„Antimonopolistische Demokratie“ (DKP): Unterschied zwischen den Versionen

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Nach 1945 herrschte in weiten Teilen der kommunistischen Weltbewegung in den Programmen zahlreicher Kommunistischer Parteien die Vorstellung eines demokratischen Übergangs vor. Dies ist vor dem Hintergrund der Systemkonkurrenz, der „friedlichen Koexistenz“ und der relativen „Schwäche des Imperialismus“ zu sehen. Es kam im weiteren Verlauf zu einer Differenzierung und einer sehr weitreichenden Ausformulierung eines demokratischen Stadiums im Rahmen des [[Eurokommunistische_Staatsauffassung|Eurokommunismus]], der aber nur von einigen Parteien vertreten wurde. Solche Übergangsvorstellungen werden auch heute noch von zahlreichen kommunistischen Parteien und Strömungen vertreten, hier werden wir uns jedoch auf die Darstellung der „antimonopolistischen Demokratie bzw. Strategie“ (AMD bzw. AMS) in der Variante beschränken, wie sie die DKP vertritt. In allen Parteien gab es aber auch immer eine Diskussion darum und Teile, die dagegen argumentierten. Man kann nicht von einer glatten Linie in dieser Frage sprechen.   
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Nach 1945 herrschte in den Programmen zahlreicher Kommunistischer Parteien die Vorstellung eines demokratischen Übergangs vor. Dies ist vor dem Hintergrund der Systemkonkurrenz, der „friedlichen Koexistenz“ und der relativen „Schwäche des Imperialismus“ zu sehen. Es kam im weiteren Verlauf zu einer Differenzierung und einer sehr weitreichenden Ausformulierung eines demokratischen Stadiums im Rahmen des [[Eurokommunistische_Staatsauffassung|Eurokommunismus]], der aber nur von einigen Parteien vertreten wurde. Andere Parteien ordnen die Phase eine Übergangs in eine revolutionäre Strategie ein, vertreten also nicht die Möglichkeit eines Sozialismus durch Reformen. Hier soll sich auf die Darstellung der „antimonopolistischen Demokratie bzw. Strategie“ (AMD bzw. AMS) in der Programmatik der DKP beschränkt werden. In allen Parteien gab es aber auch immer eine Diskussion darum und Teile, die dagegen argumentierten. Man kann nicht von einer glatten Linie in dieser Frage sprechen.   
  
 
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Version vom 7. Januar 2019, 20:44 Uhr

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Überblick  [Bearbeiten]

Nach 1945 herrschte in den Programmen zahlreicher Kommunistischer Parteien die Vorstellung eines demokratischen Übergangs vor. Dies ist vor dem Hintergrund der Systemkonkurrenz, der „friedlichen Koexistenz“ und der relativen „Schwäche des Imperialismus“ zu sehen. Es kam im weiteren Verlauf zu einer Differenzierung und einer sehr weitreichenden Ausformulierung eines demokratischen Stadiums im Rahmen des Eurokommunismus, der aber nur von einigen Parteien vertreten wurde. Andere Parteien ordnen die Phase eine Übergangs in eine revolutionäre Strategie ein, vertreten also nicht die Möglichkeit eines Sozialismus durch Reformen. Hier soll sich auf die Darstellung der „antimonopolistischen Demokratie bzw. Strategie“ (AMD bzw. AMS) in der Programmatik der DKP beschränkt werden. In allen Parteien gab es aber auch immer eine Diskussion darum und Teile, die dagegen argumentierten. Man kann nicht von einer glatten Linie in dieser Frage sprechen.

Geschichte[Bearbeiten]

Zu untersuchen ist, welche Bedeutung für die Herausbildung der Strategie der „Übergänge“ und „Zwischenetappen“ der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935 spielte. Einige Vertreter dieser strategischen Konzepte beziehen sich auf die damals beschlossene „Volksfront“-Taktik, die vor dem Hintergrund der unmittelbaren faschistischen Bedrohung und unter genau definierten Bedingungen auf Regierungsbündnisse zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten orientierte. Die auf dem VII. Weltkongress für eine konkrete Situation und einen beschränkten Zeitraum beschlossene Taktik wird dabei teilweise so behandelt, als habe es sich dabei um eine grundlegende und bis heute verbindliche strategische Neuorientierung gehandelt. In der Untersuchung dieser Frage muss darauf eingegangen werden, inwieweit diese Taktik später explizit widerrufen wurde und nie als Ersatz für das damals geltende strategische Programm der Komintern von 1928 gedacht gewesen war und von den prägenden Autoren wie Dimitroff explizit von Konzepten des Erreichen des Sozialismus durch Reformen abgegrenzt wurde. Ein weiterer Faktor, dessen Rolle untersucht werden muss sind die ideologischen Veränderungen, die ab Mitte der 1950er Jahre durch Teile der Führung der KPdSU vorgenommen wurden.

Auch die Entwicklung der Programmatik der KPD muss untersucht werden, vom Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945 bis zum Programmentwurf von 1968. Letzterer orientiert auf eine demokratische Übergangsetappe. Auch hier kann nicht einfach eine glatte Linie gezogen werden, es gab Auseinandersetzungen um diese Frage und sie kann nicht einfach als Ausdruck des Revisionismus in der Partei dargestellt werden. Mit der Neukonstituierung der DKP 1968 und der verabschiedeten Erklärung zur Konstituierung der Deutschen Kommunistischen Partei wurden die wichtigsten Grundgedanken der AMS dargelegt. Es folgten die Grundsatzerklärung des Essener Parteitags von 1969 und die Thesen des Düsseldorfer Parteitags von 1971, die diese strategische Orientierung bestätigten und weiter konkretisierten. Im Mannheimer Programm von 1978 wurde die Orientierung auf eine Übergangsperiode der „antimonopolistischen Demokratie“ schließlich zum ersten Mal als verbindliche Strategie der DKP beschlossen. Auch im Programm von 2006 ist der Kern der Strategie die Wende zu sozialem und demokratischen Fortschritt und die Antimonopolistische Demokratie.

Thesen und Positionen[Bearbeiten]

Die Strategie der AMS geht davon aus, dass durch die Organisierung von breiten Kämpfen die Veränderung des Kräfteverhältnisses erreicht werden kann. In diesen Kämpfen könne die Macht der Monopole zurückgedrängt werden, demokratische Forderungen zur Mobilisierung genutzt und durchgesetzt werden. Die Veränderung des Kräfteverhältnisses bezieht sich auch auf ein Bündnis, in dem die Arbeiterklasse die zentrale Rolle spielt, aber auch kleinbürgerliche Schichten und Teile des nicht-monopolistischen Kapitals einbezogen werden können. Durch diese Kämpfe soll eine Wende zu sozialem und demokratischen Fortschritt eingeleitet werden. Im Einleitungsreferat von Willi Gerns auf dem Mannheimer Parteitag von 1978 ist diese Etappen-Vorstellung dargelegt:

„Was unsere Zielsetzung einer Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt angeht, so handelt es sich um eine Orientierung für die unmittelbar vor uns liegende Periode. Dabei geht es darum, die Versuche des Großkapitals, einen reaktionären Ausweg aus der Krise zu finden, zu durchkreuzen, die sozialen und demokratischen Errungenschaften des arbeitenden Volkes sowie die Ergebnisse der Entspannungspolitik zu verteidigen und den aktiven Kampf für ihre Erweiterung zu führen. […] Die in der Orientierung auf eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt gestellten Aufgaben gehen noch nicht über den Kapitalismus hinaus. Sie bleiben noch im Rahmen der alten Gesellschaft. Innerhalb dieses Rahmens schränken sie die Macht der Monopole ein und verbessern so die Positionen der Arbeiterklasse und der anderen antimonopolistischen Kräfte. Zu grundlegenderen Veränderungen kommt es, wenn – wie wir das für möglich und erstrebenswert halten – der Kampf um eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt in eine antimonopolistische Demokratie einmündet. Auch sie stellt allerdings noch keine neue Gesellschaftsordnung dar. Vielmehr handelt es sich um eine, ausgehend von den heutigen Bedingungen des Klassenkampfes in einem hochentwickelten kapitalistischen Land wie der Bundesrepublik, mögliche Form der Einleitung des revolutionären Prozesses des Übergangs von der alten zur neuen Ordnung.“
DKP Parteivorstand, Protokoll des Mannheimer Parteitags der Deutschen Kommunistischen Partei, 1978, S. 188.


Mit dieser Vorstellung ist auch die Bildung einer anderen Regierungsmehrheit durch parlamentarische Wahlen verbunden, wie sie im Programm der DKP von 2006 beschrieben wird.


„Dieser Kampf [um eine Wende zu sozialem und demokratischem Fortschritt] kann in antimonopolistische Übergänge einmünden. Voraussetzung dafür ist, dass der antimonopolistische Block über so viel außerparlamentarische Kraft und parlamentarischen Einfluss verfügt, dass er eine die gemeinsamen Interessen vertretende Regierung bilden kann. Gestützt auf starke außerparlamentarische Bewegungen, die Organisationen der Arbeiterbewegung und den Aufbau einer neuen demokratischen Macht können tiefgreifende politische und ökonomische Umgestaltungen eingeleitet werden, in deren Ergebnis die Macht des Monopolkapitals gebrochen wird. Die DKP ist stets davon ausgegangen, dass die antimonopolistische und die sozialistische Umwälzung miteinander verbundene Entwicklungsstadien in dem einheitlichen revolutionären Prozess des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus sind. Antimonopolistische Umwälzung bedeutet eine Periode des revolutionären Kampfes, in der noch Elemente des Kapitalismus und schon Keimformen des Sozialismus vorhanden sind. Zunächst werden noch die Elemente des Alten überwiegen, im Klassenkampf aber werden mehr und mehr die Wesenselemente der neuen Gesellschaft das Übergewicht erlangen müssen, wenn es der Konterrevolution nicht gelingen soll, den revolutionären Prozess zu ersticken.“
DKP-Programm 2006, Abschnitt „unser Weg zum Sozialismus“.



Die Vertreter der AMS gehen davon aus, dass der bürgerliche Staat im Wesentlichen zu einem Instrument in den Händen der Monopole, also einer Handvoll Finanzoligarchen innerhalb der Bourgeoisie, geworden ist und deren Profitinteressen rigoros gegen alle „nicht-monopolistischen Schichten“, also auch gegen die „kleine und mittlere Bourgeoisie“ durchsetzt. Der bürgerliche Staat vernachlässigt aus dieser Sicht also gewissermaßen seine Aufgabe als „ideeller Gesamtkapitalist“ und verkörpert gegenüber der gesamten Gesellschaft (und einem Großteil der Bourgeoisie) nicht mehr das langfristige Gesamtinteresse aller Kapitalisten, sondern einseitig das Partikularinteresse des Monopolkapitals. Es entsteht ein „monopolkapitalistisches Integrationsproblem“.

Damit wird zwar der Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht geleugnet, aber eine neue strategische Bruchlinie zwischen den Monopolen und allen „nicht-monopolistischen“ Schichten aufgemacht, die nun angeblich in Opposition zu diesem Staat geraten. Entlang dieser Linie soll sich ein „antimonopolistisches Bündnis“ formieren, das neben der Arbeiterklasse nicht nur das Kleinbürgertum, sondern auch bedeutende Teile der „nicht-monopolistischen“ Bourgeoisie umfassen soll. Dieses Bündnis hat zwar nicht den Sozialismus zum Ziel, wohl aber eine Zwischenetappe der „antimonopolistischen Übergänge“, in deren Rahmen die Kommunisten sich an der Regierungsmacht beteiligen und zunächst im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise eine politische „Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ durchsetzen sollen.


Die Antimonopolistische Strategie beruht also auf der Grundannahme, dass der bürgerliche Staatsapparat, der im Monopolkapitalismus zunächst das alleinige Machtinstrument der Monopole zu sein scheint – was auf den ersten Blick im Widerspruch zu dessen Klassenneutralität steht – durch eine „antimonopolistische Regierung“ unter deren Kontrolle gebracht und als Instrument verwendet werden kann, um die Macht eben dieser Monopole zu brechen und sie schrittweise zu enteignen. Derselbe Staats- und Beamtenapparat, den die Bourgeoisie aufgebaut, ideologisch geformt und nach ihren Zwecken eingerichtet hat, soll nun also als williges Instrument in den Händen der „antimonopolistischen Regierung“ die ökonomische Macht der Monopole brechen.

Diese Vorstellung des weitgehend bruchlosen Übergangs des Staatsapparats aus den Händen der einen in die Hände der anderen Klasse unterstellt sehr eindeutig eine Klassenneutralität des Staates. Zugespitzt formuliert: Der Klassencharakter des Staates ergibt sich aus dieser Sicht nicht aus seiner Funktionsweise und seinem Wesen, sondern aus den politischen Kräfteverhältnissen. Ändert die Regierung ihren Klassencharakter von „monopolistisch“ zu „nicht-monopolistisch“, so ändert sich angeblich auch der Klassencharakter des Staates. Auf die Frage, wie das antimonopolistische Bündnis mit dem Dilemma umzugehen gedenkt, dass es, einmal an der Regierung, wohl oder übel den Kapitalismus verwalten, also die Akkumulation sicherstellen, also auf Grundlage der ökonomischen Bewegungsgesetze des Kapitalismus auf Gedeih und Verderb als „ideeller Gesamtkapitalist“ agieren muss, bleiben die Vertreter der AMS in aller Regel schuldig. Hier zeigt sich aber: Regierungsmacht und politische Macht sind keineswegs das gleiche. Der Klassencharakter des Staates ergibt sich in Wirklichkeit nicht aus den politischen Kräfteverhältnissen in seiner Regierung, sondern aus seiner ökonomischen Basis.

Wer vertritt die Thesen heute?[Bearbeiten]

Varianten der Strategie der „Übergänge“ werden heute weltweit von zahlreichen linken und kommunistischen Parteien und Bewegungen vertreten (dazu mehr in den Abschnitten Verstaatlichung als Schritt zum Sozialismus und „Demokratisierung“ als Schritt zum Sozialismus). In ihrer klassischen Form findet sich die Strategie der „antimonopolistischen Übergänge“, und das damit verbundene spezifische Staatsverständnis, im deutschsprachigen Raum nach wie vor bei DKP und SDAJ. Ihre geistigen Väter waren vor allem die führenden Parteitheoretiker Willi Gerns, Robert Steigerwald und Josef Schleifstein. Ihr wichtigster praktischer Verfechter war der langjährige Parteivorsitzende Herbert Mies. Kritik wurde an der AMS in den 1970er Jahren vor allem außerhalb der DKP aus dem Lager der verschiedenen K-Gruppen geübt – eine Tradition, die heute vor allem noch in der MLPD weiterlebt und selbst durch schwerwiegende revisionistische Abweichungen belastet ist.

Hatten in den 1980er Jahren zumindest Teile der DKP den „Glasnost-“ und „Perestroika“-Kurs und das "Tauwetter" unter Gorbatschow noch enthusiastisch gefeiert, so geriet die Partei nach der Konterrevolution von 1989/90 in eine tiefe Krise und harte Flügelkämpfe setzten ein. In diesen Auseinandersetzungen ging es jedoch nie um einen Abschied von der AMS und eine Aufarbeitung möglicher Fehler, sondern es ging dem Kern der Partei zunächst um die Verteidigung ihrer Tradition gegen noch rechtere und opportunistischere Auffassungen, die sich ganz vom Marxismus und der leninistischen Parteikonzeption verabschieden wollten (Stichwort: „Erneuerer“-Strömung). Die Diskussion um das Parteiprogramm von 2006 war geprägt von den Kämpfen zwischen dem rechten Leo-Mayer-Flügel und der „linken“ Parteiopposition. Seit dem Führungswechsel auf dem 20. Parteitag 2013 ist allerdings klar geworden, dass auch die nun an die Macht gekommene ehemalige „Opposition“ um Patrik Köbele an den Grundannahmen der AMS festhält. Die Debatte innerhalb der DKP wird seither verflacht dargestellt als ein angeblicher Widerspruch zwischen einer reformistischen „Transformations“-Variante und einer angeblich marxistisch-leninistischen „revolutionären“ AMS. Die Strategiedebatte spielte eine zentrale Rolle beim Austritt der 80 Genossen Ende 2017 und dem Beginn des kommunistischen Klärungsprozesses.

Bezug zu den Programmatischen Thesen: In den Programmatischen Thesen (Abschnitt: Der Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus) schreiben wir dazu:

„Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 konnten die Vertreter dieser [revisionistischen] Strömung unter der Führung von Nikita Chruschtschow einen politischen Sieg erringen. In der bedeutendsten Partei der kommunistischen Weltbewegung setzten sich damit revisionistische Einschätzungen zu verschiedenen Grundsatzfragen durch, die von den meisten anderen kommunistischen Parteien übernommen wurden und in der Sowjetunion in der Folgezeit auch zu ökonomischen Veränderungen führten, die auf lange Sicht den Sozialismus aushöhlten. […] In der kommunistischen Bewegung in der BRD, namentlich in der KPD und später der DKP, bildete sich in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit unter dem revisionistischen Einfluss [der KPdSU] eine strategische Orientierung heraus, die auf den friedlichen Übergang zum Sozialismus auf dem Boden der bestehenden staatlichen Institutionen und auf politische Bündnisse mit bürgerlichen Kräften und Teilen der Bourgeoisie setzte.“
Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, S. 27.


Bezug zu den Grundannahmen[Bearbeiten]

Das Staatsverständnis hinter der Antimonopolistischen Strategie steht im Widerspruch zu einigen der zentralen Grundannahmen von Marx, Engels und Lenin über den bürgerlichen Staat.

  1. Die Klassiker gehen davon aus, dass sich der Klassencharakter des Überbaus aus dessen ökonomischer Basis ergibt, nicht aus den politischen Kräfteverhältnissen: Historischer Materialismus, Basis und Überbau
  2. Der wissenschaftliche Sozialismus geht davon aus, dass der Staat im Kapitalismus die „Diktatur der Bourgeoise“ verkörpert, nicht die Diktatur jenes politischen „Blocks“, der gerade die Regierung stellt.
  3. Engels bestimmte den bürgerlichen Staat als „ideellen Gesamtkapitalisten“ – unabhängig von den politischen Kräfteverhältnissen in der Regierung.
  4. Marx, Engels und Lenin lehnten die Vorstellung einer bruchlosen Übernahme des Staatsapparates der Bourgeoisie durch das Proletariat ab und gingen davon aus, der Staat müsse in der Revolution „aufgehoben“ bzw. „zerschlagen“ werden: Grundannahmen zur Notwendigkeit der Aufhebung des bürgerlichen Staats.

Wie wollen wir den Dissens klären? [Bearbeiten]

Welche theoretischen Fragen müssen beantwortet werden?[Bearbeiten]

Die Begründer und heutigen Vertreter der "antimonopolistischen Strategie" beziehen sich mehrheitlich auf die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Diese Theorietradition gilt es also kritisch aufzuarbeiten und auf revisionistische Standpunkte hin zu überprüfen. Lassen sich aus den Analysen des staatsmonopolistischen Kapitalismus tatsächlich die strategischen Konsequenzen ableiten, auf denen die AMS beruht, oder beziehen sich die Vertreter der "antimonopolistischen Übergänge" zu unrecht auf diese Theorie? Ausführlicher und mit stärkerem Fokus auf den ökonomischen Fragen wird der staatsmonopolistische Kapitalismus von der AG politische Ökonomie des Imperialismus auf der Seite Monopole und Staat diskutiert.

Mit Blick auf die Staatstheorie stellt sich außerdem die Frage nach den konkreten Differenzen in der Staatsauffassung der Eurokommunisten, der „Transformations“-Strömung (ELP, Leo Mayer, etc.) und der „antimonopolistischen Demokratie“. Auch hier gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Beantwortung dieser Frage eine Aufarbeitung der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, ihrer jeweiligen Strömungen und deren Rezeption durch die Vertreter der verschiedenen Strategien der „Übergänge“.

Welche empirischen Untersuchungen sind notwendig? [Bearbeiten]

Auf historisch-empirischer Ebene muss vor allem geklärt werden, wie sich bestimmte Staatsauffassungen in der kommunistischen Weltbewegung ausbreiten konnten, die nach 1945 die Vorstellung von „friedlichen Übergängen“ und „Zwischenetappen“ denkbar machten und schließlich weitgehend hegemonial werden ließen. Welche Rolle spielten dabei der VII. Weltkongress der Komintern, die „Volksfront“-Taktik und die Außenpolitik der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg? Was war die Rolle des XX. Parteitags, des sowjetischen Revisionismus und die Politik der „friedlichen Koexistenz“ mit dem kapitalistischen Weltsystem? Welche Veränderungen in der ökonomischen Basis und dem politischen Überbau der kapitalistischen Staaten begünstigten die Illusionen über deren Reformierbarkeit? (Stichworte „Nachkriegsboom“, „Sozialdemokratisches Jahrzehnt“, „Sozialliberalismus“, „Sozialstaat“, „Wohlstandsgesellschaft“ etc.) Welche Kritik wurde historisch an der Strategie der antimonopolistischen Demokratie geäußert und welche dieser Kritikpunkte halten einer heutigen Überprüfung stand?

Überschneidungen mit anderen AGs[Bearbeiten]

Die konkrete Geschichte der KPD und DKP sowie deren Strategieentwicklung („Übergänge“) gehören in den Bereich der AG Revolutionäre Arbeiterbewegung, die Fragen rund um die ökonomischen Probleme der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus müssen von der AG Politische Ökonomie bearbeitet werden.

Bezug zu den Programmatischen Thesen[Bearbeiten]

In unseren Programmatischen Thesen schreiben wir zur Rolle des Staates als „ideeller Gesamtkapitalist“:

„Innerhalb dieses unversöhnlichen Gegensatzes setzt er [der Staat] die Interessen der Kapitalistenklasse als Ganzer durch, indem er ihr möglichst gute Bedingungen für die Anhäufung ihres Kapitals bietet. Deshalb ist der bürgerliche Staat nichts anderes als die politische Herrschaft der Bourgeoisie, ideeller Gesamtkapitalist. Er vertritt grundsätzlich die Interessen der ganzen Bourgeoisie, insbesondere aber die Interessen der mächtigsten Teile darin.“
Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, S. 7.


Zum Klassencharakter des bürgerlichen Staats:

„Er ist eine ‚Maschine zur Niederhaltung der unterdrückten, ausgebeuteten Klasse‘ (Engels, MEW 21, S. 170f.). Er wendet letztlich alle Formen von Gewalt an, verbreitet aber auch die bürgerliche Ideologie und betreibt die Einbindung von Teilen der Arbeiterklasse durch Zugeständnisse, um die ausgebeutete Klasse niederzuhalten.“
Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, S. 8.


Und zur Notwendigkeit der Zerschlagung des Staats in der Revolution:

„Dieser Klassencharakter des Staates macht es für die Arbeiterklasse (oder auch jede andere Klasse) unmöglich, ihn zu übernehmen und in ihrem Interesse zu verwenden. Die proletarische Revolution bedeutet aber auch nicht die sofortige Abschaffung des Staates. Sie ist die Zerschlagung des bürgerlichen Staates und die Errichtung eines neuen Staates der Arbeiterklasse, der Diktatur des Proletariats.“
Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, S. 8.


Daraus ergibt sich eine ablehnende Haltung gegenüber der AMD/AMS und allen anderen Spielarten der Strategie der „Übergänge“:

„Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus ist die sozialistische Revolution: die Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse, die Zerstörung der bürgerlichen Machtstrukturen und die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Dieses Ziel steht heute unmittelbar auf der Tagesordnung. Es gibt keine Zwischen- oder Übergangsetappen dorthin; keine „antimonopolistische Demokratie“, die innerhalb des Kapitalismus und auf dem Boden des bürgerlichen Staates die Voraussetzungen für den Sozialismus schaffen könnte und erst recht keine Gesellschaftsformation, die zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus liegen würde.“
Kommunistische Organisation, Programmatische Thesen, S. 22.


Literatur und Quellen[Bearbeiten]