Wie hat der deutsche Imperialismus die vergangenen Krisen bewältigt?

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Einführung[Bearbeiten]

Die Finanzkrise 2008/09 stellten Medien und Politik als bedrohliche Ausnahmeerscheinung dar, der scheinbar radikale Maßnahmen folgen sollten. Tatsächlich sind regelmäßig wiederkehrende Krisen kennzeichnend für das kapitalistische System. Diese Erscheinung lässt sich bspw. am Zyklus des deutschen BIPs der letzten Jahrzehnte ablesen [Quelle, evtl. Bild].

Trotzdem hat die BRD seit einigen Jahren weltweit mindestens das viertgrößte BIP weltweit - hat also die vergangenen Krisen unbeschadet überstanden, oder sogar davon profitiert. Die Strategie und Mechanismen, die zu dieser Entwicklung führten, wollen wir mit dieser Offenen Frage untersuchen.

Grundlagen[Bearbeiten]

Die theoretische Grundlage für diese Arbeit wird die AG Politische Ökonomie liefern, wenn sie den Charakter der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus untersucht. Auch die Grundannahme dieser AG zur Krise des deutschen Staats geht etwas auf das Thema ein. Kurz skizziert, ist die gesellschaftliche Produktion durch abwechselnde Schwankungen von Überproduktion und hoher Nachfrage geprägt. Verbunden sind sie mit Entlassungen, Kapitalvernichtungen, zerfallender Produktionsinfrastruktur, abgelöst durch steigende Investitionen und Einstellungen. Wie es die Thesen der KO formulieren: "Die Widersprüche, die der kapitalistischen Produktionsweise innewohnen, führen periodisch zur Krise. Die kapitalistische Krise ist im Unterschied zu Krisenphasen in früheren Produktionsweisen nicht Ausdruck von Knappheit, sondern kommt im Gegenteil dadurch zustande, dass gemessen an der zahlungsfähigen Nachfrage zu viele Waren produziert wurden und dadurch die Profitabilität der Unternehmen sinkt. " Verstärkt wird diese zyklische Krisenform durch andere kapitalistische Krisenformen, wie Rohstoffkrisen, Strukturkrisen wegen technischen Näherungen, Währungskrisen usw.

Voraussetzungen und Arbeitsschritte[Bearbeiten]

Auf dieser Grundlage sollten wir festlegen, anhand welcher Kenngrößen Krisen definiert sind, um aus dem entsprechenden Rohmaterial die Krisen und ihre Verläufe herauszuarbeiten. Somit haben wir dann das theoretische Werkzeug und das relevante Datenmaterial vorliegen.

Für die weitere Untersuchung werden die Ergebnisse anderer Dissense und Offener Fragen sein: Welche Strategien haben und hatten deutsche Kapitalfraktionen, welche Rolle spielt die deutsche Bourgeoisie in innerimperialistischen Bündnissen, welche Einflüsse spielten bei dem Wiedererstarken des deutschen Imperialismus eine Rolle?

Schließlich zur Beantwortung der Frage: Die deutsche kommunistische Bewegung scheint sich aktuell zum Einen einig zu sein, dass die deutsche Bourgeoisie von den vergangenen Krisen profitierte. Zum Anderen, dass die Exportüberschüsse diese Krise mitverursachen und der BRD ermöglichen, die Folgen der Krisen auf anderen Ländern abwälzen - wie auf Griechenland im Fall der Krise von 2008/09. So beschreibt 2010 die KAZ, wie die deutsche Bourgeoisie gestärkt aus der Krise gehen konnte:

„Weitere große Exportmärkte für deutsche Waren sind Spanien und Italien, die mit Griechenland, Irland und Portugal von den gleichen Banken in Richtung Staatsbankrott gehetzt werden, die dann an den Notanleihen wieder um so mehr verdienen. Die Notanleihen bekommen sie durch direkte oder indirekte Garantien von den um die Hegemonie in der EU ringenden Imperialisten, also von Deutschland und Frankreich “
KAZ-Fraktion „Ausrichtung Kommunismus”: Die Krise: Wer zahlt die Zeche?, KAZ Nr.330, 2010

Auch die junge Welt sieht hier die hauptsächliche Ursache für die Krise:

„ Da beschwert sich die halbe Welt seit Jahren über die exzessiven deutschen Exportüberschüsse – und das völlig zu Recht: Schließlich treiben sie zahlreiche Länder von Griechenland über Italien bis Frankreich immer tiefer in die Verschuldung. [...] die Agenda 2010, Lohnverzicht und Hartz IV haben die Preise deutscher Produkte effizient gedrückt und lassen bis heute Konzernkassen in der Bundesrepublik klingeln, Konzernkassen der ausländischen Konkurrenz hingegen eher darben. Ein Beitrag zur Lösung der europäischen Schuldenkrise ist das nicht.“
Jörg Kronauer: Kalter Handelskrieg, Junge Welt vom 22.02.2018

Lässt aber anklingen, es gäbe doch (innerhalb des kapitalistischen Systems) "Lösungen" dafür - hier wird wieder ein Ansatzpunkt für Dissens sichtbar:

„Um die Krise ist es zuletzt etwas ruhiger geworden, doch die strukturellen Probleme bleiben ungelöst. Mit Ad-hoc-Maßnahmen wie Krediten des »Euro-Stabilitätsmechanismus« ESM und »Troika«-Programmen wurde die Erosion zwar immer wieder verhindert, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte sind jedoch weiterhin groß und können leicht wieder krisenhafte Auswüchse annehmen. Die deutschen Exportüberschüsse sind höher denn je, entsprechend schwer kommen andere von ihren Defiziten runter. “
Steffen Stierle: Nach Berlins Pfeife tanzen, junge Welt vom 26.05.2018


Auch Beate Landefeld (DKP) sieht die europäische Vormachtstellung der deutschen Bourgeoisie in ihren Exportüberschüssen begründet und den politischen Maßnahmen, die die dafür benötigten Produktionsbedingungen gegen die Arbeiterklasse durchgesetzt wurden:

„ Deutsch­lands Be­son­der­heit ist seine ex­tre­me Ex­port­ori­en­tie­rung. Seit 1951 er­zielt die Bun­des­re­pu­blik Ex­port­über­schüs­se, denen De­fi­zi­te fast aller Ab­neh­mer­län­der ge­gen­über ste­hen […]. Deutsch­land wurde zum Gläu­bi­ger­staat Eu­ro­pas. Flan­kiert wird die Ex­port­ori­en­tie­rung von der „Sta­bi­li­täts­po­li­tik“, die auf Löhne und So­zi­al­kos­ten drückt. Als Stand­ort­vor­tei­le gel­ten „So­zi­al­part­ner­schaft“ und „Wett­be­werbs­kor­po­ra­tis­mus“ (Un­ter­ord­nung des Ge­samt­in­ter­es­ses der Ar­bei­ter­klas­se unter das In­ter­es­se der Firma oder des Stand­orts).“
Beate Landefeld: Imperialistische Widersprüche in der EU, UZ-Ausgabe vom 9. Dezember 2016


Die Perspektive Kommunismus weist auf "die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" in diesem Zusammenhang hin:

„Die europäische Spar- und Liberalisierungspolitik, die insbesondere durch starke imperialistische Mächte wie der BRD, Großbritannien oder Frankreich mit und für die Kapitalmacht in diesen Staaten umgesetzt wird, ist die eine Seite der kapitalistischen »Krisenbewältigung«. Die andere Seite ist der militärische Griff nach Außen.“
Perspektive Kommunismus: BLOCK EZB – WIR SIND EURE KRISE, 2015, URL: https://perspektive-kommunismus.org/2015/02/04/block-ezb-wir-sind-eure-krise/


Wichtig für die Krisenbewältigung der deutschen Bourgeoisie war allerdings auch ein weiterer Punkt: Die Ausschlachtung der DDR nach 1989, welche Rolle ihre Annexion beim Wiedererstarken des dt. Imperialismus gespielt hat. Diese Fragen wollen wir aufgrund ihrer Wichtigkeit und Kontroversität als separaten Arbeitsschritt behandeln.


Wenn wir diese Annahmen und Fragen untersucht haben, werden wir letztendlich den deutschen Imperialismus als Gegner besser verstanden haben und somit in der Lage sein, der Propaganda wie "Wirtschaftswundern" oder "fleißigeren" Deutschen etwas entgegenzusetzen - aber auch unsere kommunistische Gegenstrategie besser zu entwickeln.

Mitmachen[Bearbeiten]

In den nächsten Monaten wollen wir uns an die systematische Beantwortung der Fragen machen - dabei kannst du mitmachen:

  • Diskutier mit
    • Du hast andere Erkenntnisse, Positionen zu bestimmten Fragen?
    • Du hast selbst offene Fragen zum Thema?
  • Einzelne Arbeitsaufträge übernehmen - in Theoriearbeit oder in praktischer Umsetzung
  • Dauerhaft mitarbeiten in der AG

Wenn das interessant klingt oder dir noch andere Möglichkeiten einfallen, dich zu beteiligen, melde dich bei uns: ag_imperialismus@kommunistische.org

Quellen[Bearbeiten]