ern und frühen 1980ern gewannen folgende Modelle (wieder) an Bedeutung: Das sogenannte „Gruppenmodell“ (Neumann, Schweitzer), welches von einer Machtteilung zwischen den verschiedenen Gruppen im Faschismus (z.B. “Partei, Armee, Bürokratie und Industrie)(Lozek/Richter, S. 430) ausgeht. Auch Varianten der auf Thalheimer zurückgehenden Bonapartismustheorie (siehe oben) galten nun zunehmend als ”marxistische” Theorien, die der "Sowjet-Treuen" Forschung entgegengestellt wurden. Außerdem wurde in Auseinandersetzung sozialdemokratischer Wissenschaftler mit Lenins Imperialismustheorie das Konzept des „organisierten Kapitalismus“ in Anlehnung an das Kapitalismusmodell von Max Weber, entwickelt und mit der Faschismusfrage verbunden (Lozek/Richter 433). “Faschistische Diktaturen figurieren in dieser Lesart als Hilfsmittel, um in hochentwickelten kapitalistischen Ländern Konzentrations- und Zentralisationstendenzen in der Ökonomie zu verstärken und dabei zugleich die Massen zu disziplinieren […](Lozek/Richter: 434).
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In den 1970ern und frühen 1980ern gewannen folgende Modelle (wieder) an Bedeutung: Das sogenannte ''Gruppenmodell'' (Neumann, Schweitzer), welches von einer Machtteilung zwischen den verschiedenen Gruppen im Faschismus (Partei, Armee, Bürokratie und Industrie) ausgeht.<ref>Vgl. ebd. S.430</ref> Auch Varianten der auf Thalheimer zurückgehenden [[Faschismus_und_Bonapartismus|Bonapartismustheorie]] galten nun zunehmend als marxistische Theorien, die der ''sowjet-treuen'' Forschung entgegengestellt wurden. Außerdem wurde in Auseinandersetzung sozialdemokratischer Wissenschaftler mit Lenins Imperialismustheorie das Konzept des [[Der_Platz_des_Imperialismus_in_der_Geschichte#Zur_Theorie|organisierten Kapitalismus]] in Anlehnung an das Kapitalismusmodell von Max Weber, entwickelt und mit der Faschismusfrage verbunden.<ref>Vgl. ebd. S.433</ref> “Faschistische Diktaturen figurieren in dieser Lesart als Hilfsmittel, um in hochentwickelten kapitalistischen Ländern Konzentrations- und Zentralisationstendenzen in der Ökonomie zu verstärken und dabei zugleich die Massen zu disziplinieren.<ref>Vgl. ebd. S.434</ref>
  
Einen weiteren Zweig der bürgerlichen Faschismusforschung bildet das Bestreben, den Volksmassen die Schuld am Faschismus zuzuschieben. Diese Bestrebung finden ihren Ausdruck in der Behauptung, der Faschismus sei aus dem Nationalismus von unten, sogar als nationalistischer Klassenkampf an die Macht gekommen (Lozek/Richter, S. 440). Nach Ende des Krieges gewannen außerhalb von Deutschland Deutung des Faschismus an Einfluss, die ihn als „deutschen Sonderweg“, als „nationalistische Volksbewegung” (Lozek/Richter 422) begriffen, die im „deutschen Wesen“ angelegt sei. Daraus wurde die These der „nationalen Singularität“ abgeleitet, außerdem die Entwicklung der Kollektivschuldthese. Diese These ging davon aus, nicht etwa die Monopolbourgeoisie oder andere gesellschaftliche Eliten hätten die faschistische Bewegung aufgebaut und an die Macht gebracht, sondern die fanatisierten Massen, allen voran die Arbeiterklasse, hätten den Faschismus und dessen Verbrechen zu verantworten. Entsprechende Kampagnen wurden zum Beispiel von der Psychological Warfare Division der allierten Streitkräfte kreiert, bei der in Deutschland Plakate mit Bildern aus den KZs mit Aufschriften wie “Diese Schandtaten: Eure Schuld” aufgehängt wurden. Ähnliche Richtungen, die sich vor allem auf die empirische Erforschung sozialer Bewegungen und deren Zusammensetzung konzentrieren, erklären den Faschismus aus der sozialen und politischen Situation einzelner Gruppen, meist dem städtischen Kleinbürgertum, als eigenständige Bewegung dieser Schichten (”Mittelstandsthese”). Außerdem wird die Selbstdarstellung der NSDAP übernommen und diese als eine wahrhafte ”Volkspartei” gedeutet, in welcher verschiedene soziale Gruppen ihre Interessen gewahrt sahen. Noch verfälschender und antikommunistisch motiviert, sind solche Ansätze, die eine ”wesensbedingte Affinität” zwischen Arbeiterklasse und Faschismus zu finden versuchten. Solche Versuche wie von Karl Dietrich Bracher, übernehmen die demagogische Selbstbezeichnung der Faschisten als ”sozialistisch” und ”Arbeiterpartei”. Um mehr Differenziertheit bemüht sind Anschauungen, die eine militaristische und reaktionäre deutsche Denk- und Wesenstradition als ursächlich für den deutschen imperialistischen Expansionismus und die faschistische Diktatur ausmachen. Das demokratische Erbe Deutschlands wird negiert und im Extremfall ein völkerpsychologisch-biologistisches Bild eines deutschen Wesens gezeichnet. Aber auch Vorstellungen wie der Faschismus als Verwirklichung des deutschen Nationalgedanken sind nach wie vor verbreitet.   
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Einen weiteren Zweig der bürgerlichen Faschismusforschung bildet das Bestreben, den Volksmassen die Schuld am Faschismus zuzuschieben. Diese Bestrebung finden ihren Ausdruck in der Behauptung, der Faschismus sei aus dem Nationalismus von unten, sogar als ''nationalistischer'' Klassenkampf an die Macht gekommen.<ref>Vgl. ebd. S.440</ref> Nach Ende des Krieges gewannen außerhalb Deutschlands Deutungen an Einfluss, die den Faschismus als „deutschen Sonderweg“, als „nationalistische Volksbewegung” begriffen, die im „deutschen Wesen“ angelegt sei.<ref>Ebd. S.422</ref> Daraus wurde die ''Kollektivschuldthese'' und die These der ''nationalen Singularität'' abgeleitet. Diese Thesen gehen davon aus, dass nicht etwa die Monopolbourgeoisie oder andere gesellschaftliche Eliten die faschistische Bewegung aufgebaut und an die Macht gebracht hätten. Sondern die fanatisierten Massen, allen voran die Arbeiterklasse, hätten den Faschismus und dessen Verbrechen zu verantworten. Entsprechende Kampagnen wurden zum Beispiel von der ''Psychological Warfare Division'' der allierten Streitkräfte kreiert, bei der in Deutschland Plakate mit Bildern aus den KZs mit Aufschriften wie ''Diese Schandtaten: Eure Schuld'' aufgehängt wurden. Ähnliche Richtungen, die sich vor allem auf die empirische Erforschung sozialer Bewegungen und deren Zusammensetzung konzentrieren, erklären den Faschismus aus der sozialen und politischen Situation einzelner Gruppen, meist dem städtischen Kleinbürgertum, als eigenständige Bewegung dieser Schichten (''Mittelstandsthese''). Außerdem wird die Selbstdarstellung der NSDAP übernommen und diese als eine wahrhafte ''Volkspartei'' gedeutet, in welcher verschiedene soziale Gruppen ihre Interessen gewahrt sahen. Noch verfälschender und antikommunistisch motiviert, sind solche Ansätze, die eine ''wesensbedingte Affinität'' zwischen Arbeiterklasse und Faschismus zu finden suchen. Solche Versuche, wie von Karl Dietrich Bracher, übernehmen die demagogische Selbstbezeichnung der Faschisten als ''sozialistisch'' und ''Arbeiterpartei''. Um mehr Differenziertheit bemüht sind Anschauungen, die eine militaristische und reaktionäre deutsche Denk- und Wesenstradition als ursächlich für den deutschen imperialistischen Expansionismus und die faschistische Diktatur ausmachen. Das demokratische Erbe Deutschlands wird dabei negiert und im Extremfall ein völkerpsychologisch-biologistisches Bild eines deutschen Wesens gezeichnet. Aber auch Vorstellungen wie der Faschismus als Verwirklichung des deutschen Nationalgedanken sind nach wie vor verbreitet.   
  
Zum Schluss sind noch subjektivistische Theorien zu nennen, die bis heute großen Einfluss haben. Ihr Geschichtsverständnis ist durch eine Verabsolutierung und Überbetonung des subjektiven Faktors gekennzeichnet. Am krassesten zeigt sich diese Psychologisierung in der Welle an “Hitler-Darstellungen” (s.o.).
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Zum Schluss sind noch subjektivistische Theorien zu nennen, die bis heute großen Einfluss haben. Ihr Geschichtsverständnis ist durch eine Verabsolutierung und Überbetonung des subjektiven Faktors gekennzeichnet. Am krassesten zeigt sich diese Psychologisierung in der Fülle an ''Hitler-Darstellungen''.
  
 
=== Zusammenfassung ===
 
=== Zusammenfassung ===
Trotz ihrer großen Unterschiede und teilweise entgegengesetzen politischen Grundannahmen vereint die bürgerlichen Faschismuskonzeptionen allesamt die Ablehnung der marxistisch-leninistischen Faschismustheorie. Es sind hauptsächlich drei Vorwürfe, die sie der marxistisch-leninistischen Forschnung machen: 1) Sie stünde in Widerspruch & Diskrepanz zu empirischer historischer Forschung. 2)Dogmatismus: Zusammenhang Kapitalismus, Faschismus 3) Die sozialistische Faschismusforschung betreibe eine unzulässige Übertragung der Erfahrungen des deutschen Faschismus auf andere Länder und Bewegungen (Lozek 447).
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Trotz ihrer großen Unterschiede und teilweise entgegengesetzen politischen Grundannahmen vereint die bürgerlichen Faschismuskonzeptionen allesamt die Ablehnung der marxistisch-leninistischen Faschismustheorie. Es sind hauptsächlich drei Vorwürfe, die sie der marxistisch-leninistischen Forschnung machen: 1.) Sie stünde in Widerspruch & Diskrepanz zu empirischer historischer Forschung. 2.)Dogmatismus: Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus 3.) Die sozialistische Faschismusforschung betreibe eine unzulässige Übertragung der Erfahrungen des deutschen Faschismus auf andere Länder und Bewegungen.<ref>Vgl. ebd. S. 447</ref>
  
 
== Bezug zu den Grundannahmen ==
 
== Bezug zu den Grundannahmen ==
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Ist in Arbeit.
  
 
== Was steht dazu in den Programmatischen Thesen ==
 
== Was steht dazu in den Programmatischen Thesen ==
"Andere Faschismuserklärungen, die den Faschismus beispielsweise als eine Herrschaft von Einzelpersonen oder aber des Kleinbürgertums oder gar der Massen darstellen, sind falsch. Sie tragen zum Verständnis des Faschismus nichts bei und dienen objektiv dazu, die Bourgeoisie und ihren Staat von der Verantwortung für den Faschismus reinzuwaschen oder ihre Rolle zu relativieren." (K.O., Programmatische Thesen, Abschnitt Faschismus und Antifaschismus).
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Siehe hierzu die Abschnitte zum [https://kommunistische.org/programmatische-thesen/#4_Der_Imperialismus Imperialismus], zum [https://kommunistische.org/programmatische-thesen/#5_Faschismus_und_Antifaschismus Faschismus und Antifaschismus] und zum [https://kommunistische.org/programmatische-thesen/#12_Der_Kampf_gegen_Opportunismus_und_Revisionismus Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus] in den ''Programmatischen Thesen''.
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Unsere weltanschauliche Grundlage ist der wissenschaftliche Sozialismus. Deshalb halten wir auch in den ''Programmatischen Thesen'' fest:
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{{Zitat|Wenn wir die Gesellschaft verändern wollen, müssen wir diese verstehen. Das können wir nur mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Eine solche Herangehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht bei der Betrachtung von Erscheinungen stehen bleibt, sondern diese auf der Grundlage der ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten untersucht.|Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.4.}}
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Zum Zusammenhang von Imperialismus und Faschismus äußern wir uns folgendermaßen:
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{{Zitat|Der heutige Kapitalismus ist imperialistischer Kapitalismus. […] Im Imperialismus ist der Drang zum internationalen Kapitalexport enorm erhöht. Weil die territoriale Aufteilung der Welt unter die imperialistischen Staaten und Monopolgruppen abgeschlossen ist, geht das internationale Agieren des Kapitals mit dem ständigen Drang zur Neuaufteilung einher. </br> </br>Das bedeutet Konflikte, Reibereien und schließlich auch Krieg. Der Imperialismus produziert Reaktion nach innen und Aggression nach außen. Imperialismus ist zwar mehr als nur aggressive Außenpolitik und militärische Aggression, aber diese Phänomene sind keine Abweichungen, sondern Wesenseigenschaften des Systems.|Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.8.}}
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{{Zitat|Als eine Gesellschaftsform, die von sich aus zur Reaktion tendiert, beinhaltet der Imperialismus ständig die Möglichkeit des Faschismus.|Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.11.}}
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In Bezug auf den bürgerlichen Faschismusbegriff schreiben wir:
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{{Zitat|Andere Faschismuserklärungen, die den Faschismus beispielsweise als eine Herrschaft von Einzelpersonen oder aber des Kleinbürgertums oder gar der Massen darstellen, sind falsch. Sie tragen zum Verständnis des Faschismus nichts bei und dienen objektiv dazu, die Bourgeoisie und ihren Staat von der Verantwortung für den Faschismus reinzuwaschen oder ihre Rolle zu relativieren.</br> </br> In bürgerlichen, aber auch in marxistischen Kreisen gibt es oft die Tendenz, den Faschismus in der Analyse als Gegenmodell der bürgerlichen Demokratie gegenüberzustellen. Damit ist jedoch eine falsche Vorstellung über die bürgerliche Klassenherrschaft verbunden, die in jedem Fall eine Klassendiktatur ist und entsprechend den Bedürfnissen des Kapitals und den Kräfteverhältnissen im Klassenkampf zwischen offenen und verdeckten Formen der Diktatur wechseln kann. Weder der Faschismus noch die bürgerliche Demokratie dürfen klassenneutral betrachtet werden. </br> </br> Ein weiterer häufiger Fehler besteht darin, relativ wahllos alle als schlecht empfundenen Regierungen, Länder oder Bewegungen als faschistisch zu bezeichnen. Damit wird der Faschismusbegriff ebenfalls von seinem Klasseninhalt getrennt und auf einen moralisierenden Kampfbegriff reduziert.|Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.11.}}
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{{Zitat|Die illusionäre Vorstellung, der Faschismus sei eine der bürgerlichen Demokratie absolut entgegengesetzte Herrschaftsform, läuft auf die Verteidigung des Kapitalismus in seinen weniger autoritären Varianten hinaus und unterminiert damit letzten Endes auch den antifaschistischen Kampf.|Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.12.}}
  
 
== Arbeitsschritte ==
 
== Arbeitsschritte ==
 
1. Ergänzen weiterer zentraler bürgerlicher Faschismustheoretiker. Es fehlen in dieser Überblickstellung u.A. noch:   
 
1. Ergänzen weiterer zentraler bürgerlicher Faschismustheoretiker. Es fehlen in dieser Überblickstellung u.A. noch:   
 
* Der Faschismus wird mit Methoden der Sozialpsychologie erklärt. Frankfurter Schule - Theorien des autoritären Charakters (Horkheimer, Adorno) - freudianische - sozialpsychologische Ansätze (Und früher: Wilhelm Reich's ''Massenpsychologie''), Erich Fromm's ''Furcht vor der Freiheit''
 
* Der Faschismus wird mit Methoden der Sozialpsychologie erklärt. Frankfurter Schule - Theorien des autoritären Charakters (Horkheimer, Adorno) - freudianische - sozialpsychologische Ansätze (Und früher: Wilhelm Reich's ''Massenpsychologie''), Erich Fromm's ''Furcht vor der Freiheit''
* E. Nolte   
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* Ernst Nolte   
 
* Faschismus als Bündnis   
 
* Faschismus als Bündnis   
* Zivilsationsbruch (Dan Diner)  
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* Zivilsationsbruch   
 
* Poststrukturalistische Ansätze  
 
* Poststrukturalistische Ansätze  
 
* Faschismus als „palingenetischer Ultranationalismus“ (Roger Griffin)  
 
* Faschismus als „palingenetischer Ultranationalismus“ (Roger Griffin)  
* Antideutsche Faschismustheorien (stehen in der Traditionslinie der „kritischen Theorie“), dabei vor allem Moishe Postone („Nationalsozialismus und Antisemitismus“) und die diversen Antisemitismus-Theorien.  
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* Antideutsche Faschismustheorien (stehen in der Traditionslinie der ''kritischen Theorie''), dabei vor allem Moishe Postone und die diversen Antisemitismus-Theorien.  
  
2. Generell muss die jüngste Faschismusforschung noch besser erfasst werden, das betrifft den Zeitraum ab 1989. Welche Auswirkung hatte die Konterrevolution auf die Entwicklung bürgerlicher Faschismustheorie? Welche Theorien sind heute am meisten verbreitet? In welchen Teilen der Arbeiterklasse spielen welche Erklärungsmodelle die größte Rolle?  Wie könnte sinnvolle Gegenaufklärung aussehen. Insbesondere solche Theorien die im Massenbewusstsein besonders großen Einfluss haben, sind für uns besonders relevant. Ebenso solche die in linken Kreisen große Verbreitung haben.  
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2. Generell muss die jüngste Faschismusforschung noch besser erfasst werden. Das betrifft den Zeitraum ab 1989. Welche Auswirkung hatte die Konterrevolution auf die Entwicklung bürgerlicher Faschismustheorie? Welche Theorien sind heute am meisten verbreitet? In welchen Teilen der Arbeiterklasse spielen welche Erklärungsmodelle die größte Rolle?  Wie könnte sinnvolle Gegenaufklärung aussehen. Insbesondere solche Theorien die im Massenbewusstsein besonders großen Einfluss haben, sind für uns besonders relevant. Ebenso solche die in linken Kreisen große Verbreitung haben.  
  
 
3. Die Literatur aus DDR und BRD, die eine sehr umfassende Auseinandersetzung mit diesen Theorien bereits geleistet hat, muss systematisch erfasst werden und wieder genutzt werden.
 
3. Die Literatur aus DDR und BRD, die eine sehr umfassende Auseinandersetzung mit diesen Theorien bereits geleistet hat, muss systematisch erfasst werden und wieder genutzt werden.
  
 
== Literatur / Quellen ==
 
== Literatur / Quellen ==
Eichholtz, Dietrich /Gossweiler, Kurt: Faschismus Forschung, Köln 1980.  
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*Eichholtz, D./Gossweiler, K.: Faschismus Forschung, Köln 1980.  
  
Haug, Wolfgang et al: Ideologische Komponenten in den Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 33, Hamburg 1965, S.1-34
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*Haug, Wolfgang et al: Ideologische Komponenten in den Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 33, Hamburg 1965, S.1-34
  
Kühnl, Reinhard: Faschismustheorien und Politik. Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Faschismustheorien. Ein Leitfaden, 1990 Distel Verlag.   
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*Kühnl, Reinhard: Faschismustheorien und Politik. Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Faschismustheorien. Ein Leitfaden, 1990 Distel Verlag.   
  
G. Lozek / R. Richter, Zur Auseinandersetzung mit vorherrschenden bürgerlichen Faschismustheorien, in: D. Eichholtz / K. Gossweiler (Hrsg.), Faschismus Forschung, Pahl-Rugenstein Verlag 1980, S. 418 -451.
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*Lozek, G./ Richter R: Zur Auseinandersetzung mit vorherrschenden bürgerlichen Faschismustheorien, in: Eichholtz, D./ Gossweiler, K. (Hrsg.): Faschismus Forschung, Berlin 1980, S. 418 -451.
  
Westphal, Reinhard: Psychologische Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 32, Hamburg 1965.
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*Westphal, Reinhard: Psychologische Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 32, Hamburg 1965.
  
 
== Einzelnachweise ==
 
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 9. April 2019, 14:31 Uhr

Zurück zu AG Staat, Faschismus und Sozialdemokratie


Worum geht es[Bearbeiten]

Wir stehen vor einer Fülle an bürgerlicher Faschismusforschung. Dabei werden verschiedenste Ansätze - ideengeschichtliche, sozialpsychologische[1], strukturalistische etc.[2] - verfolgt. Die bürgerliche Forschung über den Faschismus wird in verschiedenen Disziplinen betrieben: in der Geschichtswissenschaft, in den Politikwissenschaften, der Psychologie, der Ökonomie und Anderen.

Ein Hoch erlebte die akademische Faschismusforschung in den 1960er und 1970er Jahren. Damals gab es viele Arbeiten, die eine umfassende Faschismusbestimmung zum Ziel hatten. Aktuell entstehen vorwiegend eher Arbeiten zu einzelnen Phänomen wie einzelnen Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten, außerdem unzählige Detailstudien über den historischen deutschen Faschismus und Faschismus in anderen Ländern. Die politische Bandbreite der verschiedenen Theorien reicht von reaktionären, chauvinistischen bis hin zu links-bürgerlichen und sogenannten kritischen Ansätzen. Die verschiedenen Faschismuskonzeptionen beziehen sich sowohl auf den historischen Faschismus als auch auf Phänomene und Bewegungen nach 1945. Auch unter den Vertretern der bürgerlichen Faschismustheorien gab es zeitweise heftige Auseinandersetzungen, wie z.B. im sogenannten Historikerstreik (Habermas, Nolte). In jüngster Vergangenheit gibt es den zunehmenden Versuch den Faschismusbegriff von rechter Seite aufzugreifen, ihn antikommunistisch zu wenden und ihn so vollends auszuhöhlen. Dies geschieht zum Beispiel bei Pegida-Protesten oder durch die AfD. Gegendemonstranten und Antifaschisten werden als Faschisten difamiert. Oder rechte Hetzer verschleiern ihren antimuslimischen Rassismus als Kampf gegen den Islamfaschismus.

Die DDR-Faschismusforschung hat jahrzehntelang wichtige Auseinandersetzungen mit den bürgerlichen Wissenschaften geführt. Es ging hier nie nur um historische Abläufe, sondern im Kern um den inneren Zusammenhang zwischen Imperialismus und Faschismus. Die Auseinandersetzung um den Faschismusbegriff gehörte damals zu den wichtigsten Feldern im ideologischen Klassenkampf zwischen Sozialismus und Imperialismus. Nicht zuletzt, weil die Legitimationsideologie der BRD maßgeblich auf der oberflächlichen Abgrenzung vom Faschismus beruhte, während es im westdeutschen Staatsapparat gleichzeitig massive personelle, institutionelle und ideologische Kontinuitäten gab und die ökonomische Basis der Gesellschaft, die den Faschismus hervorgebracht hatte, nach wie vor intakt war.

Auch antifaschistische Wissenschaftler in der BRD haben sich entschieden den bürgerlichen Versuchen einer Revision und Relativierung des Faschismus und der Schuld des deutschen Imperialismus entgegengestellt. Zu nennen sind hier stellvertretend Reinhard Opitz, Wolfgang Abendroth und die Marburger Schule.

Die Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Faschismustheorien hat immer noch große Bedeutung für uns: Für die Herstellung von Klassenbewusstsein, für unseren antifaschistischen Kampf – denn diese bürgerlichen Faschismustheorien sind es, die in der Arbeiterklasse tagtäglich durch das Bildungssystem und die Medien verbreitet werden. Sie führen zu vielen falschen Vorstellungen über die Geschichte Deutschlands und über den deutschen Staat, zu einer Verschleierung der wirklichen Verantwortlichen für die Gräuel des Faschismus und des Zweiten Weltkrieges. Falsche Faschismuserklärungen sind aber auch eines der wichtigsten Instrumente der Herrschenden zur Verschleierung der Gesetzmäßigkeiten der Geschichte: Geschichte wird so unerklärlich, als Ergebnis der Taten großer oder eben teuflischer Männer. Das revolutionäre Potenzial und die Macht der kämpfenden Massen wird verschleiert. Apathie, Zynismus und falsche Identifikationsmomente sind die Folgen. Der Kampf um die richtige Faschismustheorie ist auch der Kampf für die Wiederaneignung des Kampfes der Arbeiterbewegung und damit seiner heroischen Kämpfer und Vorbilder.

Die Beschäftigung mit und das Erkennen von bürgerlichen Vorstellungen ist aber auch der einzige Weg, den Opportunismus in der kommunistische Bewegung zu erkennen und zu überwinden. Denn die Debatten in der Kommunistischen Weltbewegung finden nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum statt, sondern inmitten der ideologischen Hegemonie des Klassengegners. Letztendlich sind alle falschen Vorstellungen Möglichkeiten des Eindringens bürgerlicher Ideologien in die Arbeiterbewegung. Auf der anderen Seite verarbeiteten auch bürgerliche Theorien Versatzstücke an sozialistischen und marxistischen Erkenntnissen. Dies macht es oft noch schwerer, ihren bürgerlichen Kern zu entdecken.

Welche Positionen & Thesen gibt es[Bearbeiten]

„Im engeren Sinne wird die bürgerliche Faschismusgeschichtsschreibung von zwei Zielstellungen bestimmt: Erstens das kapitalistische System vom Schandmal des Faschismus reinzuwaschen, d.h. faschistische Bewegungen und vor allem faschistische Herrschaftsformen als etwas der ‚westlichen‘, der ‚demokratisch-pluralistischen Gesellschaft‘ Wesensfremdes hinzustellen; zweitens zugleich die faschistischen Bewegungen, Herrschaftsformen und -methoden auf ihre Brauchbarkeit für die Stabilisierung des kapitalistischen Systems nach innen sowie für sein expansives Vorgehen nach außen zu untersuchen.[3]


Zwei Grundlinien der bürgerlichen Faschismuskonzeptionen lassen sich grob voneinander abgrenzen:

1.) offen reaktionär-rehabilitionistische, oft auch sehr antikomplexe und vereinfachende, reduktionistische Theorien, hierzu zählen z.B. die Führertheorie und die Totalitarismusdoktrin. Spätestens ab den 1970ern waren deren Vertreter offen antikommunistisch.

2.) Versuche der komplexeren Erfassungen des Faschismus, die allerdings mit Fehlannahmen arbeiteten und letztendlich objektiv auch Relativierungen der marxistischen Faschismustheorien bedeuteten. Diese Konzeptionen berücksichtigen oft soziale und ökonomische Faktoren, entstanden auch aus der Tatsache heraus, dass die Ergebnisse der Diskussionen in der Kommunistischen Internationalen und der marxistisch-leninistischen Forschung nicht mehr ignoriert werden konnten.

Die bürgerliche Faschismusforschung erweist sich seit ihren Anfängen als unfähig, das Wesen des Faschismus richtig zu fassen. Da ihnen ein historisch-materialistisches Geschichtsverständnis fehlt, sind sie unfähig, den Faschismus (Überbau) als Phänomen des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium (Basis) zu begreifen.[4]

Kurzer Historischer Abriss[Bearbeiten]

In den 1920er und 1930er Jahre begriffen viele den Faschismus als ausschließlich italienisches Phänomen. Während eine solche Auffassung zu diesem Zeitpunkt verständlich war, wurde sie nach dem Krieg in problematischer Weise von Theoretikern wie Renzo de Felice aufgegriffen, der für einen Faschismusbegriff argumentiert, der auf Mussolinis Herrschaft beschränkt ist.

In den Jahren zwischen 1933-45 zeichneten sich die Arbeiten zum Faschismus durch eine Konzentration auf Deutschland aus. Viele Arbeiten über den Faschismus entstanden in der Emigration, darunter die von Arthur Rosenberg, Max Horkheimer und Otto Bauer. In eine andere Richtung ging die Totalitarismustheorie, die in den USA entstand.[5] Diese erklärte den Faschismus als totalitäre Herrschaft, der sie die bürgerliche Demokratie gegenüberstellten. Die Beschreibung als totalitär wurde zugleich auf die marxistisch-leninistische Partei und die Sowjetunion ausgeweitet. Sie gewann in der Nachkriegszeit weiter an Bedeutung und wurde im Zug des Kalten Krieges weiterentwickelt. Die Gleichsetzung der Sowjetunion und des Nationalsozialismus als totalitäre Regime entsprachen perfekt dem Ideologiebedarf des US-Imperialismus. Wichtige Vertreter dieses Ansatzes waren Carl J. Friedrich und Hannah Arendt. Letztere wird auch in linken Kreisen zum Teil wohlwollend gelesen. Bis heute ist die Totalitarismustheorie eine wichtige imperialistische Propagandadoktrin, die sich in verschiedenen Abwandlungen (Hufeisentheorie, Extremismustheorie) in Schulbüchern, beim Verfassungsschutz und als Ideologie der bürgerlichen Parteien findet.

In der BRD-Historiographie dominierten bald nach Kriegsende Versuche, den Faschismus zu mystifizieren, in dem Hitler zum Alleinschuldigen erklärt wurde, der das deutsche Volk verführt habe (Joachim Fest u.a.). Diese Führertheorie (Hitlerismus) löste für die deutsche Nachkriegsgesellschaft unbequeme Fragen und diente der Entschuldigung des deutschen Kapitals und der deutschen Eliten, die nun wieder die führenden Positionen im BRD-Staat besetzen konnten. Bis heute ist die Führertheorie in Deutschland weit verbreitet, nicht nur in populärwissenschaftlichen Dokumentation, die massenmedial weite Verbreitung finden, sondern auch im bundesdeutschen Schulunterricht und in der Unterhaltungsliteratur (z.B. der Bestseller Er ist wieder da).

Doch die bürgerliche Wissenschaft konnte die Ergebnisse und Überlegenheit der marxistischen Forschung nicht komplett ignorieren. Ab den 1960ern entwickelten sich in der bürgerlichen Wissenschaft zunehmend komplexere Theorien, wozu außerdem die veränderte politische Situation beitrug. Der Zusammenhang zwischen Faschismus und Imperialismus konnte nicht mehr vollständig verschleiert werden – zumindest die Rolle der Industriemonopole musste erklärt werden. Hier zu nennen sind beispielsweise strukturalistische Ansätze, wie der von Wolfgang Schieder oder verschiedene Varianten einer Modernisierungstheorie (Dahrendorf, Mommsen). Letztere besagt, der Faschismus sei eine mögliche Stufe auf der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften gewesen und dreht sich um die Frage, ob der Faschismus – der sonst häufig als antimodern charakterisiert wurde – nicht einen „Stoß in die Modernität”[6] zur Folge hatte. Diese Theorien sind zum einen Zugeständnisse der westdeutschen Historiografie an die marxistisch-leninistische Forschung, da sie mit sozialen und ökonomischen Faktoren operieren. Auf der anderen Seite führten sie durch ihren Einfluss in antifaschistischen Kreisen auch zu Desorientierung und Verwässerung, da sie z.B. die konkrete Kritik des Imperialismus durch eine allgemeine Zivilisationskritik ersetzten.

In den 1970ern und frühen 1980ern gewannen folgende Modelle (wieder) an Bedeutung: Das sogenannte Gruppenmodell (Neumann, Schweitzer), welches von einer Machtteilung zwischen den verschiedenen Gruppen im Faschismus (Partei, Armee, Bürokratie und Industrie) ausgeht.[7] Auch Varianten der auf Thalheimer zurückgehenden Bonapartismustheorie galten nun zunehmend als marxistische Theorien, die der sowjet-treuen Forschung entgegengestellt wurden. Außerdem wurde in Auseinandersetzung sozialdemokratischer Wissenschaftler mit Lenins Imperialismustheorie das Konzept des organisierten Kapitalismus in Anlehnung an das Kapitalismusmodell von Max Weber, entwickelt und mit der Faschismusfrage verbunden.[8] “Faschistische Diktaturen figurieren in dieser Lesart als Hilfsmittel, um in hochentwickelten kapitalistischen Ländern Konzentrations- und Zentralisationstendenzen in der Ökonomie zu verstärken und dabei zugleich die Massen zu disziplinieren.”[9]

Einen weiteren Zweig der bürgerlichen Faschismusforschung bildet das Bestreben, den Volksmassen die Schuld am Faschismus zuzuschieben. Diese Bestrebung finden ihren Ausdruck in der Behauptung, der Faschismus sei aus dem Nationalismus von unten, sogar als nationalistischer Klassenkampf an die Macht gekommen.[10] Nach Ende des Krieges gewannen außerhalb Deutschlands Deutungen an Einfluss, die den Faschismus als „deutschen Sonderweg“, als „nationalistische Volksbewegung” begriffen, die im „deutschen Wesen“ angelegt sei.[11] Daraus wurde die Kollektivschuldthese und die These der nationalen Singularität abgeleitet. Diese Thesen gehen davon aus, dass nicht etwa die Monopolbourgeoisie oder andere gesellschaftliche Eliten die faschistische Bewegung aufgebaut und an die Macht gebracht hätten. Sondern die fanatisierten Massen, allen voran die Arbeiterklasse, hätten den Faschismus und dessen Verbrechen zu verantworten. Entsprechende Kampagnen wurden zum Beispiel von der Psychological Warfare Division der allierten Streitkräfte kreiert, bei der in Deutschland Plakate mit Bildern aus den KZs mit Aufschriften wie Diese Schandtaten: Eure Schuld aufgehängt wurden. Ähnliche Richtungen, die sich vor allem auf die empirische Erforschung sozialer Bewegungen und deren Zusammensetzung konzentrieren, erklären den Faschismus aus der sozialen und politischen Situation einzelner Gruppen, meist dem städtischen Kleinbürgertum, als eigenständige Bewegung dieser Schichten (Mittelstandsthese). Außerdem wird die Selbstdarstellung der NSDAP übernommen und diese als eine wahrhafte Volkspartei gedeutet, in welcher verschiedene soziale Gruppen ihre Interessen gewahrt sahen. Noch verfälschender und antikommunistisch motiviert, sind solche Ansätze, die eine wesensbedingte Affinität zwischen Arbeiterklasse und Faschismus zu finden suchen. Solche Versuche, wie von Karl Dietrich Bracher, übernehmen die demagogische Selbstbezeichnung der Faschisten als sozialistisch und Arbeiterpartei. Um mehr Differenziertheit bemüht sind Anschauungen, die eine militaristische und reaktionäre deutsche Denk- und Wesenstradition als ursächlich für den deutschen imperialistischen Expansionismus und die faschistische Diktatur ausmachen. Das demokratische Erbe Deutschlands wird dabei negiert und im Extremfall ein völkerpsychologisch-biologistisches Bild eines deutschen Wesens gezeichnet. Aber auch Vorstellungen wie der Faschismus als Verwirklichung des deutschen Nationalgedanken sind nach wie vor verbreitet.

Zum Schluss sind noch subjektivistische Theorien zu nennen, die bis heute großen Einfluss haben. Ihr Geschichtsverständnis ist durch eine Verabsolutierung und Überbetonung des subjektiven Faktors gekennzeichnet. Am krassesten zeigt sich diese Psychologisierung in der Fülle an Hitler-Darstellungen.

Zusammenfassung[Bearbeiten]

Trotz ihrer großen Unterschiede und teilweise entgegengesetzen politischen Grundannahmen vereint die bürgerlichen Faschismuskonzeptionen allesamt die Ablehnung der marxistisch-leninistischen Faschismustheorie. Es sind hauptsächlich drei Vorwürfe, die sie der marxistisch-leninistischen Forschnung machen: 1.) Sie stünde in Widerspruch & Diskrepanz zu empirischer historischer Forschung. 2.)Dogmatismus: Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus 3.) Die sozialistische Faschismusforschung betreibe eine unzulässige Übertragung der Erfahrungen des deutschen Faschismus auf andere Länder und Bewegungen.[12]

Bezug zu den Grundannahmen[Bearbeiten]

Ist in Arbeit.

Was steht dazu in den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]

Siehe hierzu die Abschnitte zum Imperialismus, zum Faschismus und Antifaschismus und zum Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus in den Programmatischen Thesen.

Unsere weltanschauliche Grundlage ist der wissenschaftliche Sozialismus. Deshalb halten wir auch in den Programmatischen Thesen fest:

„Wenn wir die Gesellschaft verändern wollen, müssen wir diese verstehen. Das können wir nur mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Eine solche Herangehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht bei der Betrachtung von Erscheinungen stehen bleibt, sondern diese auf der Grundlage der ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten untersucht.“
Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.4.


Zum Zusammenhang von Imperialismus und Faschismus äußern wir uns folgendermaßen:

„Der heutige Kapitalismus ist imperialistischer Kapitalismus. […] Im Imperialismus ist der Drang zum internationalen Kapitalexport enorm erhöht. Weil die territoriale Aufteilung der Welt unter die imperialistischen Staaten und Monopolgruppen abgeschlossen ist, geht das internationale Agieren des Kapitals mit dem ständigen Drang zur Neuaufteilung einher.

Das bedeutet Konflikte, Reibereien und schließlich auch Krieg. Der Imperialismus produziert Reaktion nach innen und Aggression nach außen. Imperialismus ist zwar mehr als nur aggressive Außenpolitik und militärische Aggression, aber diese Phänomene sind keine Abweichungen, sondern Wesenseigenschaften des Systems.“
Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.8.


„Als eine Gesellschaftsform, die von sich aus zur Reaktion tendiert, beinhaltet der Imperialismus ständig die Möglichkeit des Faschismus.“
Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.11.


In Bezug auf den bürgerlichen Faschismusbegriff schreiben wir:

„Andere Faschismuserklärungen, die den Faschismus beispielsweise als eine Herrschaft von Einzelpersonen oder aber des Kleinbürgertums oder gar der Massen darstellen, sind falsch. Sie tragen zum Verständnis des Faschismus nichts bei und dienen objektiv dazu, die Bourgeoisie und ihren Staat von der Verantwortung für den Faschismus reinzuwaschen oder ihre Rolle zu relativieren.

In bürgerlichen, aber auch in marxistischen Kreisen gibt es oft die Tendenz, den Faschismus in der Analyse als Gegenmodell der bürgerlichen Demokratie gegenüberzustellen. Damit ist jedoch eine falsche Vorstellung über die bürgerliche Klassenherrschaft verbunden, die in jedem Fall eine Klassendiktatur ist und entsprechend den Bedürfnissen des Kapitals und den Kräfteverhältnissen im Klassenkampf zwischen offenen und verdeckten Formen der Diktatur wechseln kann. Weder der Faschismus noch die bürgerliche Demokratie dürfen klassenneutral betrachtet werden.

Ein weiterer häufiger Fehler besteht darin, relativ wahllos alle als schlecht empfundenen Regierungen, Länder oder Bewegungen als faschistisch zu bezeichnen. Damit wird der Faschismusbegriff ebenfalls von seinem Klasseninhalt getrennt und auf einen moralisierenden Kampfbegriff reduziert.“
Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.11.


„Die illusionäre Vorstellung, der Faschismus sei eine der bürgerlichen Demokratie absolut entgegengesetzte Herrschaftsform, läuft auf die Verteidigung des Kapitalismus in seinen weniger autoritären Varianten hinaus und unterminiert damit letzten Endes auch den antifaschistischen Kampf.“
Kommunistische Organisation: Programmatische Thesen, Berlin 2018, S.12.


Arbeitsschritte[Bearbeiten]

1. Ergänzen weiterer zentraler bürgerlicher Faschismustheoretiker. Es fehlen in dieser Überblickstellung u.A. noch:

  • Der Faschismus wird mit Methoden der Sozialpsychologie erklärt. Frankfurter Schule - Theorien des autoritären Charakters (Horkheimer, Adorno) - freudianische - sozialpsychologische Ansätze (Und früher: Wilhelm Reich's Massenpsychologie), Erich Fromm's Furcht vor der Freiheit
  • Ernst Nolte
  • Faschismus als Bündnis
  • Zivilsationsbruch
  • Poststrukturalistische Ansätze
  • Faschismus als „palingenetischer Ultranationalismus“ (Roger Griffin)
  • Antideutsche Faschismustheorien (stehen in der Traditionslinie der kritischen Theorie), dabei vor allem Moishe Postone und die diversen Antisemitismus-Theorien.

2. Generell muss die jüngste Faschismusforschung noch besser erfasst werden. Das betrifft den Zeitraum ab 1989. Welche Auswirkung hatte die Konterrevolution auf die Entwicklung bürgerlicher Faschismustheorie? Welche Theorien sind heute am meisten verbreitet? In welchen Teilen der Arbeiterklasse spielen welche Erklärungsmodelle die größte Rolle? Wie könnte sinnvolle Gegenaufklärung aussehen. Insbesondere solche Theorien die im Massenbewusstsein besonders großen Einfluss haben, sind für uns besonders relevant. Ebenso solche die in linken Kreisen große Verbreitung haben.

3. Die Literatur aus DDR und BRD, die eine sehr umfassende Auseinandersetzung mit diesen Theorien bereits geleistet hat, muss systematisch erfasst werden und wieder genutzt werden.

Literatur / Quellen[Bearbeiten]

  • Eichholtz, D./Gossweiler, K.: Faschismus Forschung, Köln 1980.
  • Haug, Wolfgang et al: Ideologische Komponenten in den Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 33, Hamburg 1965, S.1-34
  • Kühnl, Reinhard: Faschismustheorien und Politik. Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Faschismustheorien. Ein Leitfaden, 1990 Distel Verlag.
  • Lozek, G./ Richter R: Zur Auseinandersetzung mit vorherrschenden bürgerlichen Faschismustheorien, in: Eichholtz, D./ Gossweiler, K. (Hrsg.): Faschismus Forschung, Berlin 1980, S. 418 -451.
  • Westphal, Reinhard: Psychologische Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 32, Hamburg 1965.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Vgl. Westphal, Reinhard: Psychologische Theorien über den Faschismus, in: Das Argument 32, 1965.
  2. G. Lozek / R. Richter, Zur Auseinandersetzung mit vorherrschenden bürgerlichen Faschismustheorien, in: D. Eichholtz / K. Gossweiler (Hrsg.), Faschismus Forschung, Pahl-Rugenstein Verlag 1980, S. 418 -451, S. 417.
  3. Ebd. S.418
  4. Vgl. ebd. S. 420
  5. Vgl. ebd. S.420f
  6. Ebd. S.428
  7. Vgl. ebd. S.430
  8. Vgl. ebd. S.433
  9. Vgl. ebd. S.434
  10. Vgl. ebd. S.440
  11. Ebd. S.422
  12. Vgl. ebd. S. 447