Grundannahmen Dialektik

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Schlagworte

Dialektik, Wissenschaft, Gesetze, Bewegung, Erkennen, Gesellschaft, Denken

Annahme 1

Dialektik ist die Wissenschaft von den allgemeinsten Gesetzen aller Bewegung.

Es gibt also Bewegungsgesetze in der Natur, in der Menschengeschichte, d.h. in der Gesellschaft und Bewegungsgesetze des Denkens.

Diese Gesetze können erkannt werden.

Diese allgemeinen Bewegungsgesetze sind ein und dieselben Gesetze in allen drei Sphären, also in der Natur, der Menschengeschichte und im Denken.



„In der vorstehenden Schrift ist die Dialektik als die Wissenschaft von den allgemeinsten Gesetzen aller Bewegung gefaßt worden. Es ist hierin eingeschlossen, daß ihre Gesetze Gültigkeit haben müssen für die Bewegung ebensosehr in der Natur und der Menschengeschichte, wie für die Bewegung des Denkens. Ein solches Gesetz kann erkannt werden in zweien dieser drei Sphären, ja selbst in allen dreien, ohne daß der metaphysische Schlendrian sich darüber klar wird, daß es ein und dasselbe Gesetz ist, das er erkannt hat“
(Engels: Dialektik der Natur. Notizen und Fragmente, MEW Band 20, S.530)


„Es handelte sich bei dieser meiner Rekapitulation der Mathematik und der Naturwissenschaften selbstredend darum, mich auch im einzelnen zu überzeugen, woran im allgemeinen kein Zweifel für mich war -, daß in der Natur dieselben dialektischen Bewegungsgesetze im Gewirr der zahllosen Veränderungen sich durchsetzen, die auch in der Geschichte die scheinbare Zufälligkeit der Ereignisse beherrschen; dieselben Gesetze, die, ebenfalls in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Denkens den durchlaufenden Faden bildend, allmählich den denkenden Menschen zum Bewusstsein kommen; die zuerst von Hegel in umfassender Weise, aber in mystifizierter Form entwickelt worden, und die aus dieser mystischen Form herauszuschälen und in ihrer ganzen Einfachheit und Allgemeingültigkeit klar zur Bewußtheit zu bringen, eine unserer Bestrebungen war.“
(Engels: Anti-Dühring, MEW Band 20, S.11)


„In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deutsche Mode, weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffaßt, sich durch nichts imponieren läßt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.“
(Marx: Nachwort zur zweiten Auflage des Kapital Band I, MEW, Band 23, S. 27/28)


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Gesetze, Dialektik, Geschichte, Natur, Entwicklung, Gesellschaft

Annahme 1

Die Gesetze der Dialektik werden aus der Geschichte der Entwicklung der Natur sowie der menschlichen Gesellschaft abstrahiert.

Es gibt Gesetze der Dialektik.

Diese Gesetze sind die allgemeinsten Gesetze der beiden Phasen der geschichtlichen Entwicklung sowie des Denkens selbst.

Diese Gesetze lassen sich auf drei Hauptgesetze reduzieren. Diese drei Gesetze sind:

  • Das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt
  • Das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze
  • Das Gesetz von der Negation der Negation


„Es ist also die Geschichte der Natur wie der menschlichen Gesellschaft, aus der die Gesetze der Dialektik abstrahiert werden. Sie sind eben nichts andres als die allgemeinsten Gesetze dieser beiden Phasen der geschichtlichen Entwicklung sowei des Denkens selbst. Und zwar reduzieren sie sich der Hauptsache nach auf drei: Das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt; das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze; das Gesetz von der Negation der Negation.“
(Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, in: Karl Marx / Friedrich Engels-Werke, Berlin 1962, Bd. 20 S. 348 ff)


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Qualität, Quantität, Formwechsel, Bewegung, Gesetzmäßigkeit, Gesellschaft, Natur

Annahme 1

Qualitative Änderungen können nur stattfinden durch quantitativen Zusatz oder Entzug.

Formwechsel der Bewegung findet immer zwischen mindestens zwei Körpern statt.

Beim Formwechsel der Bewegung (Wechselwirkung zwischen mindestens zwei Körpern) entsprechen sich bei der Abgabe und Empfängnis die Quanten Bewegung.

Für lebende Körper gilt dasselbe Gesetz, nur verwickelter.


„1. Gesetz vom Umschlagen von Quantität in Qualität und umgekehrt. Dies können wir für unsern Zweck dahin ausdrücken, daß in der Natur, in einer für jeden Einzelfall genau feststehenden Weise, qualitative Änderungen nur stattfinden können durch quantitativen Zusatz oder quantitative Entziehung von Materie oder Bewegung (sog. Energie). Alle qualitativen Unterschiede in der Natur beruhen entweder auf verschiedner chemischer Zusammensetzung oder auf verschiednen Mengen resp. Formen von Bewegung (Energie) oder, was fast immer der Fall, auf beiden. Es ist also unmöglich, ohne Zufuhr resp. Hinwegnahme von Materie oder von Bewegung, d.h. ohne quantitative Änderung des betreffenden Körpers, seine Qualität zu ändern.

(…) Aber der Formwechsel der Bewegung oder sog. Energie? Wenn wir Wärme in mechanische Bewegung verändern, oder umgekehrt, da wird doch die Qualität verändert und die Quantität bleibt dieselbe? Ganz richtig. Aber Formwechsel der Bewegung ist wie Heines Laster: Tugendhaft kann jeder für sich sein, zum Laster gehören immer zwei. Formwechsel der Bewegung ist immer ein Vorgang, der zwischen mindestens zwei Körpern erfolgt, von denen der eine ein bestimmtes Quantum Bewegung dieser Qualität (z.B. Wärme) verliert, der andre ein entsprechendes Quantum Bewegung jener Qualität (mechanische Bewegung, Elektrizität, chemische Zersetzung) empfängt. Quantität und Qualität ensprechen sich hier also beiderseits und gegenseitig. Bisher ist es noch nicht gelungen, innerhalb eines einzelnen isolierten Körpers Bewegung aus einer Form in eine andre zu verwandeln. Es ist hier zunächst nur die Rede von leblosen Körpern; für lebende gilt dasselbe Gesetz, geht aber unter sehr verwickelten Bedingungen vor sich, und die quantitative Messung ist uns heute oft noch unmöglich“
(Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, in: Karl Marx / Friedrich Engels-Werke, Berlin 1962, Bd. 20 S. 349 f.)


Annahme 2

Das Gesetz vom Umschlagen der Quantität in Qualität und umgekehrt ist unabhängig vom Bewusstsein.


„In der Biologie wie in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft bewährt sich dasselbe Gesetz auf jeden Schritt, doch wollen wir hier bei Beispielen aus den exakten Wissenschaften bleiben, da hier die Quantitäten genau meßbar und verfolgbar sind.

Wahrscheinlich werden dieselben Herren, die bisher das Umschlagen von Quantität in Qualität als Mystizismus und unverständlichen Transzendentalismus verschrien haben, jetzt erklären, es sei ja etwas ganz Selbstverständliches, Triviales und Plattes, das sie seit langer Zeit angewandt hätten, und somit werde ihnen gar nichts Neues gelehrt. Ein allgemeines Gesetz der Natur-, Gesellschafts-und Denkentwicklung zum erstenmal in seiner allgemein geltenden Form ausgesprochen zu haben, das bleibt aber immer eine weltgeschichtliche Tat. Und wenn die Herren seit Jahren Quantität in Qualität haben ineinander umschlagen lassen, ohne zu wissen, was sie gesprochen hatte, ohne das geringste davon zu ahnen.“
(Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, in: Karl Marx / Friedrich Engels-Werke, Berlin 1962, Bd. 20 S. 353.)


Annahme 3

Das Gesetz gilt auch in der menschlichen Gesellschaft.


„Wir hätten aus der Natur wie aus der Menschengesellschaft noch Hunderte solcher Tatsachen zum Beweis dieses Gesetzes anführen können. So z.B. handelt in Marx’ „Kapital“ der ganze vierte Abschnitt: Produktion des relativen Mehrwerts, auf dem Gebiet der Kooperation, Teilung der Arbeit und Manufaktur, Maschinerie und großen Industrie, von zahllosen Fällen, wo quantitative Veränderung die Qualität und ebenso qualitative Veränderung die Quantität der Dinge ändert, um die es sich handelt, wo also, um den Herrn Dühring so verhaßten Ausdruck zu gebrauchen, Quantität in Qualität umschlägt und umgekehrt. So z.B. die Tatsache, daß die Kooperation Vieler, die Verschmelzung vieler Kräfte in eine Gesamtkraft, um mit Marx zu reden, eine ‚neue Kraftpotenz’ erzeugt, die wesentlich verschieden ist von der Summe ihrer Einzelkräfte.“
(Engels, Friedrich & Karl Marx: Das Kapital, Bd. 1, in: Karl Marx / Friedrich Engels-Werke Bd. 23, Berlin 1962, Bd. 23 S. 345.)


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Widerspruch, Bewegung, Materie, Entwicklung, Wirkungszusammenhang, Natur, Einheit, Gegensätze

Annahme 1

Jede Form der Bewegung selbst ist ein Widerspruch.

Höhere Formen der Bewegung der Materie, wie das organische Leben und seine Entwicklung, beinhalten komplexere Widersprüche.

Das Leben ist also ebenfalls ein sich stets setzender und lösender Widerspruch.


„Solange wir die Dinge als ruhende und leblose, jedes für sich, neben- und nacheinander, betrachten, stoßen wir allerdings auf keine Widersprüche an ihnen. (…) Die Bewegung selbst ist ein Widerspruch; sogar schon die einfache mechanische Ortsbewegung kann sich nur dadurch vollziehn, daß ein Körper in einem und demselben Zeitmoment an einem Ort und zugleich an einem andern Ort, an einem und demselben Ort und nicht an ihm ist. Und die fortwährende Setzung uznd gleichzeitige Lösung dieses Widerspruchs ist eben die Bewegung.“

„(…) Wenn schon die einfache mechanische Ortsbewegung einen Widerspruch in sich enthält, so noch mehr die höhern Bewegungsformen der Materie und ganz besonders das organische Leben und seine Entwicklung. Wir sahen oben (S.76), daß das Leben grade vor allem darin besteht, daß ein Wesen in jedem Augenblick dasselbe und doch ein andres ist. Das Leben ist also ebenfalls ein in den Dingen und Vorgängen selbst vorhandener, sich stets setzender und lösender Widerspruch; und sobald der Widerspruch aufhört, hört auch das Leben auf, der Tod tritt ein. Ebenso sahen wir (S.35 / S.80/81), wie auf dem Gebiete des Denkens wir den Widersprüchen nicht entgehen können und wie z.B. der Widerspruch zwischen dem innerlich unbegrenzten menschlichen Erkenntnisvermögen und seinem wirklichen Dasein in lauter äußerlich beschränkten und beschränkt erkennenden Menschen sich löst in der für uns wenigstens praktisch endlosen Aufeinanderfolge der Geschlechter, im unendlichen Progreß“
(Engels, Friedrich: Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschaft, in: Karl Marx / Friedrich Engels-Werke, Berlin 1962, Bd. 20, S. 112 f.)


Annahme 2

Die gesamte Natur, die gesamte Materie steht in einem gegenseitigen Wirkungszusammenhang.

In dem Wechselspiel von Attraktion und Repulsion besteht alle Bewegung.

Attraktionen und Repulsionen müssen sich im Universum aufwiegen.

Bewegung kann weder erschaffen, noch zerstört werden.

Treibende Quelle der Selbstbewegung der Materie: Einheit und Kampf der Widersprüche.


„Die ganze uns zugängliche Natur bildet ein System, einen Gesamtzusammenhang von Körpern, und zwar verstehn wir hier unter Körpern alle materiellen Existenzen vom Gestirn bis zum Atom, ja bis zum Ätherteilchen, soweit dessen Existenz zugegeben. Darin, daß diese Körper in einem Zusammenhang stehn, liegt schon einbegriffen, daß sie aufeinander einwirken, und diese ihre gegenseitige Einwirkung ist eben die Bewegung. Es zeigt sich hier schon, daß Materie undenkbar ist ohne Bewegung. Und wenn uns weiter die Materie gegenübersteht als etwas Gegebnes, ebensosehr Unerschaffbares wie Unzerstörbares, so folgt daraus, daß auch die Bewegung so unerschaffbar wie unzerstörbar ist. Diese Folgerung wurde unabweisbar, sobald einmal das Universum als ein System, als ein Zusammenhang von Körpern erkannt war. Und da diese Erkenntnis von der Philosophie gewonnen wurde, lange bevor sie in der Naturwissenschaft wirksame Geltung gewann, so ist es erklärlich, warum die Philosophie volle 200 Jahre vor der Naturwissenschaft den Schluß auf die Unerschaffbarkeit und Unzerstörbarkeit der Bewegung zog. Selbst die Form, in der sie es tat, ist der heutigen naturwissenschaftlichen Formulierung noch immer überlegen. Der Descartessche Satz, daß die Menge der im Universum vorhandnen Bewegung stets dieselbe, fehlt nur formell in der Anwendung eines endlichen Ausdrucks auf eine unendliche Größe. Dagegen gelten in der Naturwissenschaft jetzt zwei Ausdrücke desselben Gesetzes: der Helmholtzsche von der Erhaltung der Kraft und der neuere, präzisere von der Erhaltung der Energie, wovon der eine, wie wir sehn werden, das grade Gegenteil vom andern besagt und wovon zudem jeder nur die eine Seite des Verhältnisses ausspricht.

Wenn zwei Körper aufeinander wirken, so daß eine Ortsveränderung eines derselben oder beider die Folge ist, so kann diese Ortsveränderung nur bestehn in einer Annäherung oder einer Entfernung. Entweder ziehen sie einander an, oder sie stoßen einander ab. Oder, wie sich die Mechanik ausdrückt, die zwischen ihnen wirksamen Kräfte sind zentral, wirken in der Richtung der Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte. Daß dies geschieht, stets und ausnahmslos im Universum geschieht, so kompliziert auch manche Bewegungen erscheinen, gilt uns heutzutage als selbstverständlich. Es würde uns widersinnig vorkommen anzunehmen, daß zwei aufeinander wirkende Körper, deren gegenseitiger Einwirkung kein Hindernis oder keine Einwirkung dritter Körper entgegensteht, diese Einwirkung anders ausüben sollten als auf dem kürzesten und direktesten Wege, in der Richtung der ihre Mittelpunkte verbindenden Geraden. Bekanntlich hat aber Helmholtz (...) auch den mathematischen Beweis geliefert, daß zentrale Wirkung und Unveränderlichkeit der Bewegungsmenge sich gegenseitig bedingen, und daß die Annahme andrer als zentraler Wirkungen zu Resultaten führt, bei denen Bewegung entweder erschaffen oder vernichtet werden könnte. Die Grundform aller Bewegung ist hiernach Annäherung und Entfernung, Zusammenziehung und Ausdehnung - kurz, der alte polare Gegensatz von Attraktion und Repulsion.

Ausdrücklich zu merken: Attraktion und Repulsion werden hier nicht gefaßt als sogenannte »Kräfte«, sondern als einfache Formen der Bewegung. Wie denn schon Kant die Materie aufgefaßt hat als die Einheit von Attraktion und Repulsion. Was es mit den »Kräften« auf sich hat, wird sich seinerzeit zeigen.

In dem Wechselspiel von Attraktion und Repulsion besteht alle Bewegung. Sie ist aber nur möglich, wenn jede einzelne Attraktion kompensiert wird durch eine entsprechende Repulsion an andrer Stelle. Sonst müßte die eine Seite mit der Zeit das Übergewicht erhalten über die andre, und damit hörte die Bewegung schließlich auf. Also müssen sich alle Attraktionen und alle Repulsionen im Universum gegenseitig aufwiegen. Das Gesetz von der Unzerstörbarkeit und Unerschaffbarkeit der Bewegung erhält hiermit den Ausdruck, daß jede Attraktionsbewegung im Universum durch eine gleichwertige Repulsionsbewegung ergänzt werden muß, und umgekehrt; oder, wie die ältere Philosophie - lange vor der naturwissenschaftlichen Aufstellung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft, resp. Energie - dies aussprach: daß die Summe aller Attraktionen im Weltall gleich ist der Summe aller Repulsionen.

Hier scheinen indes zwei Möglichkeiten noch immer offen, daß alle Bewegung einmal aufhöre, nämlich entweder dadurch, daß Repulsion und Attraktion sich endlich einmal tatsächlich ausgleichen, oder dadurch, daß die gesamte Repulsion sich eines Teils der Materie endgültig bemächtigt und die gesamte Attraktion des übrigen Teils. Für die dialektische Auffassung können diese Möglichkeiten von vornherein nicht existieren. Sobald die Dialektik einmal aus den Resultaten unserer bisherigen Naturerfahrung nachgewiesen hat, daß alle polaren Gegensätze überhaupt bedingt sind durch das wechselnde Spiel der beiden entgegengesetzten Pole aufeinander, daß die Trennung und Entgegensetzung dieser Pole nur besteht innerhalb ihrer Zusammengehörigkeit und Vereinigung, und umgekehrt ihre Vereinigung nur in ihrer Trennung, ihre Zusammengehörigkeit nur in ihrer Entgegensetzung, kann weder von einer endgültigen Ausgleichung von Repulsion und Attraktion, noch von einer endgültigen Verteilung der einen Bewegungsform auf die eine, der andren auf die andre Hälfte der Materie, also weder von der gegenseitigen Durchdringung (Im Sinne des gegenseitigen Ausgleichs und der Neutralisation) noch von der absoluten Scheidung beider Pole die Rede sein. Es wäre ganz dasselbe, als wollte man im ersten Fall verlangen, der Nordpol und der Südpol eines Magnets sollten sich gegen- und durcheinander ausgleichen, und im zweiten Fall, die Durchfeilung eines Magnets in der Mitte zwischen beiden Polen solle hier eine Nordhälfte ohne Südpol, dort eine Südhälfte ohne Nordpol herstellen. Wenn aber auch die Unzulässigkeit solcher Annahmen schon aus der dialektischen Natur des polaren Gegensatzes folgt, so spielt doch, dank der herrschenden metaphysischen Denkweise der Naturforscher, wenigstens die zweite Annahme in der physikalischen Theorie eine gewisse Rolle.“
(Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, in: Karl Marx / Friedrich Engels-Werke, Berlin 1962, Bd. 20, S. 355-357.)


Annahme 3

Die Einheit (Kongruenz, Identität, Wirkungsgleichheit) der Gegensätze ist bedingt, zeitweilig, vergänglich, relativ. Der Kampf der einander ausschließenden Gegensätze ist absolut, wie die Entwicklung, die Bewegung absolut ist.


„Die Richtigkeit dieser Seite des Inhalts der Dialektik muß an Hand der Geschichte der Wissenschaft geprüft werden. Dieser Seite der Dialektik wird gewöhnlich (zum Beispiel bei Plechanow) nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet: die Identität der Gegensätze wird als Summe von Beispielen genommen [„zum Beispiel das Gerstenkorn“; „zum Beispiel der Urkommunismus“. Auch bei Engels. Jedoch „aus Gründen der Gemeinverständlichkeit“…], nicht aber als Gesetz der Erkenntnis (und Gesetz der objektiven Welt).

In der Mathematik + und -. Differential und Integral. „ „ Mechanik Wirkung und Gegenwirkung. „ „ Physik positive und negative Elektrizität. „ „ Chemie Verbindung und Dissoziation der Atome. „ „ Gesellschaftswissenschaft Klassenkampf. Identität der Gegensätze (vielleicht richtiger: deren „Einheit“? Obwohl der Unterschied der Termini Identität und Einheit hier nicht besonders wesentlich ist. In gewissem Sinne sind beide richtig) bedeutet Anerkennung (Aufdeckung) widersprechender, einander ausschließender, gegensätzlicher Tendenzen in allen Erscheinungen und Vorgängen der Natur (darunter auch des Geistes und der Gesellschaft). Bedingung der Erkenntnis alle Vorgänge in der Welt in ihrer „Selbstbewegung“, in ihrer spontanen Entwicklung, in ihrem lebendigen Leben ist die Erkenntnis derselben als Einheit von Gegensätzen. Entwicklung ist „Kampf“ der Gegensätze. Die beiden grundlegenden (oder die beiden möglichen? Oder die beiden in der Geschichte zu beobachtenden?) Konzeptionen der Entwicklung (Evolution) sind: Entwicklung als Abnahme und Zunahme, als Wiederholung, und Entwicklung als Einheit der Gegensätze (Spaltung des Einheitlichen in einander ausschließende Gegensätze und das Wechselverhältnis zwischen ihnen). Bei der ersten Konzeption der Bewegung bleibt die Selbstbewegung, ihre treibende Kraft, ihre Quelle, ihr Motiv im Dunkel (oder diese Quelle wird nach außen verlegt - Gott, Subjekt etc.). Bei der zweiten Konzeption richtet sich die Hauptaufmerksamkeit gerade auf die Erkenntnis der Quelle der „Selbst“bewegung. Die erste Konzeption ist tot, farblos, trocken. Die zweite lebendig. Nur die zweite liefert den Schlüssel zu der „Selbstbewegung“ alles Seienden; nur sie liefert den Schlüssel zu den „Sprüngen“, zum „Abbrechen der Allmählichkeit“, zum „Umschlagen in das Gegenteil“, zum Vergehen des Alten und Entstehen des Neuen. Die Einheit (Kongruenz, Identität, Wirkungsgleichheit) der Gegensätze ist bedingt, zeitweilig, vergänglich, relativ. Der Kampf der einander ausschließenden Gegensätze ist absolut, wie die Entwicklung, die Bewegung absolut ist.““
(Lenin, Wladimir Iljitsch: Zur Frage der Dialektik, in: Lenin-Werke, Berlin 1964, Bd. 38, S. 338 f.)



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Negation, Zerstörung, Erscheinungsform, Materie, Übergang, Bewegungsgesetz, Natur, Geschichte

Annahme 1

Negation heißt nicht Zerstörung einer Erscheinungsform der Materie von Aussen oder Nein-Sagen. Negation ergibt sich aus der Selbstbewegung, Eigenart der konkreten Materie. Negation ist die Aufhebung der Form und der Übergang zur nächsten Form. Es ist also ein Bewegungsgesetz. Eine Form wird negiert und vergeht, geht über in die nächste Form. Negation der Negation heißt, wenn die aus der alten Form neuentstande Form wiederum negiert wird, also eine Formwandlung durchmacht. Das Resultat dieser Bewegung (Negation der Negation) ist eine weiterentwickelte Form (quantitativ / qualitativ) der Ursprungsform. Dieses Gesetz ist ein äußerst allgemeines und eben deswegen weitwirkendes und wichtiges Entwicklungsgesetz der Natur, der Geschichte und des Denkens.


„Aber was ist denn diese schreckliche Negation der Negation, die Herrn Dühring das Leben so sauer macht, die bei ihm dieselbe Rolle des unverzeihlichen Verbrechens spielt, wie im Christentum die Sünde wider den heiligen Geist? - Eine sehr einfache, überall und täglich sich vollziehende Prozedur, die jedes Kind verstehn kann, sobald man den Geheimniskram abstreift, unter dem die alte idealistische Philosophie sie verhüllte, und unter dem sie ferner zu verhüllen das Interesse hülfloser Metaphysiker vom Schlage des Herrn Dühring ist. Nehmen wir ein Gerstenkorn. Billionen solcher Gerstenkörner werden vermahlen, verkocht und verbraut, und dann verzehrt. Aber findet solch ein Gerstenkorn die für es normalen Bedingungen vor, fällt es auf günstigen Boden, so geht unter dem Einfluß der Wärme und der Feuchtigkeit eine eigne Veränderung mit ihm vor, es keimt; das Korn vergeht als solches, wird negiert, an seine Stelle tritt die aus ihm entstandene Pflanze, die Negation des Korns. Aber was ist der normale Lebenslauf dieser Pflanze? Sie wächst, blüht, wird befruchtet und produziert schließlich wieder Gerstenkörner, und sobald diese gereift, stirbt der Halm ab, wird seinerseits negiert. Als Resultat dieser Negation der Negation haben wir wieder das anfängliche Gerstenkorn, aber nicht einfach, sondern in zehn-, zwanzig-, dreißigfacher Anzahl. Getreidearten verändern sich äußerst langsam, und so bleibt sich die Gerste von heute ziemlich gleich mit der von vor hundert Jahren. (…) Ähnlich wie beim Gerstenkorn vollzieht sich dieser Prozeß bei den meisten Insekten, z.B. Schmetterlingen. Sie entstehn aus dem Ei durch Negation des Ei’s, machen ihre Verwandlungen durch bis zur Geschlechtsreife, begatten sich und werden wieder negiert, indem sie sterben, sobald der Gattungsprozess vollendet und das Weibchen seine zahlreichen Eier gelegt hat. Daß bei andern Pflanzen und Tieren der Vorgang nicht in dieser Einfachheit sich erledigt, daß sie nicht nur einmal, sondern mehrmal Samen, Eier oder Junge produzieren, ehe sie absterben, geht uns hier noch nichts an; wir haben hier nur nachzuweisen, daß die Negation der Negation in den beiden Reichen der organischen Welt wirklich vorkommt. Ferner ist die ganze Geologie eine Reihe von negierten Negationen, eine Reihe von aufeinanderfolgenden Zertrümmerungen alter und Ablagerungen neuer Gesteinsformationen. Zuerst wird die ursprüngliche, aus der Abkühlung der flüssigen Masse entstande Erdkruste durch ozeanische, meteorologische und atmosphärisch-chemische Einwirkung zerkleinert und diese zerkleinerten Massen auf dem Meeresboden geschichtet. (…)

Was ist also die Negation der Negation? Ein äußerst allgemeines und eben deswegen äußerst weitwirkendes und wichtiges Entwicklungsgesetz der Natur, der Geschichte und des Denkens; ein Gesetz, das, wie wir gesehn, in der Tierund Pflanzenwelt, in der Geologie, in der Mathematik, in der Geschichte, in der Philosophie zur Geltung kommt und dem selbst Herr Dühring trotz allen Sperrens und Zerrens, ohne es zu wissen, in seiner Weise nachkommen muß. Es versteht sich von selbst, daß ich über den besondern Entwicklungsprozeß, den z.B. das Gerstenkorn von der Keimung bis zum Absterben der fruchttragenden Pflanze durchmacht, gar nichts sage, wenn ich sage, es ist Negation der Negation. Denn da die Integralrechnung ebenfalls Negation der Negation ist, würde ich mit der entgegengesetzten Behauptung nur den Unsinn behaupten, der Lebensprozeß eines Gerstenhalms sei Integralrechnung oder meinetwegen auch Sozialismus. Das ist es aber, was die Metaphysiker der Dialektik fortwährend in die Schuhe schieben. Wenn ich von all diesen Prozessen sage, sie sind Negation der Negation, so fasse ich sie allesamt unter dies eine Bewegungsgesetz zusammen, und lasse ebendeswegen die Besonderheiten jedes einzelnen Spezialprozesses unbeachtet. Die Dialektik ist aber weiter nichts als die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens. Nun kann man aber einwenden: Die hier vollzogne Negation ist gar keine richtige Negation: ich negiere ein Gerstenkorn auch, wenn ich’s vermahle, ein Insekt, wenn ich’s zertrete, die positive Größe a, wenn sie ausstreiche usw. Oder ich negiere den Satz: die Rose ist eine Rose, wenn ich sage: die Rose ist keine Rose; und was kommt dabei heraus, wenn ich diese Negation wieder negiere und sage: die Rost ist aber doch eine Rose? - diese Negation wieder negiere und sage: die Rose ist aber doch eine Rose? - Diese Einwendungen sind in der Tat die Hauptargumente der Metaphysiker gegen die Dialektik und ganz dieser Borniertheit des Denkens würdig. Negieren in der Dialektik heißt nicht einfach nein sagen, oder ein Ding für nicht bestehend erklären, oder es in beliebiger Weise zerstören. Schon Spinoza sagt: Omnis Determinatio est negatio, jede Begrenzung oder Bestimmung ist zugleich eine Negation. Und ferner ist die Art der Negation hier bestimmt erstens durch die allgemeine und zweitens die besondre Natur des Prozesses. Ich soll nicht nur negieren, sondern auch die Negation wieder aufheben. Ich muß also die erste Negation so einrichten, daß die zweite möglich bleibt oder wird. Wie? Je nach der besondern Natur jedes einzelnen Falls. Vermahle ich ein Gerstenkorn, zertrete ich ein Insekt, so habe ich zwar den ersten Akt vollzogen, aber den zweiten unmöglich gemacht. Jede Art von Dingen hat also ihre eigentümliche Art, so negiert zu werden, daß eine Entwicklung dabei herauskommt, und ebenso jede Art von Vorstellungen und Begriffen. In der Infinitesimalrechnung wird anders negiert als in der Herstellung positiver Potenzen aus negativen Wurzeln. Das will gelernt sein, wie alles andre. Mit der bloßen Kenntnis, daß Gerstenhalm und Infinitesimalrechnung unter die Negation der Negation fallen, kann ich weder erfolgreich Gerste bauen, noch differenzieren und integrieren, ebensowenig wie ich mit den bloßen Gesetzen der Tonbestimmung durch die Dimensionen er Saiten ohne weiteres Violine spielen kann. - Es ist aber klar, daß bei einer Negationsnegierung, die in der kindischen Beschäftigung besteht, a abwechselnd zu setzen und wieder auszustreichen, oder von einer Rose abwechselnd zu behaupten, sie sei eine Rose und sie sei keine Rose, nichts herauskommt als die Albernheit dessen, der solche langweilige Prozeduren vornimmt.“
(Engels, „Anti-Dühring“, MEW Band 20, S.131/132)


Annahme 2

Gesellschaftliche Entwicklung geht hier mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses, also unabhängig vom Bewusstsein, vonstatten.


„Welche Rolle spielt nun bei Marx die Negation der Negation? Auf Seite 791 u.ff. stellt er die Schlußergebnisse der auf den vorhergehenden fünfzig Seiten durchgeführten ökonomischen und geschichtlichen Untersuchung über die sogenannte ursprüngliche Akkumulation des Kapitals zusammen. Vor der kapitalistischen Ära fand, wenigstens in England, Kleinbetrieb statt, auf Grundlage des Privateigentums des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln. Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation des Kapitals bestand hier in der Expropriation dieser unmittelbaren Produzenten, d.h. in der Auflösung des auf eigener Arbeit beruhenden Privateigentums. Dies wurde möglich, weil der obige Kleinbetrieb nur verträglich ist mit engen, naturwüchsigen Schranken der Produktion und der Gesellschaft und auf einem gewissen Höhegrad daher die materiellen Mittel seiner eignen Vernichtung zur Welt bringt. Diese Vernichtung, die Verwandlung der individuellen und zersplitterten Produktionsmittel in gesellschaftlich konzentrierte, bildet die Vorgeschichte des Kapitals. Sobald die Arbeiter in Proletarier, ihre Arbeitsbedingungen in Kapital verwandelt sind, sobald die kapitalistische Produktionsweise auf eignen Füßen steht, gewinnt die weitere Vergesellschaftung der Arbeit und weitere Verwandlung der Erde und andern Produktionsmittel, daher die weitere Expropriation der Privateigentümer, eine neue Form. ‚Was jetzt zu expropriieren, ist nicht länger der selbstwirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter exploitierende Kapitalist.

Diese Expropriation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Konzentration der Kapitale. Je ein Kapitalist schlägt viele tot. Hand in Hand mit dieser Konzentration oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsendere Stufenleiter, die bewußte technologische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßig gemeinsame Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel, und die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als gemeinsame Produktionsmittel kombinierter, gesellscahftlicher Arbeit. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtung, der Degradation, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapital wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Konzentration der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.’ (MEW Band 23, S.790/791) (…) Marx weist einfach historisch nach und faßt hier kurz zusammen, daß grade, weil einst der Kleinbetrieb durch seine eigne Entwicklung die Bedinungen seiner Vernichtung, s.h. der Enteignung der kleinen Eigentümer, mit Notwendigkeit erzeugte, so jetzt die kapitalistische Produktionsweise ebenfalls die materiellen Bedingungen selbst erzeugt hat, an denen sie zugrunde gehn muß. Der Prozeß ist ein geschichtlicher, und wenn er zugleich ein dialektischer ist, so ist das nicht die Schuld von Marx, so fatal es Herrn Dühring sein mag. Erst jetzt, nachdem Marx mit seinem historisch-ökonomischen Beweis fertig ist, fährt er fort: ‚Die kapitalistische Produktions- und Aneignungsweise, daher das kapitalistische Privateigentum, ist die erste Negation des individuellen auf eigene Arbeit gegründeten Privateigentums. Die Negation der kapitalistischen Produktion wird durch sie selbst, mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses, produziert. Es ist Negation der Negation‘ usw. Indem Marx also den Vorgang als Negation der Negation bezeichnet, denkt er nicht daran, ihn dadurch beweisen zu wollen als einen geschichtlich notwendigen. Im Gegenteil: Nachdem er geschichtlich bewiesen hat, daß der Vorgang in der Tat teils sich ereignet hat, teils noch sich ereignen muß, bezeichnet er ihn zudem als einen Vorgang, der sich nach einem bestimmten dialektischen Gesetz vollzieht. Das ist alles.“
(Engels, „Anti-Dühring“, MEW Band 20, S. 123-125)